Neoliberale Gewerkschaften – Warum die aktuelle Gewerkschaftspolitik keine echte Veränderung bringt

In unserem Land wird seit Jahrzehnten der Sozialstaat abgebaut. Die deutsche Regierung wirkt EU-weit dahin, dass dies auch in anderen Ländern geschieht (medial präsentes Beispiel ist Griechenland). Die Situation der Arbeiterklasse wird zunehmend schlechter. Große Konzerne nutzen gezielt Leiharbeit um die Tarifbindung zu umgehen. Befristete Beschäftigung, unfreiwillige Teilzeit, die Ungleichbezahlung von Frauen und Outsourcing halten an. Darüber hinaus schwebt das Damoklesschwert „Hartz 4“ als Druckmittel über allen Beschäftigten. 

Die Aufgabe der Gewerkschaften ist, sich dagegen zu stemmen. Ihr „Job“ ist, die Interessen von uns Arbeitern als unsere politische Organisation zu vertreten. Grundsätzlich kommen die Gewerkschaften dieser Aufgabe nach. Es werden Presseerklärungen abgegeben, Positionspapiere verfasst und öffentliche Termine wahrgenommen. Die Einzelgewerkschaften führen in den Tarifrunden Verhandlungen und führen ihre Mitglieder in den Streik. Betriebliche Interessenvertretungen (Betriebs-/Personalräte, Mitarbeitervertretungen) werden beraten und einzelnen Mitgliedern wird rechtlich geholfen, wenn sie eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung mit ihrem Arbeitgeber haben.

Die Kernforderungen der Gewerkschaften, sei es
DGB (deutscher Gewerkschaftsbund – ver.di, IG Metall und andere)
DBB (deutscher Beamtenbund – z.B. GdL)
CGB (christlicher Gewerkschaftsbund – sehr umstritten, da oftmals nicht tariffähig)
sind:
gute/bessere Bezahlung
gute Arbeitsbedingungen (familienfreundliche Arbeitszeiten, Arbeitssicherheit, etc.)
politische Veränderungen, zu Gunsten von Arbeitnehmern z.B. Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, ehemals die Einführung eines Mindestlohns, Reglementierung von Leiharbeit

All dies wird stets im Kontext der allgemeinen politischen Situation und der wirtschaftlichen Entwicklung gefordert. Ist ein Wirtschaftswachstum eingetreten oder prognostiziert (für Deutschland oder auch nur für die jeweilige Branche) werden Gehaltserhöhungen gefordert und weitere kostspielige Forderungen gestellt (z.B. Altersteilzeit). Sind „die Zeiten schlecht“ werden Tarifverträge zur Kurzarbeit oder Sozialtarifverträge zum Stellenabbau mit den Arbeitgebern geschlossen.

Kann dies langfristig eine maßgebliche Veränderung für die Menschen der Arbeiterklasse bringen? Werden dadurch bestehende Verhältnisse umgeworfen, Machtverhältnisse geändert?

Tatsache ist: Eine Gehalterhöhung von ein paar mickrigen Prozent zu fordern ist gut und richtig. Steigende Lebenshaltungskosten und Geldentwertung machen es notwendig, dass die Löhne und Gehälter dieser Entwicklung folgen. An den wirtschaftlichen Zusammenhängen ändert sich dadurch jedoch nichts. Es ändert nichts daran, dass die Kapitalisten (hierzulande „Unternehmer“ genannt) die fetten Gewinne einstreichen und uns Arbeitern dafür Brocken hinwerfen.

Doch statt sich massiv mit den etablierten Parteien anzulegen, werden Sonntagsreden gehalten und wechselseitig zum Stelldichein eingeladen. Der Präsident, als höchster Repräsentant eines neoliberal regierten Staates wird ans Mikrofon gebeten, statt ihn geteert und gefedert zum Teufel zu jagen. Genauso wird mit Arbeitgeber-Vertretern eine „Shake-Hands-Mentalität“ gepflegt. Getreu dem Grundsatz der „Sozialpartnerschaft“ wird ein höflicher Umgangston gebraucht und in aller Regel nicht scharf gegen die Kapitalisten geschossen. Es geht sogar so weit, dass in der Hochphase der sogenannten „Finanzkrise“ der höchste Vertreter der Arbeitgeber die Gewerkschaften lobt. 2009 geschehen durch den Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt (siehe hier). Wenn Lob von dieser Seite des Tisches kommt, sollten bei Gewerkschaften und Arbeitern sämtliche Alarmglocken laut aufschrillen! Das momentane Handeln der Gewerkschaften führt nicht zu grundlegenden Veränderungen. An dem Kräfteverhältnis, dass der Arbeitgeber stets am längeren Hebel sitzt, ändern diese Forderungen nichts.

Der Kapitalismus und das Profitsystem werden von den Gewerkschaften als gegeben akzeptiert. Es wird keine Änderung daran gefordert. Die Mitglieder werden nicht auf die Straße geführt, um bestehende Verhältnisse zu kippen. Selbst eine Wahlempfehlung vermeidet der DGB seit 2005. Aber was nutzen Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, wenn Parteien an der Macht sind, die eine Ideologie verfolgen, die arbeitnehmerfeindlich ist?

Welches Fazit ziehen „Wir“ daraus?

„Wir“, das sind all jene von uns, die ECHTE Veränderung wollen. Weg von der Ausbeutung von Arbeitern und Angestellten. Weg vom Kapitalismus, hin zu einer gesellschaftlichen Ordnung und einem System, das nicht den Profit ins Zentrum allen Handelns setzt. „Wir“, die ein System fordern, das die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen und den Erhalt der Natur über Wachstum und Gewinne stellt.

„Raus aus den Gewerkschaften, um den neoliberalen Kurs zu boykottieren“ könnte das Fazit sein. Ein klares NEIN dazu! „Rein in die Gewerkschaften!“ lautet das Fazit. Rein in den DGB. Zwar ist dieser mit seiner (noch) vorhandenen Nähe zur SPD und teilweise auch der CDU (CDA – Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft) noch weit entfernt vom Kurs zu einer Systemveränderung, jedoch ist er gegenüber dem DBB und CGB der „Einäugige unter den Blinden“. Schon heute sind viele Linksorientierte und Sozialisten im DGB organisiert. Strömen wir hinein in seine 7 Mitgliedsgewerkschaften! Hinein in die Ehrenämter, hinein in die hauptamtlichen Anstellungen! Von Innen heraus können wir den DGB beeinflussen und mitlenken. Nutzen wir unsere Einflussmöglichkeiten und bringen wir den DGB dahin, Systemveränderungen zu fordern.

Nehmen wir die Verantwortung, die wir für unsere Kolleginnen und Kollegen, für die Arbeiterklasse haben, wahr!

Ein Beitrag von Dave Koch, Mitglied des DGB-Kreisvorstand Bernkastel-Wittlich, Mitglied des Landesfachbereichsvorstands Handel Rheinland-Pfalz/Saarland, Gewerkschaft ver.di und
Betriebsratsvorsitzender Globus Baumarkt Wittlich

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3 Antworten

  1. Diesem Artikel, in dem vieles richtig beschrieben wird, verkennt aber auch weitere Ursachen für die derzeitige Situation: Die Machtfrage – Gewerkschaftsforderungen sind so gut wie die dahinterstehende Kampfbereitschaft. Diese Kampfbereitschaft wurde auch durch Faktoren ausgehöhlt, an denen die Gewerkschaften keine Schuld tragen: Leihabreit und Hartz-IV sind nicht auf ihrem Mist gewachsen. Weiter Faktor : die Amerikanisierung der Freizeitindustrie: Welcher Ami-Spielfilm oder welches Videospiel handelt denn mal von Arbeitnehmerkämpfen oder der Unterdrücken der Gewerkschaften in den USA? Somit die Darge: wie soll sich denn bei Jugendlichen politisches Bewusstsein bilden? Die gucken mehrheitlich ja lieber die amerikanisierten 20 Privatsender mit Verblödungsmüll.
    An einem Faktor aber haben die Gewerkschaften durchaus ein Mitschuld: Ganz einträchtig mit dem Kapital fordern sie eine mehr oder minder ungesteuerte Einwanderung, die uns derzeit Flüchtlinge beschert, die nie organisiert waren (z.B. islamische Länder mit gewerkschaftsfeindlichen Mentalitäten und Machtstrukturen) und als Unqualifizierte hier der Ausbeutung preisgegeben werden und den Gewerkschaften damit den Weg bereitet haben zur Abschaffung der Tarifautonomie bei Hilfsarbeitern. Diese Leute gehen mangels Sprachkenntnissen und politischem Bewusstsein in keine Gewerkschaft und deshalb warten die wenigen anderen Beitragszahler auch nicht darauf , „auf die Straße geführt zu werden“. Sie haben zuviel Konkurrenz von Billigarbeitern – sprich Streikbrechern- aus dem Ausland.

  2. Hier darf man Ursache und Wirkung nicht verkennen.
    Wo blieb denn die Kritik der Gewerkschaften im Vorfeld der Euro- Einführung?
    Der Euro ist aber die Ursache für die wirtschaftlichen Verwerfungen in Europa!

    Wenn für Griechenland gefordert wird, die seit Einführung des Euro explosionsartig gestiegenen Sozialkosten (die nun Deutschland bezahlen soll) zu begrenzen, so hat das seinen Grund.
    Die Rentenhöhe in Griechenland ist nach drastischen Erhöhngen heute virmal so hoch wie in
    Lettland oder in Polen. Aber die griechische Produktivität ist nicht viermal so hoch, wie die der hier genannten Länder! Nun fragten im Zuge der letzten Verhandungen die Polen, aber auch die
    Tschechen zu Recht, ob ihre Länder nun für die Griechen bezahlen sollen.

    Der Geburtsfehler war der Euro, denn mit der Drachme gab es jahrzehntelang keine Probleme.
    Bei nachlassender Wettbewerbsfähigkeit, warum auch immer, konnte jedes Land abwerten und schon war das Problem gelöst. Das ging lange Jahrzehnte so.
    Aber mit Einführung des Euro ging das nicht mehr, hinzu kam die unbeschreibliche Naivität der
    griechischen Regierungen. Der Rest ist bekannt.

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