Foto: Jimmy Bulanik

Wie weiter mit der LINKEN?

In aktuellen Umfragen dümpelt DIE LINKE zwischen 10% und 12% und das, obwohl die SPD rapide an Zustimmung innerhalb der wählenden Bevölkerung verliert. Nach einigen Sonntagsfragen würde die AfD sogar bereits als zweitstärkste Kraft in den Bundestag einziehen. Doch was bedeutet das alles für DIE LINKE und wie geht es mir ihr weiter? Und was ist die zentrale Aufgabe der gesellschaftlichen Linken zur aktuellen Stunde?

Seit 2013 bin ich Mitglied der Partei DIE LINKE, damals noch in Sachsen. In diesem Freistaat ist DIE LINKE nahezu in jeder Gemeinde, in den Kreisen sowie im Landtag zweitstärkste Partei. Sie ist präsent, hat ein gutes Netzwerk an Wahlkreisbüros und arbeitet hart in ihrer oppositionellen Rolle sowohl in den Kommunen, als auch im sächsischen Landtag. Die Oppositionsarbeit durfte ich bei meiner örtlichen Landtagsabgeordneten, Dr. Jana Pinka, beobachten und auf kommunaler Ebene in der mittelsächsischen Kreisstadt Freiberg sogar als aktiver Teil des LINKEN Ortsverbandes mitgestalten.

Die Verkrustung des Parteiapparates

2015 war ich das erste Mal an einem Wahlkampf beteiligt. In Freiberg wurde damals der Oberbürgermeister neu gewählt. Mein Lebenspartner entschloss sich nach der Aufstellung der ersten Kandidatinnen und Kandidaten für eine Einzelkandidatur. Doch als sich rumsprach, dass DIE LINKE noch keinen Kandidaten gefunden hatte, wollte er ihr Kandidat werden. Anfangs gefiel mir die Arbeit vor Ort gut – es gab konstruktive Gesprächsrunden mit Diskussionen zu politischen Themen, die wichtig für die Wahl waren. Doch in der harten Wahlkampfphase musste ich schnell feststellen, wie verkrustet der Parteikörper wirklich war. Der Vorsitzende des Ortsvorstandes leitete mit dem Kreisvorsitzenden im Hintergrund der parallellaufenden Landratswahlen Geheimgespräche mit den Spitzen der SPD und Grünen ein, die uns später zum Verhängnis werden sollten. Denn nach dem ersten Wahlgang, bei dem unser Kandidat etwa 7,5% der Stimmen erhielt, wurde er regelrecht dazu genötigt, ein erneutes Antreten im zweiten Durchgang auszuschließen. Die Bedingung war, dass DIE LINKE im Falle der Konstellation, dass der Freiberger SPD-Kandidat über dem LINKEN Kandidat liegen würde, und das war der Fall, ihren Kandidaten zurückziehen würde. Das Geheime an der Sache: Obwohl der SPD-Kandidat öffentlich preisgab, von keiner anderen Partei außer seiner eigenen unterstützt zu werden, verteilten die Genossinnen und Genossen der LINKEN fleißig seine Flyer und die Grünen trugen seine Wahlkampfzeitung aus.
Ich führe das gern als Paradebeispiel an, wie die Arbeit an der Basis der Partei oftmals läuft. Es ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen ich mich immer wieder aufs Neue ärgere, warum ich meine Kraft überhaupt damit verschwende, für dieses Konstrukt zu arbeiten.

Denn ja, ich muss hier ehrlich zugeben: Die Austritte einiger Genossinnen und Genossen haben mich getroffen und mich zum Nachdenken angeregt. In unsere Community wird immer betont, wie wichtig es ist, in die Massenparteien hineinzuarbeiten. Dafür werden Unmengen an Zitaten gebracht, die das belegen sollen. Doch frage ich mich dieser Tage wirklich: wann ist der Punkt für einen Bruch mit der LINKEN erreicht? Wo zieht man die Grenze? Ab wann hat es einfach keinen Sinn mehr, seine politische Kraft aufzuwenden, in einer, zutiefst im Verbügerlichungsprozess, befindliche Partei zu agieren?

Der Parteikörper ist verkrustet. Diese Kruste reicht von der Basis bis weit nach oben und scheint stahlhart. An der Basis spiegelt sich diese Begebenheit im genannten Beispiel wider. Auf der Ebene der Bundespartei nimmt es andere Ausmaße an – hier geht es um Karriere, Posten und Geld. Ein Flügel streitet aktuell wieder um eine Debatte für ein Rot-Rot-Grün im Bundestag, ein anderer, sich gerade entwickelnder Flügel, propagiert nationalistische Standpunkte und feiert sich selbst damit. Die Prozesse gehen einher mit dem Stillstand gegenüber den Wählerinnen und Wählern und viele Genossinnen und Genossen warten schon sehnlichst auf den Bundesparteitag im Juni, weil sie sich erhoffen, dass die Partei dann eine Lösung präsentieren wird, wie sie aus der demoralisierenden Stagnation herauskommt.

Radikal und sozialistisch? Zum Stillstand verdammt!

Der linke Flügel in Form der Plattform Antikapitalistische Linke fordert in seiner jüngst verabschiedeten Resolution für den Bundesparteitag „[…] [e]ine radikale und sozialistische Antwort auf die Umverteilung von unten nach oben, die Aufrüstungspolitik, die Explosion der Mieten, den Aufstieg der AfD.“ (http://www.antikapitalistische-linke.de/?p=2491) Doch reichen derartige Papiere nicht aus, um dem, auf die ‚soziale‘ Marktwirtschaft ausgerichteten, Parteikörper zu erneuern oder gar in Kampfstellung zu bringen. Viele der Parlamentarierinnen und Parlamentarier beweisen regelmäßig, weshalb sie sich wählen lassen haben. Nicht etwa, weil sie ernsthaft das Ziel einer Gesellschaft vor Augen haben, in der der Mensch und die Natur im Mittelpunkt stehen und der Profit endlich abgelöst und vergesellschaftet wird. Einige unter ihnen begreifen ihre Stellung als Berufung und nisten sich ein, in das System, was sie schauspielerisch zu bekämpfen scheinen. Darunter auch Verfechterinnen und Verfechter einer R2GDebatte oder Mitglieder solcher Regierungen auf Landesebene. Und gibt es dazu
etwa innerparteiliche Kritikerinnen und Kritiker, so werden diese mit hartem Durchgreifen behindert, gelöscht, geblockt usw.

Nach radikalen und sozialistischen Umbrüchen klingt das nicht. Im Gegenteil – die Arbeit der LINKEN besteht in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf Bundesebene eigentlich nur noch darin, den Kapitalismus mit zu verwalten. Von der Partei gehen keine kämpferischen Signale mehr aus und es fehlt ein sozialistisches Aktionsprogramm, was die sozialdemokratische Lücke in den Umfragen ausfüllen könnte. Die Wichtung der eigenen Karriere liegt eben einigen Genossinnen und Genossen im Bundestag sowie in den Landtagen eher am Herzen als der Kampf für die Mehrheit der Bevölkerung.

DIE LINKE und ihr Jugendverband

Auch die linksjugend [‘solid] hat es nicht leicht. Sie will hipp sein und cool. Doch das reicht bei weitem nicht aus, um die Welt verändern zu können. Ich startete Ende Januar eine kleine Umfrage bei Basisgruppen, wie sie unter anderem die Arbeit des Bundesverbandes bewerten. Davon abgesehen, dass mir nur wenige Menschen wirklich Antworten auf meine Fragen gaben, fielen die Gegebenen eher ernüchternd aus. Der Bundesverband wird so in der Regel kaum wahrgenommen. Der Kontakt verläuft spärlich aber effizient und die Basisgruppen konzentrieren sich viel mehr auf ihre Arbeit vor Ort, als dass sie sich damit beschäftigen, was die linksjugend im Liebknecht-Haus treibt.

Dass die linksjugend [‘solid] nicht wahrgenommen wird, liegt aber auch daran, dass der Verband, nach Aussagen befragter Mitglieder, in der Öffentlichkeit unterrepräsentiert ist. Sicher stehen derzeit die JUSOS wegen ihrer No-GroKoHaltung im Fokus der Medien, doch könne man sich auch nicht vorstellen, dass die linksjugend so in den Medien bundesweit auftauchen würde. Der Verband macht nur dann Schlagzeilen, wenn wieder einmal Streitthemen in versteckten Foren zum Vorschein kommen und Menschen so gezwungen sind, von ihren zusätzlichen Parteiämtern zurückzutreten.

Die Frage nach einer einheitlichen politischen Linie wurde als nachrangig betrachtet. Wohingegen eine Gruppe gänzlich auf derartige Vorgaben der Bundesebe verzichten möchte, ist ein anderes Mitglied potenziell offen für ein Grundlagenpapier, was die Mitglieder auch kennen sollten, worauf sie sich dann in ihrer Basisarbeit beziehen könnten.
Der Bundesprecher*innenrat sieht in einer einheitlichen politischen Linie keine Perspektive. Nach meiner Nachfrage wurde diesem Thema aus dem Weg gegangen. Vielleicht habe ich die Fragen dazu undeutlich formuliert, jeden Falls sind die gegebenen Antworten symptomatisch für das grundlegende Problem des Jugendverbandes. Im Gegensatz zu anderen sozialistischen Verbänden fehlt eine sozialistische Programmatik, an der sich Landes- und Ortsverbände orientieren können. Aus der Tugend des Abbaus der Hierarchien entwickelt sich zunehmen eine Ignoranz der Wichtigkeit strikter Organisation eines sozialistischen Jugendverbandes. An sich liegt nach meiner Erfahrung der Schwerpunkt einiger Basisgruppen eher auf Spaß als auf wirklichen politischen Aktionen – Alkohol vor politischer Arbeit ist dabei wohl das Credo. Der Spaß sollte nicht zu kurz kommen um der Demoralisierung entgegenzuwirken, jedoch ist der sozialistische Kampf kein Zuckerschlecken und auch kein Tanzabend in einer Bar um die Ecke.

Vernichtendes Urteil

Die Konsequenz daraus ist, dass der Verband in der sozialistischen Bewegung höchstens eine untergeordnete Rolle spielt und etwa in einer revolutionären Situation zerbrechen würde. Er wappnet kämpferische Jugendliche kaum für politische Auseinandersetzungen. Der Wert liegt nicht auf der theoretischen Ausbildung zu Marxistinnen und Marxisten, sondern viel mehr darauf, mit purem Spaß die Verhältnisse zu belustigen und in keinster Weise zu erschüttern. Es mag progressive und revolutionäre Basisgruppen und Zusammenschlüsse geben, doch diese haben nicht genügend Einfluss auf den Verband, auch wenn die Tendenz dahin geht, dass die Gruppen Zuwachs bekommen.

Ich für meinen Teil habe den Verband bereits verlassen, da ich in ihm keine sozialistischen Perspektiven mehr erkennen kann. Wie sich das auf die Partei übertragen lässt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Die Gesellschaft steht vor großen Umbrüchen. Die Börse zittert, der Druck auf die Arbeitenden seitens der Wirtschaft wird größer und rassistische und nationalistische Parteien sind auf dem Vormarsch. Wie DIE LINKE damit allerdings umgeht, steht in den Sternen.

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Eine Antwort

  1. Der Text ist in Ordnung und auch ich sehe die Verhältnisse in Sachsen leider genauso.

    Nur eine Anmerkung: „[…] ein anderer, sich gerade entwickelnder Flügel, propagiert nationalistische Standpunkte und feiert sich selbst damit.“
    – Das ist völliger Stuss und der Autor sollte sich doch mal wirklich mit den Positionen auseinandersetzen die Wagenknecht/Lafontaine verbreiten.

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