© Michael Täuber

Wahlen in Thüringen und Sachsen drücken gefährliche Rechtsentwicklung aus! Linke vor großen Herausforderungen

Die Wähler*innen in Sachsen und Thüringen haben die Rechte massiv gestärkt und der Ampel eine verheerende Niederlage zugefügt. Aber auch Die Linke hat ihre Stimmen mehr als halbiert und ist in Sachsen nur noch wegen dem Gewinn von zwei Direktmandaten in Leipzig in den Landtag eingezogen. Die Erringung dieser Direktmandate, aber auch der zwei Direktmandate in Jena geben zumindest einen Hinweis, dass mit einer klaren Haltung zur Migration, klarer Kante gegen rechts und einer offensiven Position für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Antirassismus Wahlen gewonnen werden können. 10Tausende von Haustürbesuchen, direkter Kontakt in den Wohngebieten, Präsens in den Stadtteilen haben erheblich zu diesem Erfolg beigetragen. Selbstverständlich sind Wahlkämpfe in Wahlkreisen mit einem relativ großen links-grünen Milieu nicht auf alle Regionen übertragbar. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass eine Verengung der Partei auf Frieden, Sozialstaat und stärkerer Ostorientierung der falsche Weg ist.

Die Radikalisierung nach rechts geht einher mit einer Verschärfung der Migrations- und Asylpolitik. Es ist nicht nur die AfD, die Migration und Kriminalität nahezu gleichstellt und massive Stimmung gegen Geflüchtete und Migrant*innen macht, auch die CDU und das BSW schlagen in die gleiche Kerbe. Besonders die Scheindebatte gegen sog. irreguläre Migration soll verschleiern, dass die letzten Reste des Asylrechts beseitigt werden sollen. Markus Söder hat im Bierzelt getönt, es sei an der Zeit, dass „wieder“ das „Volk“ entscheide statt Gerichte. Das ist praktisch ein Aufruf zum Rechtsbruch. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD protzte am Wahlabend damit, dass ja längst die CDU und auch andere Parteien die Forderungen der AfD übernommen haben und es fast schon egal sei welche Hampel regieren. Das ist schon eine offene Faschisierung der rechten Politik.

Die Gegenwehr von Grünen und SPD bleibt aus, im Gegenteil, auch dort wird fast nur noch von Grenzkontrollen, Abschiebungen und härterem Durchgreifen geredet. Es wäre eine Verharmlosung, wenn wir denken, dabei ginge es ausschließlich um die Geflüchteten. Es herrscht mehr und mehr ein Klima, das sich gegen Migration wendet. Es entsteht ein gefährliches Bündnis von Mob und Teilen der Eliten. Es sind einige Stimmen zu hören, die Linke soll ihre migrationspolitischen Positionen ändern, weil sie sonst weiter an Wählerzuspruch verlieren würde. Ich plädiere für einen offensiven Umgang, für ein klares Bekenntnis zu einer postmigrantischen Gesellschaft und gegen die Zerstörung des Asylrechtes. Die Migranten*innen stellen einen erheblichen Teil der Lohnabhängigen und sind in unserer Partei willkommen. Sie, wie auch die Geflüchteten sind Teil einer verbindenden Klassenpolitik, die dem sozialdarwinistischen Politikverständnis der Abschottung und Ausgrenzung eine klare Absage erteilt.

Es ist nicht zufällig, dass die Rechten nicht nur einen Kulturkampf gegen Feminismus und Selbstbestimmung führen, sondern auch gegen Klimapolitik. Sie reden den Menschen ein, wir könnten genauso weitermachen, mit dem fossilen Zeitalter, Verbrennermotor, ungebremsten Wachstum ohne Rücksicht auf Klima und Ressourcenverbrauch. Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist eine Überlebensfrage der Menschheit, ein zentrales Thema für die Linke und eine Klassenfrage.

Auch hier hilft nur ein Sprung nach vorne: hin zur Politik einer radikalen sozialökologischen Transformation. Dabei muss Die Linke die vorhandenen Bedenken, berechtigten Ängste und Befürchtungen vieler Menschen ernst nehmen, wirksame Klimapolitik eng mit sozialer Gerechtigkeit verbinden und als Teil der Klassenauseinandersetzungen transparent machen. Konkrete Projekte, Kampagnen und Praxisansätze, wie eine Mobilitätswende mit Ausbau von Bahn und ÖPNV und kostengünstigen Tickets bis hin zum Nulltarif, mit Kampagnen wie #wirfahrenzusammen, Schutz der Mieter*innen vor Abwälzung der energetischen Kosten, die Forderung nach Auszahlung des Klimageldes, verbinden Verbesserungen mit konsequentem Klimaschutz und wurden zum Teil schon auf den Weg gebracht.

Soziale Infrastruktur als wichtige Klammer linker Politik gegen rechts

Der teils katastrophale Zustand der öffentlichen Daseinsvorsorge und Infrastruktur ist ein starker Nährboden für die Rechten. Viele Menschen verzweifeln an den gravierenden Mängeln im Gesundheitssystem, an Schlangen vor den Bürgerbüros, an fehlenden Kitaplätzen im Stadtteil, Mangel an bezahlbaren Wohnungen, monatelangen Wartezeiten für Fachärzte, Lehrer- und Erzieher*innenmangel, warten auf unpünktliche Busse oder Bahnen. Es erschwert den Alltag gerade für diejenigen, die sich keine bezahlten Dienstleistungen leisten können und verstärkt das Gefühl, dass alles schlechter wird oder den Bach runtergeht.

Die Rechten greifen dieses Gefühl auf, verbinden mit ihrer Kritik, dass z.B. für Migrant*innen und Geflüchtete oder Fahrradwege in Peru Geld ausgegeben wird, aber eben nicht für die hier Ansässigen. Die mangelnde finanzielle Ausstattung der Kommunen, die für einen großen Teil der Kosten aufkommen müssen, verstärkt den Konkurrenzkampf um die Verteilung der Mittel, obwohl genügend Geld für die anstehenden Aufgaben da wäre, würde es nur gerecht verteilt. Auf dem Feld der sozialen Infrastruktur war Die Linke stark. Die Idee des Infrastruktursozialismus hat eine massive Ausdehnung der sozialen Infrastruktur zum Ziel, zur Herstellung sozialer Sicherheit, einer funktionierenden Daseinsvorsorge, mit einem wachsenden öffentlichen oder auch genossenschaftlichen Sektor, der nicht der Profitmaximierung, sondern dem besseren Leben der Mehrheit, also dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Das Konzept beinhaltet zugleich Vorschläge zur Demokratisierung der öffentlichen Infrastruktur und damit eines wichtigen Teils der Gesellschaft.

Die Frage der demokratischen Beteiligung und Aneignung ist auch deshalb bedeutend, weil die Rechten gerade aus dem Ohnmachtsgefühl vieler Menschen gegenüber den staatlichen Institutionen Honig saugen. Auf diesem Feld, das gleichzeitig eine Kampfzone für gerechtere Verteilung und Demokratisierung der Gesellschaft ist, kann die Linke im Unterschied zu den Rechten nicht nur klare Vorschläge und Lösungskonzepte auf den Tisch legen, sondern auch durch vielfältige praktische Arbeit Vertrauen gewinnen. Sind doch viele Linke in den Städten und Kommunen seit Jahren unterwegs, wenn es gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums geht, um bessere Bezahlung von Pflegekräften, Ausbau des ÖPNV, gebührenfreie Kitas, u.v.a.m. Das auszubauen, die Betroffenen einzubeziehen und Konflikte „anzuzetteln“ kann eine starke Basis gegen das Vordringen der Rechten sein, ist doch klar, dass es hier einerseits um konkrete Verbesserungen und andererseits um ganz andere „Gegner“ geht, die den Veränderungen im Wege stehen. Außerdem kann Die Linke vorhandene soziale, nachbarschaftliche Strukturen und vorhandenes Solidaritätsbewusstsein aktivieren, als klares Gegenmodell zu den sozialdarwinistischen und diskriminierenden Ideologien der Rechten.

Ein Beitrag von Bernd Riexinger, MdB und ehemaliger (2012 – 2021) Vorsitzender der Partei Die Linke

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