Verkehrswende. Sozial, Ökologisch, Gemeinsam!

In den vergangenen Jahren wurde die Klimakrise zunehmend auch im Verkehrssektor virulent. Lena-Johanna Schmidt erläutert warum dabei die soziale Frage nicht vergessen werden darf.

Die Streiks im öffentlichen Dienst diesen Herbst betrafen unter anderem den ÖPNV. Die Beschäftigten leiden unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen. Die Beschäftigten kämpfen für eine bundesweit einheitliche Tarifregelung, eine gerechte Bezahlung, verbesserte Regelungen von Urlaubs-, Ruhe- und Wendezeiten, sowie die damit verbundene Entlastung.

Für eine antikapitalistische Verkehrswende!

Im kapitalistischen System zählen körperliche und psychische Belastungen der Arbeiterinnen und Arbeiter häufig ebenso wenig wie die Folgen von Umweltzerstörung. Diese „indirekten Kosten“ der Produktion werden allzu oft nicht berücksichtigt. Der Verkehrssektor in Deutschland ist seit Jahrzehnten der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen, ohne nennenswerte Reduktion. Die Zielvorgabe für das Jahr 2030 – eine Verminderung des CO2 –Ausstoßes um 40% im Verkehrssektor – ist ohne umfassende Mobilitätswende nicht zu erreichen. Statt tiefgreifende Veränderungen im Mobilitätssektor vorzunehmen, werden immer noch mehr Schienen ab- als neu gebaut, der Ausbau von Autobahnen – zum Beispiel der A49, für die in Hessen derzeit hektarweise gesunder Wald gerodet wird – wird weiterhin vorangetrieben; Dienstwagen und Elektroautos werden gefördert, obgleich sie keins der bestehenden Probleme lösen werden.

Bei der Verkehrswende geht es nicht nur darum, die Emissionen zu verringern und den Klimawandel zu begrenzen. Es geht auch um Umweltschutz, einen Rückbau versiegelter Flächen, ein besseres Leben für alle, durch die Reduktion von Verkehrslärm, Abgasen, Unfällen, sowie eines besseren Mobilitätszugangs von Menschen mit Behinderung, jüngeren oder älteren Personen mit wenig Geld.

Wer in Deutschland nicht im Auto am Verkehrsgeschehen teilnimmt, ist seit ehedem nur Einwohnerin und Einwohner zweiter Klasse. Das Nachsehen haben insbesondere einkommensschwache Gruppen – 53% der Menschen im unteren Einkommensfünftel besitzen keinen PKW, bewegen sich zumeist zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV. Menschen mit geringem Einkommen leiden nicht nur aufgrund dessen unter dem Autoverkehr. Sie wohnen zum Beispiel auch häufiger an vielbefahrenen Straßen und sind Lärm oder Abgasen stärker ausgesetzt.

Die soziale Frage zieht sich durch den Verkehrssektor und die Verkehrswende, sei es in Bezug auf Teilhabe, Verteilungsgerechtigkeit oder Arbeitsbedingungen. Diese Punkte schaffen eine Verbindung zwischen dem Kampf der Klimabewegung und dem der Beschäftigten des ÖPNV. Und sie zeigen: Umweltschutz und Arbeitsplätze sind keine Gegensätze. Auch deshalb haben sich Verkehrswende- und Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten in den vergangenen Monaten gegenseitig unterstützt.

Für eine wirkliche Mobilitätswende muss das Konzept der autogerechten Stadt überwunden werden!

Das mittelhessische Gießen ist, trotz der höchsten Studierendendichte Deutschlands und einer Autodichte weit unter dem Bundesdurchschnitt, eine durch und durch autogerechte Stadt. Besonders morgens und nachmittags, wenn über 49.000 Pendelnde in die oder aus der Stadt wollen, blockieren Autos die Straßen. Klimaneutralität im Verkehrssektor soll laut Stadt hauptsächlich über die Förderung von alternativen Antriebsformen erreicht werden. Mit einer Mobilitätswende hat dies wenig zu tun. Dieser widmen sich, wo die offizielle Politik versagt, Bürgerinneninitiativen und Einzelpersonen, die auch bereits ein Konzept für eine lokale Mobilitätswende erarbeitet haben.

Die Lösung sieht, grob skizziert, wie folgt aus: eine autofreie Innenstadt, ein gut ausgebautes Fahrradstraßennetz, der Ausbau des bestehenden Leihradsystems mit Lastenrädern und die kostenlose Nutzung der Räder. Ein barriere- und kostenfreier ÖPNV ist ebenfalls eine der Säulen des Konzeptes. Die Bahnverbindungen müssen ausgebaut und mehr Haltepunkte eingerichtet werden; eine Regionalstraßenbahn, soll das Umland besser anbinden und der Busverkehr enger getaktet werden. Wichtig ist insbesondere, dass der ÖPNV eine attraktive Alternative für die Pendelnden darstellt und die ländlichen Regionen besser anbindet.

Ohne die Beschäftigten des ÖPNV ist eine solche Mobilitätswende aber nicht denkbar. Die Schaffung von umwelt- und klimagerechter, sicherer und sozial gerechter Mobilität kann nur gelingen, wenn Beschäftigte, Gewerkschaften, die Klimabewegung, NGOs und die Politik gemeinsam kämpfen!

Der Beitrag von Lena-Johanna Schmidt erschien in gedruckter Form in der neuen Critica

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