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Thesen zur Zukunft der Partei DIE LINKE

Die Partei DIE LINKE. steckt in ihrer wohl schwersten Krise. Eine Spaltung entlang der Person Wagenknecht droht, eine Parteineugründung wird immer wahrscheinlicher. In zwei Meinungsbeiträgen machen sich zwei Linke-Bundestagsabgeordnete Gedanken über die Zukunft der Partei. Hier geht’s zum Text von Kathrin Vogler, heute ist Bernd Riexinger dran.

Die Partei DIE LINKE. steht vor großen Herausforderungen. Es ist erfreulich, dass sich viele innerhalb und außerhalb der Partei an einer Debatte über die richtige Strategie beteiligen. Auf der Zukunftskonferenz der Bewegungslinken habe ich meine Thesen zu einer Strategie für die Zukunft der Partei vorgetragen:

  1. Wir leben in einer historischen Phase der multiplen Krisen des Kapitalismus. Das ist inzwischen schon Vokabular in bürgerlich-liberalen Medien. Konkret erleben wir schon seit Jahrzehnten eine massive Gerechtigkeitskrise, die sich u. a. in einer wachsenden Kluft zwischen Löhnen und Gewinnen und einer enormen Anhäufung von Vermögen in wenigen Händen ausdrückt, bei wachsender Armut auf der anderen Seite. Wir erleben zugleich eine Krise des Öffentlichen und der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur, die längst in die Erfahrungswelt eines großen Teils der Bevölkerung in Form fehlender Kindertagesplätze, Bildungsnotstand, Unpünktlichkeit und Ausfälle der Bahn, Pflegenotstand, fehlenden bezahlbaren Wohnungen, usw. ausdrückt. Aktuell erleben wir eine ökonomische Krisen- oder zumindest Stagnationsphase. Die Illusion einer „grünen Transformation“ mit neuem Wachstumsschub und Wettbewerbsfähigkeit platzt gerade. Wir sehen uns wachsender Kriegsgefahr gegenüber, u. a. Ausdruck einer hegemonialen Krise mit der Gefahr einer neuen Blockkonfrontation. Und als größte Krise rückt die Klimakatastrophe näher heran und kann nicht mehr in die Zukunft verschoben werden. Diese Krisen verschränken und verschärfen sich gegenseitig und wachsen sich zu systemischen Krisen aus, auch wenn es derzeit keine politische Klassenbewegung gibt, die für einen sozialistischen Ausweg steht.
  2. Die Linke muss und wird weiterhin einen starken Bezug zu den Lohabhängigen und der Interessensvertretung im politischen Raum herstellen. Jedoch nicht mit dem verkürzten Begriff Arbeiter, sondern auf dem heutigen Stand der Klassenzusammensetzung. Die Arbeiter*innenklasse ist weiblicher, migrantischer, gebildeter, überwiegend im Dienstleistungssektor beschäftigt und prekärer. Die Linke hat die Aufgabe der vorhandenen Spaltung, besonders in tarifgebundene, regulierte Vollzeitbeschäftigte und prekär Beschäftigte im Sinne verbindender Klassenpolitik gemeinsame Interessen, Forderungen und Kampfformen entgegenzusetzen. Ebenso im Sinne der Ausübung des politischen Mandats der Gewerkschaften, politische Forderungen zu verankern und im Sinne einer verbindenden Partei Bündnisse im gesellschaftlichen Bereich zu schaffen. Stichworte 2. Scheck, Mieten, Klima, Vergesellschaftung …
  3. Klimagerechtigkeit, Löhne, Arbeitsbedingungen und Ausbau des Sozialstaates sind zwei Seiten derselben Medaille und gehören zusammen gedacht. Grüner als Grüne zu werden ist eine Quatschposition. Klima ist eine Klassen- und eine Generationenfrage, vor allem ist sie eine Systemfrage. Der Kapitalismus mit einem systemischen Wachstumszwang und Externalisierung der ökologischen Kosten kann die größte Bedrohung für die Menschheit, die Klimakrise, nicht lösen. Es ist Aufgabe der Linken, die Klimabewegung zu stärken, Bündnisse zwischen Gewerkschaften und Klimaakteuren zu bestärken und zugleich politische Einstiege in eine systemische Transformation zu initiieren. Geeignet ist die dringend anstehende Mobilitätswende in Verbindung mit der Transformation der Automobilindustrie in eine klimafreundliche Mobilitätsindustrie. Verschiedene Akteure der Klimabewegung haben das zwischenzeitlich auch zum Schwerpunkt erklärt. Die Linke will sowohl ein anderes Wirtschaftssystem als auch ein anderes Lebensmodell, indem wir einen anderen Begriff von Wohlstand entwickeln.
  4. Es ist kein Zufall, dass die radikale Rechte weltweit nicht nur die von Menschen gemachte Erderwärmung leugnet, sondern die Klimabewegung und die grün/linken Kommunisten und Klimaideologen zum Hauptfeind erklärt und zugleich mit ihrer rassistischen und antifeministischen Ideologie verbindet. Am Agieren der Rechten wird übrigens überdeutlich, dass Klimafragen soziale Fragen sind, denn sie befördern einen radikalen Sozialdarwinismus – es muss ja nicht für alle, sondern für uns reichen. Deswegen Mauern und Stacheldraht, Bewaffnung bis an die Zähne, um die Verteilungskämpfe der Zukunft um Ressourcen schone heute zu führen. Dieser Sozialdarwinismus greift durchaus bei vielen Industriearbeitern und Teilen der Mittelschicht, die ihre materielle Stellung bedroht sehen. Der Kampf gegen die Rechten und gegen Rassismus ist für die Linke nicht nur zentral, sondern auch Bestandteil eines inklusiven Klassenbegriffes, der Geflüchtete und Migrant*innen ebenso einschließt, wie auch einen Begriff von internationaler Solidarität gegenüber den Menschen des globalen Südens. Ein exklusiver Klassenansatz befördert rechtes und sozialdarwinistisches Denken, inklusiv geführte Klassenauseinandersetzungen befördern Solidarität und stellt dem Nationalismus einen Begriff von internationaler Solidarität entgegen.
  5. Verteilungskämpfe sind dann Klassenkämpfe, wenn sie nicht die Verteilung innerhalb der Klasse in den Vordergrund stellen, sondern das Verhältnis zwischen den Lohnabhängigen und der Kapitalbesitzenden Klasse. Sie finden in direkten Lohnkämpfen statt. Hier unterstützt die Linke die Lohnabhängigen und wendet sich entschlossen gegen die Einschränkung des Streikrechts, kämpft für das Recht auf politischen Streik. Die zweite Ebene der Verteilungskämpfe geht um die staatliche Verteilung, also Steuern und Sozialabgaben. Es gibt derzeit eine nachhaltige Erfahrung großer Teile der Bevölkerung mit der Verwüstung des Öffentlichen durch die neoliberale Politik der letzten 40 Jahre. Misere im Bildungssystem, Pflegenotstand, Wuchermieten, Verzweifelte Suche nach einem Kitaplatz, Schlange stehen beim Bürgeramt, die Bahn kommt kaum noch pünktlich oder gar nicht, und und und … Der Politik des privaten Reichtums und wachsender öffentlicher Armut setzen wir den Begriff des Infrastruktursozialismus entgegen. Wir unterstützen deshalb die gesellschaftlichen Kämpfe gegen den Pflegenotstand, für bezahlbare Wohnungen und Vergesellschaftung der Wohnungskonzerne, für mehr Lehrer*innen und Erzieher*innen, für eine funktionierende Bahn und einen ausgebauten ÖPNV, und verbinden diese Kämpfe mit klaren Umverteilungsforderungen, also Einführung einer Vermögenssteuer, Krisengewinne abschöpfen, Mehrheit entlasten durch ein gerechteres Lohn- und Einkommensteuersystem.

Entscheidend ist, dass es zu einer gesellschaftlichen Bewegung kommt und die Partei ihre Kampagnenarbeit in Verbindung dazu stellt. Die Kampagne #wirfahrenzusammen von ver.di und Fridays for Future zu den anstehenden Tarifverhandlungen im Nahverkehr bieten einen guten Anlass dazu.

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3 Antworten

  1. Riexinger begreift ebensowenig wie die aktuelle Bundesregierung, dass es einer völlig neuen Gesellschaftsstruktur bedarf, um die sich gerade vollziehende 4. industrielle Revolution – geprägt durch umfassende Digitalisierung und KI – zu meistern und Strategien zu entwickeln, die die bisherigen Kategorien Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Lohnarbeit und Kapital überwinden. Es geht darum, die Organisation der Gesellschaft auf ein neues Niveau zu heben. Das jahrzehntelange Verteilungs- und Sozialprinzip ist am Ende, der Charakter der Beschäftigung wird sich ändern und die wenigen, die dann noch „Arbeit“ haben, sind nicht mehr in der Lage, die zunehmende Zahl der Nichtarbeitenden (Arbeitslose, Rentner, andere Bedürftige) zu unterstützen. Wie soll sich der „soziale Staat“ zukünftig finanzieren, wenn die Arbeitslosigkeit absehbar – nicht nur durch KI – zunehmen wird? Unsere „liberale Demokratie“ beruht vor allem auf Beharrung, Visionslosigkeit und dem Mangel an gestalterischem Mut und ist zu grundlegenden Änderungen weder willens noch fähig. Das wäre eine echte Aufgabe für die Linke.
    „Es ist noch immer gut gegangen“ scheint das Motto der Gesellschaft zu sein. Neues Denken und vor allem Handeln erfordern Intelligenz und Fleiß, an beidem mangelt es vielen Politikern. So lange die Versorgungsmentalität Motiv ihres Handelns ist, so lange müssen wir fürchten, dass uns die Zeit unwiederbringlich davon läuft. Und so lange wir uns den Luxus von Kriegen mit horrenden Verlusten an Menschen, Kapital und Ressourcen leisten können, haben wir keine Zeit für die Gestaltung der Zukunft.

  2. In einer sozialistischen Welt würde Solidarität mit allen gelten.Das wäre sehr erstrebenswert.Aber so ist es zur Zeit nicht ! Wer soll das alles erwirtschaften,was der Sozialstaat bräuchte,um gerecht zu jedem zu sein ? Das geht doch immer nur auf Kosten der Armen und der Mitte.Niemand in der Bewegungslinken,hat eine reale Antwort darauf.Umverteilen- ja,aber dafür müssten wir regieren,und das ist bei 4,9 % nicht machbar. Egal wie man die Arbeiterklasse heute nennt,sie sind immer die Ausgebeuteten.Egal ob Mann oder Frau,mit oder ohne Migrationshintergrund usw.Wir müssen die sozialen Verwerfungen ansprechen,auch die,die durch riesige Migrationsströme entstehen.Das hat nichts mit rechts zu tun,sondern lässt uns ehrliche Lösungen diskutieren,und hätte eine Spaltung vielleicht verhindert.

  3. Dass einem notorischen Wahlverlierer wie Riexinger hier überhaupt irgendeine Zeile gestattet wird, amüsiert.
    Dieser Totengräber einer einstmals relevanten Linkspartei verdient, spätestens 2025 auf den freien Arbeitsmarkt geworfen zu werden – allein, damit diese Kreatur uns nicht mehr belästigt.
    Eine neue, im besten Sinne eines Günter Gauslinkskonservative Kraft könnte diesen Freisetzungsprozess auf fruchtbare Weise beschleunigen.

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