Seit geraumer Zeit steigen fremdenfeindliche Übergriffe und Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund in Sachsen zunehmend. In den letzten beiden Jahren waren die Straftaten auf einem traurigen Höhepunkt angekommen. Auch 2016 bringt keinen Abbruch, sondern eine weitere Verschärfung der Lage. Dabei vergessen die vielen Statistiken oft aber auch Straftaten und Übergriffe gegen Sorben und sorbische Institutionen.
Slavenfeindlichkeit schon seit der deutschen Besiedlung
Im 10. Jahrhundert wurden die neueroberten Ostgebiete der heutigen Bundesrepublik durch deutsche Siedler gefüllt. Die damalige autochthone Bevölkerung der Slaven wurde vertrieben und einzelne slavische Stämme wurden unter Heinrich I. ausgerottet.
Das heute noch in Deutschland lebende slavische Volk der Sorben konnte in seiner angestammten Heimat bleiben. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war die Lausitz sogar zu einem Großteil nur sorbischsprachig. Doch der Wechsel vieler staatlicher System im 19. und 20. Jahrhundert führte dazu, dass die nieder- und obersorbischen Sprachen eingeschränkt und teilweise verboten wurden. Wo es einst sorbische Schulen gab, durfte von nun an im Kaiserreich oder während der Nazi-Zeit nur noch Deutsch gesprochen und unterrichtet werden.
Zwar galten die Slaven bei den Nazis nicht als „unreine“ Menschen, allerdings wollte der NSDAP-Staatsapparat auch keine fremdsprachigen Volksteile im Reich, weshalb man kurzerhand sorbische Lehrer in deutsche Gebiete schickte und in der Lausitz nur noch deutschsprachige Lehrer einsetzte, um das Sorbische zu zersetzen.
Diese dumpfe und oft auch gezielte Unterdrückung der Sorben in Deutschland führte schon von Beginn der Besiedlung an dazu, dass Sorben diskriminiert und diskreditiert wurden.
Sorbenfeindlichkeit in Sachsen heute
Heute nimmt die Sorbenfeindlichkeit in Sachsen wieder zu. Viele Jahre verfolgt der sächsische Landtagsabgeordnete Heiko Kosel (DIE LINKE.) die Geschehnisse schon und hat neulich im sächsischen Landtag eine kleine Anfrage gestellt. Diese ergab, dass unter anderem zwischen Januar 2013 und November 2014 schon alleine 15 Fälle vom Staatsinnenministerium registriert wurden, der Bund hat hingegen wegen anderer Spezifikation und Ordnung in den letzten fünf Jahren nur rund 20 Fälle registriert. Ein statistisches Wirr-Warr, was den Sorben nicht hilft.
Kosel beklagt als Reaktion auf die Antwort, dass es furchtbar sei, dass sorbenfeindliche Übergriffe noch kein eigenes Themenfeld bei der Kriminalerfassung bilden, denn das sei wichtig, um besseren Schutz für die Minderheit zu gewähren.
Indes ist es meist klar, dass hinter den Angriffen rechtsextreme Täter stecken. Unter anderem wurden oft sorbische Jugendliche angepöbelt. Eine junge Sorbin berichtete davon, wie sie Angst habe, sich überhaupt als Sorbin erkennen zu geben, wo sie weiß, dass solche Übergriffe überall passieren können. Vor allem sind es aber Treffpunkte junger Sorbinnen und Sorben, die dann immer wieder zu Tatorten werden.
Ein anderer Aspekt ist die Sachbeschädigung an der zweisprachigen Beschilderung in der Lausitz. In vielen Fällen wurden in den letzten Jahren regelmäßig Ortstafeln besprüht, die sorbischen Ortsnamen wurden unkenntlich gemacht.
Umgekehrt kommt es von staatlicher Seite aber auch dazu, dass das sorbische Recht missachtet wird und die Umsetzung der zweisprachigen Beschilderung nur unzureichend umgesetzt wird. In einigen Kommunen geht der Vorgang nur schleppend voran, die Straßenschilder auch auf sorbische zu beschriften, damit eine allumfängliche Gleichberechtigung von deutscher und sorbischer Sprache gegeben sein kann.
Die sorbische Identität leidet
Vor dem Hintergrund der Anfeindungen gegenüber den Slaven in Deutschland, leidet natürlich die sorbische Identität zunehmend. Die historischen Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass sich Sorbinnen und Sorben immer weiter zurückziehen und ihre „eigene Welt“ bilden, bevor sie sich auf fremdenfeindliche Diskriminierung einlassen. Viele Sorben trauen sich nicht einmal mehr in der Öffentlichkeit sorbisch zu sprechen, da sie Angst haben, angegriffen zu werden – ob nun verbal oder physisch. Für das kleine slavische Volk ist Deutsch dank kompletter Bilingualität kein Problem, da alle Sorben zweisprachig aufwachsen. Sie können also tatsächlich auch deutsch miteinander sprechen, allerdings führt das zum tragischen Verfall und langfristigem Tod des Nieder- und Obersorbischen und das kann man in einer so vielfältigen Welt nicht begrüßen.
Sprache bedeutet Bildung
Die Zweisprachigkeit sorbischer Kinder ist von großem Vorteil. Kinder, die mindestens bilingual aufwachsen, haben später bessere kognitive Fähigkeiten als Kinder, die nur mit einer Muttersprache erzogen werden.
Das Witaj-Projekt zeigt, dass diese zwei Sprachen gut miteinander harmonieren können und die Sprösslinge von der Kinderkrippe an deutsch und sorbisch perfekt erlernen.
Genau aus dieser Harmonie heraus, ist es doch oberste Priorität, die sorbische Minderheit in Deutschland besonders zu schützen und deren Kultur und Sprache zu fördern und alles Mögliche zu tun, um das weitere Ansteigen von sorbenfeindlichen Übergriffen zu verhindern.
Angriffe auf Sorben sollten in extra Karteien gelistet werden, damit die Beamten gezielter aufklären können und wir einen Überblick erhalten, wie sich die Sache entwickelt.
Die verschiedenen Förderprogramme wie Witaj sollten noch besser gefördert werden, damit auch weiterhin mindestens eine Zweisprachigkeit bestehen wird.
Sachsens Ministerpräsident sitzt am sehr langen Hebel
Stanislaw Tillich (CDU) ist selbst Sorbe und weiß von den Umständen in einigen Ortschaften in der Lausitz. Er sollte als Sorbe die Chance nicht verstreichen lassen, die Sprache dieser Tage wieder mehr ins Auge zu fassen. Förderung ist gerade für die anerkannten Minderheiten sehr wichtig, denn ohne staatliche Mittel wird es langfristig gesehen unmöglich sein, wertvolle Kulturgüter zu erhalten.
Aber vor allem spielt neben der Förderung auch Aufklärung eine Rolle, die allerdings die deutschsprachigen Menschen der Lausitz betrifft. Denn diese müssen wieder stärker an die sorbische Kultur herangeführt werden, damit sie nicht, wie oft, sagen, dass sie sich „fremd im eigenen Land“ fühlen würden. Denn Grund dafür haben sie allemal bei einer so breitgefächerten Gesellschaft nicht. Man muss hier nur den Wert eines jeden Einzelnen und unserer allgegenwärtigen Freiheit kennen.