Heute sollen von Berlin-Schönefeld aus, Menschen aus ganz Deutschland nach Afghanistan abgeschoben werden – ein Land, in dem immer noch kein Frieden herrscht, Terroranschläge inmitten der Straßen Kabuls genau wie an Geburtskliniken auf der Tagesordnung stehen.
Die Bundesregierung kennt auch nach Ostern keine Nächstenliebe. Gleich zwei Tage nach Ostermontag kam es zu Sammelabschiebungen in Berlin-Schönefeld nach Afghanistan. Von Nächstenliebe kann da nicht mehr die Rede sein. Die Nächstenliebe wird nämlich da zur Gefahr, wo Menschen sich für den Schutz der Afghanen einsetzen. Tagtäglich setzen sich Menschenrechtler:innen und Zivilisti:nnen in Afghanistan dafür ein, die bewaffneten Auseinandersetzungen zu beenden und Frieden zu fordern.
Maßgeblich hat Thomas de Maizière (CDU) in der Bundesregierung dazu beigetragen, 2016 vermehrt wieder Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Hintergrund ist hierbei, dass er mit Regierungsvertretern in Kabul ein Abkommen veranlasste, Geflüchtete in Deutschland wieder zurückzuführen. Kurz darauf ist ein Abkommen mit der EU vereinbart worden, welches die Abschiebung von 80.000 Menschen regelte. Die Sicherheitslage hat sich in Afghanistan seitdem weiterhin verschlechtert, das nach den Maßstäben Global Terrorism Index als gefährlichstes Land der Welt gilt. Jedes Jahr werden Tausende zu Opfern von Bombenanschlägen, denn rund 70 Prozent des Landes werden von den Taliban kontrolliert. Die Zahlen über die Sicherheitslage dort haben sich seit 2017 massiv verschlechtert. Auch der aktuellste UN-Sicherheitsbericht deutet auf anhaltende Kriegshandlungen hin: Die Zahl bewaffneter Zusammenstöße ist demnach von 13.155 im Jahr 2019 um 18,4 Prozent auf 15.581 im Jahr 2020 gestiegen.
Was bedeutet dies im Umkehrschluss?
Die derzeitige Situation schließt aus, dass die Lebenssituation in Afghanistan sicher ist. Neben der Aussetzung von Krieg droht den Menschen vor Ort auch, dass sie angesichts der epidemiologischen Lage laut Auswärtigem Amt in Afghanistans einem Hochinzidenzwertgebiet ausgesetzt sind – die geplante Sammelabschiebung stellt somit ein fatales Zeichen dar. Der Flüchtlingsrat in Berlin forderte daher angesichts der aktuellen Lage einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan.
Zu einem Stopp der Abschiebung sehen auch verschiedene Gerichte Möglichkeiten: „Das OVG Niedersachsen 13.01.2021 – 9 LA 150/20verfügte ein Abschiebungsverbot für einen alleinstehenden gesunden erwerbsfähigen Mann aus Afghanistan wegen der fehlenden Existenzmöglichkeit durch die extrem prekäre wirtschaftliche Lage infolge der Corona Pandemie.“
„Das Bundesverfassungsgericht stoppte kürzlich die Abschiebung eines drogenkranken jungen Mannes, da unklar sei, ob er in Afghanistan zumal unter Corona eine Substitionstherapie erhalten könne. Selbst bei einer gesunden Person sei zweifelhaft, ob sie unter den aktuellen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bedingungen durch eigene Arbeit ein Existenzminimum erwirtschaften könne. Werde auf familiäre Strukturen verwiesen, seinen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die afghanische Bevölkerung zu prüfen.“
Die Abschiebung nach Afghanistan bedeutet Perspektivlosigkeit, täglicher Angst oder gar dem Tod ausgesetzt zu sein. Es ist ein ewiger Teufelskreislauf, den die geflüchteten Menschen aus Afghanistan nicht durchbrechen können. Die Angst vor dem Tod, die sie zur Flucht treibt, führt sie in ein Land, das ihr vermeintliche Sicherheit durch langjährige Kettenduldung verspricht und sie letztend Endes wieder in das Kriegsland abschiebt, in dem sie der Tod erwarten könnte.
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