Friedensnobelpreisträger Obama. By Jakob Reimann, licensed under CC BY-ND 2.0.

Obama und die Welt als Schachbrett

Der Präsident denkt – das Kapital lenkt: Ist das die Bilanz der Präsidentschaft Barack Obamas? Geradezu euphorisch sahen viele Menschen und Medien dem ersten Afroamerikaner im Weißen Haus entgegen. „Yes, we can“ weckte auch in Europa Hoffnungen und wurde durch Obamas Buch „Hoffnung wagen“ bestärkt. Der Politikwissenschaftler Ekkehart Krippendorff schrieb in den Blättern für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 1/2009, Enthusiasmus sei obligatorisch über diesen „ersten politischen Superstar unseres Zeitalters“.
Krippendorff rühmte seine menschliche Wärme, seine Demut und Bescheidenheit und hob besonders zwei Gründe für Hoffnung hervor: Obama schärfe „das Bewusstsein für Ungerechtigkeiten und Chancenungleichheit“ und er besitze die „Fähigkeit zu Empathie, zum Einfühlungsvermögen in den Anderen“.

Heute, zwei Wahlperioden später, können wir sagen: Für eine Prognose der politischen Entwicklung in den USA und in der ganzen Welt wäre die Lektüre eines anderen Artikels in den Blättern wesentlich treffender und aussagekräftiger gewesen. Schon damals, in Ausgabe 7/2008, konnte man nämlich im Beitrag „Die Welt als Schachbrett“ von Hauke Ritz den geradezu furchterregend genauen Masterplan für die derzeitige katastrophale Weltlage nachlesen. Die Strategie für die Geopolitik der Supermacht hatte der außenpolitische Berater mehrerer US-Präsidenten, Zbigniew Brzezinski, entworfen und in zwei Büchern öffentlich gemacht. Schon der Titel des ersten war Programm: „The Grand Chessboard. American Primacy And Its Geostrategic Imperatives“ (deutscher Titel: „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“). Es geht um Vorherrschaft und um die Welt als Schachbrett.

Das Ziel der USA-Politik bedarf nach Brzezinski gar keiner Diskussion, es wird als selbstverständlich vorausgesetzt: Es ist, so fasst Hauke Ritz zusammen, „die unangefochtene Vormachtstellung der USA in Eurasien, um die Welt in eine post-nationalistische Ordnung unter US-amerikanischer Hegemonie zu überführen“. Als notwendig dafür erachte Brzezinski die EU-Erweiterung nach Osten in Verbindung mit der Osterweiterung der NATO, um die ehemaligen Sowjetrepubliken in die westliche Einflusszone zu integrieren. Maßgeblich für die Einverleibung seien die in vielen Ländern bereits erprobten und bewährten Methoden: Öffnung der Länder für ausländisches Kapital, Sicherung der Rohstoffvorkommen für die eigenen Interessen und Einfluss auf die öffentliche Meinung durch die Kontrolle der Medien.
Die Ukraine müsse NATO-Mitglied werden. Russland geriete damit natürlich ins Fadenkreuz der US-Geopolitik – aber Brzezinski gesteht dem Land ohnehin nur noch den Status einer Kolonie zu. Das Ziel, die Herrschaft über Eurasien und die globale Vormachtstellung, würde zwar zwangsläufig weltweit zu einer Zunahme gewalttätiger Konfliktregulierungen führen. Dadurch entstehende Langzeitschäden – Tod und Verwüstung, Elend und Flucht – tat Brzezinski aber mit dem saloppen Hinweis auf „einige aufgebrachte Muslime“ ab. Hier wird nicht nur eine Strategie der Weltbeherrschung entworfen, sondern die Antwort auf die empörte Frage von George W. Bush „Warum hassen sie uns?“ gleich mitgeliefert.

In beängstigender Weise setzte sich der Herrschaftsentwurf Brzezinskis in der Politik der USA mit Unterstützung Deutschlands und der EU durch. Niemand würde noch wagen, angesichts der völkerrechtswidrigen, menschenverachtenden Kriege in Irak, Libyen, Syrien, Afghanistan oder in der Ukraine von Einfühlungsvermögen oder Empathie des Präsidenten oder der Machtelite der USA zu reden. Umso mehr muss eine solche zynische Strategie, die die ganze Welt als Schachbrett betrachtet, auf dem andere Länder die Bauernopfer zu bringen haben, auch innenpolitisch abgesichert werden. So verwundert es nicht, wenn Wissenschaftler der Universität Princeton anhand umfangreicher Analysen zu dem Ergebnis kommen, dass in den USA eine Oligarchie herrsche. Auf Gesetze habe die Meinung „durchschnittlicher“ Bürgerinnen und Bürger nur in drei Prozent der Fälle überhaupt eine Auswirkung, während Reiche und Wirtschaftslobbyisten massiv Einfluss nehmen konnten.

Die Prognosen hinsichtlich der Ziele und Strategien der US-Politik sind – sollte Hillary Clinton auf Obama folgen – weniger euphorisch und hoffnungsfroh. Auch den Friedensnobelpreis würde eine Präsidentin Clinton noch weniger verdienen als ihr Vorgänger. Zu eindeutig war ihre Unterstützung für den Irak- und den Libyenkrieg, zu bekannt ihr Engagement für ein militärisches Eingreifen der USA zum Sturz von Syriens Präsident Baschar al-Assad. Und die Liste der Spender der Clinton-Stiftung umfasst laut der Kritikerin Diana Johnstone Länder wie Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate ebenso wie Konzerne, Banken und Milliardäre mit Medienmacht: Boeing, Dow Chemical Company, Goldman Sachs, Walmart, Bank of America, Chevron, ExxonMobil, Monsanto, Citigroup, den pro-israelischen Oligarchen Viktor Pintschuk, die milliardenschwere Saban-Familie und den Presse-Zar James Murdoch. Ob Hillary Clinton all die großzügigen Spender enttäuschen kann und will?

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus der am Montag erschienenen neuesten Ausgabe von „Das Blättchen – Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft“. Die komplette Ausgabe kann auf der Website www.das-blaettchen.de kostenfrei eingesehen werden.
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Ein Beitrag von Georg Rammer

 

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