Based on Michael Vadon, Wikimedia Commons (Trump) and mehmet canli, Flickr (world map); mashup by Jakob Reimann, Freiheitsliebe, licensed under CC BY-SA 4.0.

Mythos Friedenspräsident

Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl hat in der deutschen Öffentlichkeit überwiegend Erleichterung ausgelöst. Doch es gibt auch Gegenstimmen, nicht nur von Rechtsaußen. Ein Mythos, der gerne von Trump-Fans auf der linken Seite des politischen Spektrums weiterverbreitet wird, lautet: „Er hat zumindest keinen Krieg angefangen.“ Abgesehen davon, dass das eine ziemlich niedrige Anforderung ist, ist das auch nur die halbe Wahrheit. Die Politik Trumps war jederzeit und an allen Stellen ausgerichtet auf den Erhalt und Ausbau der globalen militärischen Überlegenheit der USA, ohne Rücksicht auf Risiken und Nebenwirkungen. Ziehen wir eine realistische Bilanz der letzten vier Jahre US-Außenpolitik, sieht die Sache schon anders aus:

Unter Donald Trump sind die Rüstungsausgaben der USA nach geringen Senkungen unter Obama deutlich angestiegen. Weiter angestiegen ist auch der Druck auf die anderen NATO-Staaten, ihre Rüstungshaushalte signifikant zu erhöhen. Besonders freudig nachgegeben hat diesen Forderungen übrigens die Bundesregierung, die es geschafft hat, Deutschland im Jahr 2019 zum Aufrüstungsweltmeister zu machen.

Im Gegensatz zu seinen Ankündigungen vor der Wahl 2016 hat Trump keinen der US-Kriege beendet, in Syrien sogar das militärische Eingreifen verstärkt. Keinen der großspurig angekündigten Truppenabzüge hat er tatsächlich umgesetzt. Die Drohnenmorde hat er nicht nur fortgesetzt, sondern auch vor der Öffentlichkeit verborgen. Apropos Drohnenmord: Der offene Mord am iranischen General Soleimani auf irakischem Staatsgebiet ist nur deshalb nicht zu einem neuen, verheerenden Krieg eskaliert, weil die iranische Führung sich auf eine minimale militärische Reaktion beschränkte. Aber gegen den Iran wird dennoch ein gnadenloser Krieg geführt: mit dem Mittel der einseitigen Wirtschaftssanktionen, die die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten schwer beeinträchtigen. Das Mittel des Wirtschaftskrieges wird zum Beispiel auch gegen Venezuela angewandt, es wird gezielt eingesetzt, um den erwünschten „Regime Change“ hervorzubringen. Dort trifft es die Ärmsten der Armen besonders hart.

Im April 2017 ließ der „commander in chief“ die MOAB über Afghanistan abwerfen – die „Mother of all Bomb“ ist die stärkste nicht-nukleare Waffe des US-Militärs. Der Abwurf der Bombe verursachte eine unbekannte Zahl von Toten und zerstörte landwirtschaftliche Flächen, noch heute haben die Bewohner:innen der Region mit Gesundheitsschäden zu kämpfen. Nach dem Abwurf der Bombe zeigte sich Trump „very, very proud“ of the military’s „successful job“, also sehr, sehr stolz auf den erfolgreichen Job des Militärs.

Von Abrüstung und Rüstungskontrolle hält Trump nicht viel. In seiner vierjährigen Amtszeit brach oder kündigte er gleich reihenweise internationale Abkommen:

– den INF-Vertrag, der die Stationierung landgestützter nuklearer Mittelstreckensysteme in Europa verbietet

– das JCPoA, das so genannte „Iran-Atomabkommen“, das den Iran erfolgreich daran gehindert hatte, die Entwicklung eigener Atomwaffen voranzutreiben

– den Open-Skies-Vertrag, der als Instrument der Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle gemeinsame Beobachtungsflüge der Teilnehmerstaaten über dem Vertragsgebiet erlaubte

Eine Verlängerung des NEW START-Abkommens mit Russland, wie Wladimir Putin dies vorgeschlagen hat, lehnte die Trump-Administration ab. Wenn dieser Vertrag zur Begrenzung atomarer Langstreckensysteme nicht vorher verlängert wird, läuft er am 5. Februar 2021 aus und auch der Non-Proliferation-Treaty, der Nichtweiterverbreitungsvertrag, wurde in der Trump-Ära zur Disposition gestellt. Entscheidend für die Zukunft dieses wichtigen Vertrags wird sein, ob die Atomwaffenstaaten ernsthafte Anstrengungen erkennen lassen, ihre eigenen Arsenale zu reduzieren und auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten. Ausdrücklich bestätigte das Pentagon in seiner „nuclear posture review“ von 2018, dass es sich den Ersteinsatz von Atomwaffen auch gegen nicht-nukleare Angriffe vorbehält.

Überhaupt zeigte Trump ein angespanntes Verhältnis zu internationalem Recht und internationalen Organisationen. So stieg seine Regierung aus der Finanzierung der UN-Kulturorganisation UNESCO und des Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge UNWRA aus, stoppte die Beitragszahlungen an die Weltgesundheitsorganisation und verhinderte die Ernennung neuer Richter:innen für den Welthandelsgerichtshof der WTO. Er legitimierte die völkerrechtswidrige israelische Besatzung der Golan-Höhen und Ostjerusalems und unterstützte die Pläne der israelischen Rechtsregierung zur Annexion des Jordantals und torpedierte so alle Bemühungen um eine tragfähige Lösung des Palästina-Israel-Konflikts.

Diesem US-Präsidenten ist also auch aus friedenspolitischer Sicht keine Träne nachzuweinen. Das heißt aber nicht, dass eine Regierung Biden friedenspolitisch große Erwartungen wecken kann. Sowohl die Programme zur atomaren Aufrüstung der USA als auch die NATO-Aufrüstungspläne datieren noch aus der Zeit von Trumps Demokratischem Vorgänger Obama. Und es ist nicht davon auszugehen, dass die militärischen Provokationen gegen Russland und China, wie sie etwa die DEFENDER-Großmanöver jährlich wechselnd in Europa und im pazifischen Raum darstellen, unter einer Biden-Administration aufhören werden. Das Weltklimaabkommen und die Weltgesundheitsorganisation allerdings stehen auf Bidens Sofortprogramm für die ersten Tage nach seinem Amtsantritt und vielleicht sind zumindest der NEW START-Vertrag, der Nichtweiterverbreitungsvertrag und der Open-Skies-Vertrag durch einen Regierungswechsel noch zu retten. Aber um eine grundlegende Abkehr von der imperialen Kriegspolitik und der massiven Aufrüstung der NATO muss weiter von unten gekämpft werden, zum Beispiel beim bundesweiten dezentralen Aktionstag der Initiative „Abrüsten statt aufrüsten“ am 5. Dezember.

Abrüstung bleibt Handarbeit!

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