Die COVID-19-Pandemie hat von Januar 2020 bis heute schon mehr als eine halbe Million Menschen das Leben gekostet. Die höchsten Verluste vermelden die USA (130.000), Brasilien (61.000), Großbritannien (44.000), Italien (35.000) und Frankreich (30.000).
Aber während die Infektionskurven in Europa wieder fallen, steigen sie in Afrika, Südostasien, im Nahen Osten und in Amerika weiter an. Wir haben es tatsächlich mit einer Pandemie zu tun: dem weltweiten Ausbruch einer Infektionskrankheit, gegen die es keinen Impfschutz gibt. Und in einer globalisierten Weltwirtschaft heißt global eben auch wirklich global. Die Ausbreitung, die nach China zunächst Industriestaaten mit einem entwickelten Gesundheitssystem und halbwegs funktionsfähigen staatlichen Strukturen traf, erreicht nun die Länder des globalen Südens mit kaum ausgeprägter Staatlichkeit und Gesundheitssystemen, die für die große Mehrheit der Menschen unerreichbar sind. Traf das Virus zunächst die global mobilen, reisenden Eliten, nimmt es jetzt die Armen in den Elendsquartieren ins Visier. Diese Menschen sind noch weit empfänglicher für das Virus, weil ihre Lebensumstände weder Abstand noch Hygiene ermöglichen und weil ihre durch Mangelernährung und Stress geschwächten Immunsysteme nur bedingt abwehrbereit sind. Auch die Maßnahmen zur Eindämmung treffen die ärmsten der Armen mit Wucht. Während sich in Stuttgart, Berlin oder Leipzig darum gestritten wird, ob ein Mund-Nasenschutz in der Straßenbahn ein unvertretbarer Eingriff in die Selbstbestimmung sei, geht es in Kampala, Kapstadt oder Khartoum ums nackte Überleben. Menschen, die zuvor mit ihrer Arbeit im informellen Sektor kaum über die Runden kamen, verloren auch dieses Bisschen Einkommen, Lohnersatzleistungen gibt es nicht. In vielen Ländern greifen Polizei und Armee hart durch, wenn Ausgangsbeschränkungen verletzt werden, aber die Menschen haben keine Wahl.
Weltweit sind es die Armen, die die Krise über die Klippe drängt. Der Direktor des World Food Programme warnte bereits im April vor einer Hunger-Pandemie. Die unterbrochenen Handelswege, die Einschränkung von Arbeitsmöglichkeiten und die Kosten für medizinische Behandlung könnten Hunderte von Millionen in den Ruin treiben und von humanitärer Hilfe abhängig machen.
Wenn es stimmt, dass jede Krise auch eine Chance beinhaltet, dann wurde diese Chance von den Herrschenden rund um den Globus krachend verpasst. Globale Gefahren erfordern internationale Antworten. Stattdessen hieß es fast überall: „Our Country first!“ Der Appell für einen internationalen Waffenstillstand von UN-Generalsekretär António Guterres verhallte ebenso folgenlos wie die frühen Warnungen der WHO vor der sich anbahnenden Pandemie. Die atemlosen Hamster-Orgien der reichsten Industrieländer, die auf dem Weltmarkt die knappen Bestände von Schutzmaterialien leerten und die Preise in astronomische Höhen trieben, machten Masken, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel für ärmere Länder unbezahlbar. Statt einer gemeinsamen Strategie zur Pandemiebekämpfung und entschlossener Unterstützung für die am meisten betroffenen Länder wurden selbst innerhalb der EU die nationalen Grenzen geschlossen und damit sogar Hilfslieferungen medizinischen Materials zeitweise unmöglich gemacht.
Währenddessen gingen Konfrontation und Aufrüstung ungebremst weiter. Im Schatten der Pandemie jubeln die Rüstungskonzerne über volle Aufgabenbücher und zahlen ihren Anleger*innen fürstliche Dividenden aus.
Die Regierungen Russlands und der USA können sich selbst unter diesen Bedingungen nicht auf ein einfaches „Ja“ zur Verlängerung des Vertrags zur Begrenzung der strategischen Atomwaffen (START) einigen. Im Weißen Haus wird China-Bashing betrieben und der eigenen Bevölkerung empfohlen, gegen das Coronavirus mit Domestos zu gurgeln und Trump sichert sich exklusiv die Rechte an einem vermutlich wirksamen Medikament. Die EU kauft schon vorab 300 Millionen Impfdosen, natürlich für die eigene Bevölkerung und nicht etwa für die in den ärmsten Ländern, wo eine Impfung die einzige Schutzmöglichkeit gegen eine Infektion wäre. Und die Bundesregierung treibt die Beschaffung von Atombombern und bewaffneten Drohnen voran und spendiert der Bundeswehr noch weitere 500 Millionen aus dem Konjunkturpaket für ein völlig überflüssiges weiteres Cyber-Zentrum. Die Chance, durch internationale Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch die eigene Bevölkerung besser zu schützen und nachhaltig zu Kooperation und friedlicher Konfliktlösung zu kommen, wurde nicht nur nicht genutzt, sondern beiseitegeschoben.
Dafür gibt es eine glatte Sechs. Eine Wiederholung erscheint unumgänglich.
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