Linke Alternativen statt Lagerwahlkampf

Weil plötzlich eine grüne Kanzlerschaft möglich erscheint, werden die Rufe nach einem linken Lagerwahlkampf lauter. Doch die Bedingungen dafür sind ungünstig, und für DIE LINKE ist der Weg sogar gefährlich, argumentiert Bernd Riexinger in seiner neuen Kolumne.

Derzeit scheinen die Grünen in alle Richtungen offen zu sein. Wie die SPD traditionell vor Wahlen entdecken nun auch die Grünen ihr linkes Herz. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich ihr Programm als intelligenter Zukunftsentwurf zur Modernisierung des Kapitalismus in Deutschland. Das macht die Grünen deshalb schon seit Längerem für die „modernen“ und exportorientierten Teile des Kapitals interessant. Wohlweislich werden die Verteilungsfragen und Auseinandersetzungen in diesem Entwurf weitgehend ausgeklammert; und auch programmatisch wird so getan, als gäbe es ein klimafreundliches und wohlstandsförderndes Modell, das ohne Großkonflikte mit Konzernen und Kapitalverbänden umgesetzt werden kann.

In ihrem Programmentwurf fordern die Grünen ein Investitionsprogramm von 50 Milliarden Euro jährlich, finanziert durch eine Erhöhung bei der Einkommensteuer besserverdienender Schichten und einer mehr als bescheidenen Vermögenssteuer von einem Prozent. Selbst für eine „grüne Modernisierung“ der Gesellschaft ist das zu wenig. Allein der Investitionsstau in Schulen, Krankenhäusern und öffentlicher Infrastruktur überschreitet diese Summe bei weitem. Dazu kommen noch die gewaltigen Investitionen in den sozialökologischen Umbau.

Die Auseinandersetzung, wer die Kosten der Coronakrise bezahlt, wird unmittelbar nach der Bundestagswahl losgehen. Schon heute scharren die Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsinstitute mit den Hufen für eine weitere Runde neoliberaler Reformen inklusive weiterer Flexibilisierung der Arbeitswelt und Erhöhungen des Renteneintrittsalters auf 70.

Die Gefahr der CDU-Mühle

Vor dem Hintergrund der Coronakrise ist der Spielraum finanziell beschränkt, wenn auf eine Vermögensabgabe und in Folge auf eine Vermögenssteuer verzichtet wird. Nicht ohne Grund verlieren die Grünen zur Schuldenbremse nicht viele Worte. Mit der Union als Koalitionspartner wird ihr Programm kaum umsetzbar sein. Die Union hat große Erfahrung darin, ihre Koalitionspartner kleinzumahlen, so wie sie es mit der SPD in den letzten 16 Jahren gemacht hat. Wollen die Grünen nur einige ihrer – ohnehin wenig ambitionierten – ökologischen Reformvorschläge umsetzen, haben sie mit starkem Gegenwind der CDU zu rechnen. Es besteht die Gefahr, dass das Ringen um ökologische Reformen auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit gehen wird. Der Klimaschutz würde dann durch Abgaben und erhöhte Steuern von der Allgemeinheit statt von den Reichen und Konzernen getragen werden.

Fehlender Wille zum Politikwechsel

Derzeit wollen SPD und Grüne kein gemeinsames linkes oder auch sozialökologisches Projekt und sind auch nicht bereit, dafür Absprachen zu treffen oder dafür zu werben. Besonders gilt das für die Grünen, die damit nicht einmal in Verbindung gebracht werden wollen. Sie wollen sich bewusst alle Optionen offenhalten: Schwarz-Grün, Ampel mit SPD und FDP und, wenn es nicht anders geht, auch Grün-Rot-Rot. Dabei sind sie auch programmatisch flexibel, fahren damit jedoch gut und gewinnen Wählerstimmen von der CDU und der SPD. Einem politischen Projekt mit der LINKEN für einen Politikwechsel, das gesellschaftlich verankert werden soll, wird von der jetzigen Führung eine klare Absage erteilt.

Progressiver Lagerwahlkampf?

Deshalb ist DIE LINKE schlecht beraten, ihr politisches Schicksal an einen Lagerwahlkampf zu knüpfen. Sie kann nicht für ein Lager werben, das es nicht gibt, und darf ihre politische Funktion nicht völlig, ja nicht einmal in erster Linie, von der Regierungsfrage abhängig machen. Sie muss eine eigenständige Begründung liefern, warum es wichtig ist, bei der Bundestagswahl eine Partei deutlich links von SPD und Grünen zu wählen. Deshalb geht es darum, die eigenen Inhalte und Positionen stark zu machen. Deutlich machen, dass es ohne eine starke LINKE weder nennenswerte Fortschritte bei der sozialen Gerechtigkeit noch beim dringend notwendigen sozialökologischen Systemwechsel geben wird. DIE LINKE sollte ihre Rolle als unbestechliche Friedenspartei verdeutlichen, die zudem keine Ruhe gibt im Kampf gegen rechts, gegen Ausgrenzung und Rassismus.

DIE LINKE hat auf ihrem Parteitag beschlossen, dass sie die CDU-geführte Regierung durch eine linke Mehrheit ablösen will. Damit werden jedoch klare inhaltliche Ziele verknüpft. Neben sozialen Kernforderungen wie Löhnen, die zum Leben reichen, armutsfesten Renten, einer solidarischen Gesundheitsversicherung, einem ambitionierten Investitionsprogramm und einem Steuerkonzept, das Reiche und Höchstverdienende stärker belastet, das Gros der Beschäftigten jedoch entlastet, wird Klimaschutz und der notwendige sozialökologische Umbau stärker in den Fokus linker Politik geschoben. Die Positionen zur Friedenspolitik, gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und für massive Abrüstung wurden bestätigt.

Damit macht DIE LINKE klar, dass es für sie nicht nur um Spiegelstriche in Koalitionsverträgen, sondern um einen grundlegenden Politikwechsel geht: um konkrete Verbesserungen für die Mehrheit der Bevölkerung und gleichzeitig um konkrete Einstiege in den sozialökologischen Systemwechsel. DIE LINKE unterbreitet ein konkretes Angebot sowohl an Gewerkschaften, Akteure sozialer und ökologischer Bewegungen, wie auch an SPD und Grüne. Sie verdeutlicht jedoch auch, dass sie sich nicht als Regierungspartei im Wartestand begreift, sondern als Motor und treibende Kraft für die Verschiebung der Kräfteverhältnisse nach links.

Bernd Riexinger ist Bundestagsabgeordneter der Fraktion DIE LINKE.

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