Entlastungspaket 3 unzureichend und sozial ungerecht – Proteste dringend notwendig

Zuerst so viel vorneweg. Das Entlastungspaket der Bundesregierung kann nicht vollständig bewertet werden, weil noch vieles unbestimmt bleibt, wie die Regulierung der Energiepreise oder die Frage der Abschöpfung der Übergewinne, ohne eine Übergewinnsteuer zu erheben. Auch ist nicht alles falsch,  was die Regierung auf den Weg bringt, wie die Erweiterung des Wohngeldbezuges  oder die Auszahlung von Energiegeld auch an Rentnerinnen, Rentnern und Studierenden. Letzteres ist jedoch lediglich die Korrektur einer völligen Fehlentscheidung bei vorigen Entlastungspaketen.

Die Kosten des Entlastungspaketes 3 werden mit 65 Milliarden Euro beziffert und es wird von der Bundesregierung als wuchtig bezeichnet. Soviel kann jedoch jetzt schon gesagt werden: Es entlastet Menschen mit höherem Einkommen deutlich mehr als Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Auch für Erwerbslose und Rentnerinnen werden die Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen um die gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen. Die soziale Schieflage wird größer und mehr und mehr Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt. Für Menschen in der Grundsicherung wird Hartz IV abgeschafft und in ein Bürgergeld umgewandelt und von 449,– auf 502,– Euro beim Regelsatz erhöht. Die Sanktionen sollen für 6 Monate fallen. Die Beschwerden von verschiedenen Handwerks- und Unternehmerverbänden, damit würden die Leistungen zu nah an die Lohnuntergrenzen kommen und es sich nicht mehr lohnen arbeiten gehen, können ruhig als schlechtes Märchen bezeichnet werden. Sie demonstrieren nur, dass sie ihr Geschäftsmodell weiter mit Billiglöhnen betreiben wollen.

Unterschlagen wird, dass die Erhöhung der Regelsätze um 53,– Euro, erst ab 2023, gerade mal die hohe Inflationsrate ausgleicht. Sie bleibt weit hinter dem von Sozialverbänden definierten armutsfesten Regelssatz von 678,– zurück. Auch das Bürgergeld bleibt Armut per Gesetz und wir werden weiterhin für armutsfeste Leistungen und für die vollständige Streichung der Sanktionen streiten müssen.

Lindners Anpassung des Einkommenstarifes begünstigt hohe Einkommen

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (WSI) hat für die ZEIT die Entlastung für die verschiedenen Einkommensgruppen berechnet und den gestiegenen Energiepreisen gegenübergestellt. Demnach erhalten Geringverdiener (Single 23.285,– brutto, Familien 45869,–) eine Entlastung beim Paket 3 von 266,– Euro, Familien von 888,– Euro, Normalverdiener 385,– (S) und Familien 1165,– Euro. Spitzenverdiener (S 194.350 Euro) und Familien 404926 Euro) erhalten jedoch eine Entlastung von 1016 Euro (S) und Familien 2386 Euro. Das ist rund das 3 Fache als bei den Niedriglohnbezieherinnen. Niedrig- und Normalverdiener können die gestiegenen Kosten bei einer Verdoppelung der Gaspreise nicht ausgleichen. Bei einer eher eintretenden Verdreifachung der Gaspreise betragen die Differenzen schnell zwischen 600 und 1300 Euro, selbst wenn noch die Entlastungen aus den Entlastungspaketen eins und zwei dazugerechnet werden. Das wird viele Menschen in existenzielle Krisen treiben. 30 Prozent der Bevölkerung verfügen über keinerlei Rücklagen. Viele sind schon verzweifelt über die Preisankündigungen der Energielieferanten.

Selbst die Bundestagspräsidentin und Sozialdemokratin, Bärbel Bas, kritisiert die soziale Schieflage: „Ich hätte mir mehr Differenzierung gewünscht, um gezielt den Schwächsten zu helfen“ sagte sie der Bild am Sonntag. In der Tat, diejenigen, die die Entlastungen am nötigsten brauchen erhalten am Wenigsten, während diejenigen, die gar keine staatliche Hilfe benötigen würden,  am meisten bekommen. Das ist astreine FDP-Politik, die ihr Klientel bedient. Außerdem ist Lindners Abbau der kalten Progression mit ca. 18 Mrd. der teuerste Teil des Entlastungspaketes. Leider schauen SPD und Grüne dabei zu ohne einzugreifen.

Natürlich wäre es weitaus gerechter gezielt die Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zu entlasten, wie es DIE LINKE fordert. Unsere Pläne sehen ein monatliches Energiegeld von 125,– Euro pro Haushalt und für jedes weitere Haushaltsmitglied 50,– Euro vor. Das würde für alle die gestiegenen Energiekosten ausgleichen, die es wirklich benötigen. Zu erwähnen ist noch, dass die soziale Schieflage durch die Erhöhung des Kindergeldes um 18,– Euro oder der Senkung der Umsatzsteuer für Gas auf 7 Prozent nicht wirklich beseitigt. Steuerermäßigungen, auch bei den Verbrauchssteuern, kommen immer denjenigen am meisten zu Gute, die über hohe Einkommen verfügen und damit in der Regel auch deutlich mehr verbrauchen. Das ist schon aus ökologischen Gründen zu kritisieren.

Gaspreisumlage bleibt

Die per Se unsoziale Gaspreisumlage soll weiter erhoben werden. Die öffentlich kritisierten handwerklichen Fehler, die Robert Habeck zu verantworten hat, treffen nur einen Teil der unsozialen Maßnahme. Habeck  will nach massiver öffentlicher Kritik korrigieren, dass auch Konzerne die Umlage erhalten, die Gewinne machen, also darin einen willkommenen Mitnahmeeffekt sehen. Dass das Habeck zuerst nicht aufgefallen ist oder für ihn kein Problem darstellte zeigt, wie kapitalfreundlich seine Wirtschaftspolitik ist. Er erklärt dann gerne mit 25 philosophischen Windungen, dass die Gaspreisumlage unvermeidlich und gerecht ist. Was soll daran gerecht sein, für die Rettung von einigen Energiekonzernen alle Gaspreiskunden mit weiteren 100,– -500,– Euro zu belasten, anstatt die nötigen Gelder aus dem Haushalt zu finanzieren und als Gegenfinanzierung eine Übergewinnsteuer zu erheben, wie das Italien, Spanien und andere Länder längst praktizieren? So ist die Gaspreisumlage nichts anderes als die bekannte Sozialisierung der Verluste zu Lasten eines Großteils der Bevölkerung. Sie muss deshalb massiv bekämpft werden.

Statt die Übergewinnsteuer zügig einzuführen sollen jetzt Zufallsgewinne von Stromproduzenten  zumindest teilweise abgeschöpft werden. Bevor dies gemacht wird, soll zuerst auf die EU gewartet werden. Wie diese Abschöpfung konkret aussehen soll ist bisher nicht durchgedrungen. Es ist schon erstaunlich mit welcher Wortakrobatik hier verschleiert wird, dass eine einfache und längst praktizierte Übergewinnsteuer, bei der z.B. wie in Spanien Übergewinne um ca. 90 Prozent abgeschöpft werden, mit dieser Bundesregierung nicht zu machen ist. Immerhin hat der öffentliche Druck dazu geführt, dass doch irgendwie Gewinne abgeschöpft werden sollen. Nach verschiedenen Berechnungen würde eine Übergewinnsteuer zwischen 30 und 100 Mrd. zusätzliche Einnahmen generieren. Mit einer wirkungsvollen Umverteilung von Oben nach Unten ließen sich Entlastungspakete, die diesen Namen verdienen ohne weiteres finanzieren.

Entlastung bei den Strompreisen

Die an sich richtige Maßnahme, die Bürgerinnen und Bürger – und ebenso kleine mittelständische Familien – mit einem Vorsorgetarif spürbar zu entlasten wurde in eine Expertenkommission verwiesen. Das verheißt nicht unbedingt etwas Gutes, eher, dass es auf die lange Bank verschoben wird. Die Linke fordert ein Grundkontingent für den durchschnittlichen Energieverbrauch zu einem günstigen Tarif einzurichten, so dass der notwendige Verbrauch für alle bezahlbar wird. Verbrauchen Menschen mehr Energie, z.B. weil sie eine große Villa besitzen sollen sie dafür mehr bezahlen. Das hat eine soziale und ökologische Steuerungswirkung. Ein ähnliches Modell hat auch der DGB vorgelegt. Der Grundgedanke kann auch auf den gesamten Energieverbrauch angewendet werden, nicht nur auf den Strompreis. Wir fordern darüber hinaus die Preise für Gas und Strom zu deckeln. Energieversorgung gehört grundsätzlich in öffentliche Hand. Deshalb wollen wir die Energiekonzerne vergesellschaften. Die Versorgung mit Energie muss ein grundlegender Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge werden.

9-Euro-Ticket

Für das 9-Euro-Ticket soll eine Nachfolgeregelung zwischen 49,– und 69,– Euro getroffen werden. Das ist ein besonders ärgerlicher Akt. Die Linke hat bereits vor der Sommerpause sowohl im Verkehrsausschuss als auch im Bundestag die Verlängerung des 9-Euro-Tickets bis 31.12. d.J. beantragt, um in Ruhe über eine Fortsetzungsregelung beraten zu können. Vorgeschlagen haben wir dafür ein 1-Euro-Ticket am Tag, oder 30-Euro-Ticket im Monat oder 365-Euro-Ticket im Jahr und gleichzeitig einen Einstieg in den ticketfreien ÖPNV für Schüler, Studenten und Erwerbslose. Alle unsere Anträge wurden arrogant und ohne größere Debatte von allen anderen Parteien abgelehnt, auch von SPD und Grünen. Nachdem das 9-Euro-Ticket ein so nicht erwarteter Erfolg wurde – 52 Millionen verkaufte Ticket, 10 Prozent ließen das Auto stehen, 1,8 Millionen Tonnen CO2 Emissionen wurden eingespart – sprangen Grüne und SPD auf den fahrenden Zug auf. Die Grünen erhoben, medial lautstark die Forderungen, die sie vorher im Parlament abgelehnt haben, nämlich unsere. Das ist nichts Neues. Die Grünen sind Meister der öffentlichen Inszenierung. Sie stellen unsere Forderungen, als seien sie in der Opposition. Dabei sind sie an der Regierung und hätten die Möglichkeit gehabt ihre Koalitionspartner von unseren oder von mir aus auch von ihren Vorschlägen zu überzeugen. Das haben sie nicht getan. Ihre durchschaubare Inszenierung dürfen wir nicht durchgehen lassen. Die jetzt anvisierte Lösung von 49,– bis 69,– Euro ist zu weit weg vom 9-Euro-Ticket und es droht eine große Chance vergeigt zu werden. Dabei wird es ohne wirkliche Mobilitätswende unmöglich sein die Klimaziele zu erreichen. Der Ausbau des ÖPNV, wie der B ahn und billige Tickets bis hin zum Nulltarif sind ein wesentlicher Schlüssel dazu. Verschiedene Basisgruppen haben lokale Initiativen für unsere Konzepte losgetreten. Die Zustimmung in der Bevölkerung dafür ist groß.

Einmalzahlungen statt Tabellenerhöhung

Im Rahmen der konzertierten Aktion will die Bundesregierung forcieren, dass in den anstehenden Tarifrunden Einmalzahlungen zu Lasten tabellenwirksamer Lohnerhöhungen vereinbart werden. Gelockt wird mit einer steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung von bis zu 3000 Euro. Die Absicht ist klar. Mit Hilfe der Regierung sollen die Unternehmen vor allzu hohen Tariferhöhungen bewahrt werden. Dafür sollen Einmalzahlungen vereinbart werden, die eben steuer- und abgabenfrei sind. Einmal davon abgesehen, dass das alles zu Lasten der Sozialversicherungen geht, würden damit die Löhne gesenkt. Nur tabellenwirksame Lohnerhöhungen sorgen dafür, dass künftige Lohnerhöhungen kumuliert wirken.  Ohnehin befinden sich die Reallöhne derzeit im Sinkflug. Die Gewerkschaften haben bisher zurückgewiesen, Einmalzahlungen zu Lasten von Tariferhöhungen zu vereinbaren. Wenn es dabei bleibt, werden sie Tariferhöhungen, die auch nur die Inflation ausgleichen nicht kampflos bekommen. Kommt es zu Streiks in der Metallindustrie und Anfang nächsten Jahres im öffentlichen Dienst wird die Linke an der Seite der kämpfenden Kollegeninnen und Kollegen stehen.

Begonnene Proteste fortsetzen

Nach dem erfolgreichen Auftakt in Leipzig haben unsere Basisgruppen bundesweit in über 200 Städten und Kommunen Aktionen organisiert. Damit hat die Linke einen Stein ins Wasser geworfen und wir hoffen, dass er Wellen schlägt. Es ist völlig klar, dass wir erst am Anfang sind und die Proteste noch keine große Massenbasis haben können. Dabei kommt es nicht unwesentlich auch auf die Gewerkschaften an, die bisher noch sehr zögerlich sind. Auch bei den Sozialprotesten in den Jahren 2003 und 2004 waren es anfangs wenige. Dann gingen am 1.11.2003 auf einer bundesweiten Demonstration, die ausschließlich ein Bündnis von Unten organisierte, 100 000 auf die Straße. Die Gewerkschaften sprangen auf und organisierten ein Jahr später Proteste in drei Städten, auf den sich über 500 000 Menschen beteiligten. Eine ähnliche Dynamik kann auch jetzt zustande kommen. Die Linke kann wichtiger Motor dafür sein, örtliche Bündnisse schließen, sichtbar auf der Straße sein und die nötige Geduld und Ausdauer aufbringen, um Druck auf die Bundesregierung zu entfalten.

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2 Antworten

  1. Ich habe mir vorgenommen, nur an Demos teilzunehmen, die gute Beziehungen mit Russland und eine Öffnung von Nordstream 2 fordern. Für Subventionen oder Umverteilung von zu wenig vorhandener Energie zu demonstrieren, macht keinen Sinn. Subventionen müssen letztendlich von den Bürgern finanziert werden, das ist Blendwerk. Ohne günstige Energie für die Wirtschaft explodieren die Arbeitslosenzahlen und Löhne müssen sinken um die Gesamt-Produktionskosten zu senken. Dann werden fast alle arm und viele werden wie in den USA an den Folgen jung sterben.
    Ich werde meine Kraft nicht dafür verwenden, eine korrupte, US-unterwürfige Linkspartei zu unterstützen. Ich werde denjenigen helfen, die den unteren 60% der Bevölkerung helfen. Ich werde JEDEN unterstützen, der das tut.

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