Kettenduldung – Zerstörte Leben durch deutsche Gesetze

Mohammed ist Mitte 30 und ein junger Mann aus Essen. So zumindest sieht er es, denn die Behörden, die wollen ihn nicht in Deutschland, nicht in Essen oder sonst wo – zumindest nicht dauerhaft. Deswegen lebt er seit seiner Geburt in Kettenduldung. Kettenduldung, das ist der elendige Zustand, den die deutschen Gesetze ermöglichen, wenn sie das Aufenthaltsrecht eines Menschen immer nur auf einen kurzen Zeitraum befristen und ihm als Konsequenz damit jegliche Perspektive in diesem Land verwehren.

Mohammed träumt von einem Leben wie die meisten Menschen: eine gute Arbeit, die ihm, seiner Frau und den Kindern ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Doch er durfte noch nie arbeiten, denn der Duldungsstatus verwehrt es den Geduldeten zu arbeiten. Der Duldungsstatus, einst geschaffen als Übergangsstatus, ist in Essen für Tausende zum Alltag geworden und er dominiert ihr Leben in Gänze. Denn von den Essener Behörden wird Mohammed nicht als Essener gesehen und erst recht nicht als Deutscher. Er ist in ihren Augen Libanese und dorthin wollen sie ihn auch wieder abschieben. Doch das geht nicht, denn er hat keinen libanesischen Pass, genauso wenig wie er irgendeinen anderen Pass besitzt. Er besitzt nur seine Duldungsdokumente. Was er im Libanon soll, weiß er dagegen selbst nicht, denn das Land hat er noch nie gesehen, ebenso wenig wie seine Kinder und seine Frau, die auch in Essen geborden wurden und fließend Deutsch sprechen und schreiben und  das besser als Arabisch. Doch für die Behörden ist das irrelevant. Sie wollen ihn los werden – seit Jahrzehnten. Bis es soweit ist, wird ihm sein Leben schwer gemacht; willkürlich, so sieht er und auch fast alle anderen es, die sich in Kettenduldung befinden. Denn nicht nur der Zugang zum Arbeitsmarkt ist eingeschränkt, auch die Möglichkeiten zu studieren oder zu reisen. Nicht nur weil er kein Geld hat, sondern auch, weil er als Geduldeter das Land nicht verlassen darf. Die Konsequenzen daraus spürt sein kleiner Bruder, der in der Ruhrgebietsmetropole sein Abi machte, als einer der Besten seiner Stufe und trotzdem seinen Lebenstraum nicht erfüllen kann – in Großbritannien zu studieren.

Warum Essen, im Gegensatz zu den meisten anderen Städten, diese harte Linie gegenüber libanesischstämmigen Menschen verfolgt, erläutern die Offiziellen nicht. Stattdessen wird sich auf den Duldungstatus und das Fehlen eines Passes als Erklärung zurückgezogen und lieber von kriminellen Familien gesprochen, als davon, welche Folgen Ausgrenzung und Entrechtung haben können. Mohammed weiß das, er kennt das Image das, „den Libanesen“ angehefet wird, doch er ist sich sicher, dass auch diejenigen, die heute kriminell sind, lieber ein Leben hätten wie alle anderen. Ein Leben, in dem nicht am Ende eines Wegs voller Ausgrenzung und Entrechtung Kriminalität als einzige Lösung erscheint, sondern die Menschen von Geburt an die gleichen Rechte haben. Ein Leben, in dem sich Kinder nach der Schule fragen, was sie studieren oder arbeiten wollen und nicht wann sie das nächste mal ihre Duldung verlängern müssen oder ob ihnen sogar die Abschiebung droht, in ein Land, das sie nur aus dem Fernsehen kennen. Doch bis dahin scheint es noch ein langer Weg und so hofft er, dass seine Kinder nicht dasselbe durchmachen müssen wie er und sie eine Chance erhalten, zumindest auf einen unbefristeten Aufenthalt oder gar einen deutschen Pass, damit sie selbst ihren Weg gehen können, ohne Angst vor Abschiebung, Armut und Ausgrenzung.

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