By Asa Winstanley, Wikimedia Commons, licensed under CC BY-SA 2.0 (cropped).

Israel: Rechtsradikale Kahanisten auf dem Vormarsch

Am 1. November finden in Israel die nächsten Parlamentswahlen statt, nachdem wieder einmal eine Regierungskoalition vorzeitig die Mehrheit verlor. Bei den kommenden Wahlen könnte eine Partei drittstärkste Kraft werden, deren Vorgängerpartei und ihre Organisationen selbst in den USA und Israel verboten waren, weil sie zu rassistisch und gewalttätig sind.

Die Rede ist von der kahanistischen Partei Otzma Jehudit, die im Bündnis mit der ebenfalls rechtsradikalen „Religiösen Zionistischen Partei“ antritt. Bei den kommenden Wahlen könnte diese Liste nun auf bis zu 14 der 120 Sitze im Knesset kommen und wäre damit die drittstärkste Kraft im israelischen Parlament.

Kahanismus – Eine Ideologie der Gewalt

In Israel gibt es viele Parteien, welche Angriffe und Bombardierungen der Menschen in Gaza befürworten und dabei getötete palästinensische Zivilisten in Kauf nehmen, aber keine einzige Partei steht ideologisch so sehr für Gewalt und Rassismus wie Otzma Yehudit, die sich auf Kahane beruft. Der Kahanismus ist eine Ideologie, die sich auf Meir Kahane bezieht, den Gründer der Kach-Partei, die bis 1988 in Israel erlaubt war und dann vom Obersten Gerichtshof verboten wurde, weil sie offen rassistisch war und zu Gewalt aufrief, auch gegen israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, vor allem palästinensischer Abstammung, aber auch Linke.

Der Kach-Partei wurde die Teilnahme an Wahlen 1988 untersagt, da sie unter anderem forderte: „Zwangsdeportation aller Nichtjuden, die sich weigerten, den (zweitklassigen) Status eines „ausländischen Bewohners“ anzunehmen; Verbot für alle Nichtjuden, in der Region von Jerusalem zu wohnen; Verurteilung zu fünfzig Jahren Gefängnis für jeden Nichtjuden, der sexuelle Beziehungen zu einer Jüdin hatte; die Einrichtung von „getrennten Stränden“ für Juden und Nichtjuden.“

Kahanismus und Gewalt

Den Kahanisten schwebte allerdings nicht nur eine getrennte Gesellschaft und eine Entrechung aller Palästinenserinnen und Palästinenser vor, sie wollten auch die Abschaffung der israelischen Demokratie und die Ersetzung durch einen jüdischen Gottesstaat. Den wichtigsten Schritt im Erreichen dieses Ziels sahen sie aber in der Vertreibung aller Palästinenserinnen und Palästinenser, dafür griffen sie auch wiederholt nach Gewalt.

Ein Anhänger der Kach-Partei 2015 in Israel – Foto: Activestills

Am 25. Februar 1994 führte Baruch Goldstein, dritter der Liste der Kach-Partei bei den letzten israelischen Parlamentswahlen an denen diese teilnehmen konnte, ein Attentat am Grab des Patriarchen in Hebron durch, bei dem 29 Palästinenser ermordet und 150 verletzt wurden. Infolge des Attentats wurde die Kach-Partei und deren nach dem Tod von Kahane entstandenen Abspaltung, Kahane-Chai, verboten, in den USA und der EU sind beide Organisationen auf der Terrorliste. Das änderte jedoch kaum etwas an der weiteren Organisierung von Kahanisten in Vereinen, die vor allem in Siedlungen in und um Hebron stark sind. Diese Organisierung und Verbreitung der Ideen Kahanes führten zu vielen weiteren terroristischen Angriffen auf Palästinenserinnen und Palästinenser. So ermordete Eden Natan-Zada in Scheferam in einem Bus vier israelische Palästinenser und verletzte 29.

Situation heute: offen kahanistisch und beliebt

2021 gelang es mit Itamar Ben-Gvir erstmals seit 1984 wieder der Einzug eines Kahanisten in das israelische Parlament. Ben-Gvir zog auf der Liste der Religiösen Zionisten ins Parlament ein, wobei sie von Netanyahu massiv unterstützt wurden, was zu Protesten von ansonsten sehr pro-israelischen Organisationen führte. Ben-Gvir, der in seinem Leben mehr als 50 Mal angeklagt wurde (vor allem wegen Rassismus und Aufrufen zu Gewalt), hat in seinem Wohnzimmer immer sehr deutlich gemacht, wofür er steht, denn dort stand prominent ein Bild von Baruch Goldstein – dem 29-fachen Mörder von Hebron. Das Bild, welches er inzwischen abnahm, und seine Sympathien für Gewalt, äußerten sich auch in der Verteidigung verschiedenster rechtsradikaler Israelis, die wegen antipalästinensischer Gewalt angeklagt waren.

Das Programm von Ben-Gvir und seiner Partei ähnelt stark dem seiner ideologischen Vorgänger, sie fordern ethnische Separierung und offene Diskriminierung, wie das Verbot bestimmter Stellen für israelische Palästinenser sowie die Umsiedlung aller illoyalen israelischen Staatsbürger (gemeint sind israelische Palästinenserinnen und Palästinenser, die sich nicht zum Zionismus bekennen).

Teil einer Netanyahu-Regierung

Der Aufstieg der Kahanisten wäre allerdings nicht möglich gewesen ohne den mächtigsten Politiker Israels, Benjamin Netanjahu, wie Ran Yasef Cohen zum ersten Bündnis unter Beteiligung von Otzma Jehudit schrieb: „Premierminister Netanjahu änderte seine Haltung gegenüber den Vertretern der Bewegung drastisch und trat öffentlich für einen Zusammenschluss der kahanistischen Partei Otzma Jehudit (Jüdische Stärke) mit anderen extremen rechten Parteien wie der Nationalen Union und HaBajit HaJehudi (Jüdisches Heim) ein.“ Doch nicht nur seine offene Unterstützung für ein Bündnis der gewalttätigen rechtsradikalen Parteien ermöglichte deren Aufstieg, es war auch die Unterstützung ihrer Agenda, wie Breaking the Silence ausführt: „Die politische Legitimität der Kahanisten begann, lange bevor Netanjahu sich Rechtsextremen zuwandte. Sie begann, als eine Regierung nach der anderen den Forderungen von Kahanisten in Hebron und in den palästinensischen Gebieten schweigend oder mit Sympathie nachgab“.

Die Folge dieser Politik, die die radikale israelische Rechte immer stärker gemacht hat, ist der Einzug in die nächste israelische Regierung, wenn der Netanjahu-Block die Mehrheit gewinnen sollte. In einer solchen Regierung wäre der Rechtspopulist Netanjahu, der den Siedlungsbau befürwortet und Friedensverhandlungen ablehnt, sogar noch die gemäßigste Kraft, denn alle anderen Parteien des Blocks stehen noch weiter rechts und sind noch offener für massive militärische Angriffe auf Gaza, noch feindlicher gegenüber den Minderheiten in Israel und noch ablehnender gegenüber der Idee eines unabhängigen palästinensischen Staates.

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