Grenzenloser Gewalt müssen wir grenzenlose Solidarität entgegensetzen – Im Gespräch mit Lea

Immer wieder steht die EU, ihre Mitgliedsstaaten und Frontex in der Kritik für den Umgang mit Geflüchteten. Manchmal kommt es daraufhin zu Entlassung von einzelnen Verantwortlichen.  Wir haben mit Lea vom Kollektiv  mEUterei gesprochen, die grade das Buch „Grenzenlose Gewalt“ rausgebracht haben, in dem sie darlegen, warum es nicht bloß Einzelne sind, die sich falsch verhalten, sondern ein System dahinter steckt.

Die Freiheitsliebe: Vor kurzem kam raus, dass die griechische Grenzschutzpolizei sich an über 1000 Fällen an Pushbacks beteiligt hat, sich an Morden beteiligt und Menschen in Handschellen ins Meer geworfen hat. Sind das Ausnahmen?

Lea: Nein das hat Struktur, dass ist auch  der Grund warum wir das Buch geschrieben haben. Es wird immer von Einzelfällen geredet ala da sind 500 Menschen im Mittelmeer ertrunken, da sind Menschen in Ceuta und Melilla erschossen worden, Lesbos brennt. Medial und gesellschaftlich wird es als Einzelfälle dargestellt, bei denen es einen kurzen Aufschrei gibt. Wir wollen mit unserem Buch zeigen, dass die europäische Grenzpolitik Systematik und dass es nicht nur einige Einzelfälle sind, bei den einigen Polizist*innen falsch handeln.

Die Freiheitsliebe: Du sagst, dass das ganze Systematik hat in der EU, wie passt das zum Friedensnobelpreis, den die EU für Menschenrechte erhalten hat?

Lea: Wen man sich anschaut von wem die Menschenrechte geschrieben wurden und für wen, muss man sagen, dass sie von weißen Menschen für weiße Menschen gemacht wurden und da muss man sagen leben die Menschen in der EU im globalen Verhältnis eigentlich ganz gut. Die Menschenrechte gelten aber meist nicht für nicht-weiße Menschen. Das hängt auch damit zusammen, dass die UN immer noch an neokolonialen Projekten der EU beteiligt ist.

Leider muss man sagen, dass die Menschenrechte heute nicht für alle Menschen gelten, obwohl sie das natürlich sollten. Die Menschen, die den Friedensnobelpreis vergeben, haben wahrscheinlich auch vor allem die Menschenrechte von weißen Menschen im globalen Norden im Blick gehabt und nicht die Menschen im globalen Süden, die bis heute ausgebeutet werden.

Die Freiheitsliebe: Wenn man das im Kontext von Flucht betrachtet, wurde das im vergangenen Jahr sehr deutlich: Vor einem Jahr sind Menschen aus Syrien an der polnisch-belarussischen Grenze erfroren und verhungert, weil Polen sich weigerte die Grenze aufzumachen. Wenig später öffnete Polen die Grenze, als Menschen aus der Ukraine flohen. Wie versuchen die EU-Staaten diese Doppelmoral zu erklären oder versuchen sie es gar nicht erst?

Lea: Nein. Ich weiß nicht, ob es Erklärungsversuche gibt, die ich nicht kenne. Aber man sieht ja das selbst bei Menschen aus der Ukraine Unterschiede gemacht wurden, also das sogenannte Drittstaatangehörige, vor allem Schwarze Menschen aus der Ukraine wurden von Riot Cops aus Zügen gezogen während weiße Ukrainerinnen und Ukrainer weiterfahren durften. Also selbst, wenn man das Erklären wollen würde, dann würde sehr deutlich, dass die Hautfarbe eine Rolle gespielt hat. People of Color und Schwarze Menschen wurden auch in der EU schon anders behandelt.

Ich finde es super, wie die EU mit weißen Menschen aus der Ukraine umgegangen ist, allerdings sollte das für alle Menschen gelten. Ich möchte, dass die gleichen Möglichkeiten geschaffen werden für Menschen, die aus Afghanistan, Syrien oder einem anderen Land genauso behandelt werden wie Menschen aus der Ukraine.

Die Freiheitsliebe: In Deutschland standen verschiedene Landesregierungen in der Kritik, weil Menschen aus Afghanistan oder Syrien die Unterkünfte verlassen, mussten für Menschen aus der Ukraine. Ist die Motivation dieselbe, wie bei den Fluchtmöglichkeiten?

Lea: Ja natürlich, am Ende des Tages geht es um nichts anderes als blanken Rassismus. Es ist ja schon schlimm genug, dass Menschen seit Jahren in diesen Unterkünften leben, wo die Zustände teilweise extrem schlecht sind. Dass diese Menschen, dann auch noch den Unterkünften vertrieben werden und in noch abgelegenere Gegenden in noch ranzigere Unterkünfte kommen, ist an Ekelhaftigkeit eigentlich kaum zu übertreffen.

Die Freiheitsliebe: Was wäre die Alternative zu der aktuellen Flüchtlingspolitik, was wäre die Möglichkeit auf dem Mittelmeer, wo die EU zusagt, sie hätte gar nicht die Kapazitäten.  Wäre das eine Perspektive, wenn man staatliche Rettungsstrukturen schafft?

Lea: Am Ende des Tages wäre mein Wunsch, dass wir die Grenzen abschaffen, ich glaube aber nicht, dass das von heute auf morgen passieren wird und noch nicht mal, dass ich das Erleben werde. Das Problem auf dem Mittelmeer ist auch das Narrativ der Schleuserbekämpfung, welches die EU immer vorbringt. Dagegen würden legale Einreisemöglichkeiten helfen, wenn Menschen z.B. aus Afghanistan sich ein Ticket kaufen und in die EU fliegen und hier Asyl beantragen könnten, dann müssten Menschen nicht auf Schleuser Netzwerke zurückgreifen und sich auf dem Mittelmeer in Lebensgefahr begeben. Also legale Einreisewege schaffen und Visaverfahren deutlich vereinfachen.

Grundsätzlich denke ich, dass der globale Norden dafür sorgen muss, dass die Menschen im globalen Süden, für deren Elend der Norden verantwortlich ist, deutlich vereinfachte Einreisemöglichkeitenbekommen.

Ein erster Baby Schritt auf dem Weg dahin wäre es schonmal , wenn staatliche Institutionen und Regierungen zivile Seenotrettungsschiffe nicht mehr behindern würden. Der zweite Schritt wären staatliche Rettungsschiffe, die aber zivil und nicht militärisch sein müssten, sowie die Abschaffung von Frontex. Aber all das ersetzt natürlich keine legalen Einreisewege, daher muss man daran arbeiten, insbesondere im Angesicht der sich weiter verschärfenden Lebensbedingungen infolge des Klimawandels.

Es ist auch wichtig dem Narrativ zu widersprechen, dass alle Menschen nach Europa wollen, der größte Teil der Menschen flüchtet im eigenen Land oder in Nachbarländern. All das basiert aber auf rassistischen Vorstellungen, die komplett an der Realität vorbeigehen.

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