Im amerikanischen Wahlkampf 2016 halfen unter anderem Dokumente aus der Ukraine, dem damaligen Wahlkampfleiter von Donald Trump, Paul Manafort, zu unterstellen, er sei pro-russisch eingestellt, denn Manafort hatte deren ehemaligen Präsidenten Janukowitsch beraten. Das war Teil eines wesentlich umfassenderen Versuchs der US-Demokraten, Trump als eine Marionette Putins darzustellen.
Der Mueller-Bericht kam nach langen Untersuchungen zum eindeutigen Ergebnis, dass es keine Konspiration zwischen der Trump-Kampagne und Russland gab. Paul Manafort wurde verurteilt, weil er Steuern hinterzog und log. 2017 berichtete Politico, die Botschaft der Ukraine in Washington habe mit der Clinton-Kampagne zusammengearbeitet. Sei es wie es sei, nach der Amtsübernahme von Selenskyj wurde ein neuer Botschafter der Ukraine in Washington bestellt. Auch die Botschafterin der USA in Kiew wurde ausgetauscht.
Nun ist die Ukraine erneut zum Schlachtfeld um die Trump-Präsidentschaft geworden. Die Demokraten streben ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten an – auf der Basis von Presseberichten und Hörensagen. Das kann man als geschickten Schachzug ansehen oder als eine letzte Verteidigungslinie gegen einen mögliche zweite Amtsperiode von Trump. Dass diese Initiative von Erfolg gekrönt sein wird, muss man bezweifeln. Es fehlt schlicht die Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat. Es fehlt die öffentliche Unterstützung für einen solchen Schritt. Und vor allem: Schon wieder wird der amerikanische Wahlkampf nicht dadurch bestimmt, was Wählerinnen und Wählern unter den Nägeln brennt. Stattdessen wird die Ukraine nun benutzt, um die Mutmaßung zu schüren, Trump verkaufe deren Interessen an Russland. Angeblich habe er ja die Militärhilfe an dieses Land ausgesetzt, um die Ukraine zu zwingen, ihm bei der Desavouierung von Joe Biden zu helfen. Tatsächlich wurden die Gelder laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj am 13. September freigegeben. Zur Erinnerung: Die EU hat die USA unter Obama erfolgreich gedrängt, der Ukraine keine letalen Waffen zu liefern. Unter Trump änderte sich das.
Die nunmehr veröffentlichten Notizen zum Gespräch Trump-Selenskyj werden es den Demokraten nicht leichter machen, aber jede Menge Irritation auslösen. Das Urteil über Deutschland und Frankreich ist hart. Aber das Gespräch enthält kein Quidproquo. Interessant ist, dass Trump mit Selenskyj über Crowdstrike sprach, also das Unternehmen, dass den Einbruch in die Server des DNC durch russische Hacker festgestellt haben will und das später verlauten ließ, es habe sich um die gleiche Hackerbande gehandelt, wie im Falle eines Cyberangriffs auf die Ukraine. Die Ukraine allerdings verneinte das damals. Das bedeutet, dass Trump in diesem Gespräch Zweifel erkennen ließ, dass das DNC-Hack sich so zugetragen haben könnte, wie behauptet.
Der Mueller-Bericht ist in diesem Punkt nicht eindeutig. Es „erscheine“ (appears) so, als steckten staatliche russische Hacker dahinter, folgerte Mueller. Wie diese gehackten E-Mails zu Wikileaks gelangten – Mueller weiß es nicht. Auf die Frage, warum Assange ankündigte, er verfüge über belastendes Material in Sachen Clinton, noch bevor ihn die russischen Hacker laut Mueller kontaktierten, liefert der Bericht keine Antwort. Dass die russische Regierung eine Internetkampagne orchestriert hatte, um die Wahlen zu beeinflussen, konnte Mueller vor einem amerikanischen Gericht nicht beweisen. Da aber über Monate Trump als Lieblings-Kandidat Putins dargestellt wurde, blieb an Trump kleben, er sei ein Präsident von Putins Gnaden.
Wahr ist, dass Trump sowohl während des Wahlkampfs als auch nach der Amtseinführung immer wieder deutlich gemacht hatte, dass er das Verhältnis zwischen den USA und Russland verbessern wolle. Aus dem Mueller-Bericht, Teil 2, geht eindeutig hervor, dass es Trump damit Ernst war. Deshalb entließ er seinen Sicherheitsberater, General Michael Flynn, umgehend, als der Verdacht aufkam, Flynn sei entweder ein Agent Russlands oder durch Lügen über seine Telefonate mit Russland kompromittiert und damit erpressbar.
Bei diesem neuerlichen Schachzug der Demokraten ist nur eins gewiss: Die Polarisierung in den USA wird sich weiter vertiefen. Alles wird sich erneut auf Personen fixieren. Und hier haben die Demokraten ein Problem.
Es heißt Joe Biden. Joe Biden erwies sich im bisherigen demokratischen Vorwahlkampf nicht als die Leuchtfigur eines erfolgreichen Herausforderers von Trump. Nicht nur, weil ihm eine überzeugende inhaltliche Agenda fehlt, sondern weil Zweifel an seiner gesundheitlichen Verfassung aufgekommen sind. Um es mit den Worten eines seiner Mitbewerber in der dritten demokratischen Debatte zu formulieren: Kann sich Joe Biden noch daran erinnern, was er vor zwei Minuten gesagt hat? Das spiegelt sich inzwischen auch in den Umfragen wider.
Das zweite Problem der Demokraten heißt Burisma. Burisma ist das ukrainische Unternehmen, das dem Sohn des damaligen Vize-Präsidenten Joe Biden 2014 einen gut bezahlten Posten gab. 2015 machte die NYT bereits darauf aufmerksam, dass es ein Geschmäckle hat, da sich gleichzeitig Vater Biden politisch um die Ukraine kümmerte.
Viel wichtiger scheint, dass der Gründer von Burisma, ein ehemaliger hochrangiger Funktionär aus der Janukowitsch-Ära, und sein Unternehmen immer wieder mit dem Verdacht konfrontiert sind, es gehe nicht alles korrekt zu. Laut ukrainischen Medien auch aktuell. Gleichzeitig schloss Burisma 2017 mit dem „Atlantic-Council“ eine Kooperationsvereinbarung ab. Ein hochrangiger amerikanischer Unterstützter von Burisma erklärte dazu, dass es notwendig war, dass das Unternehmen von allen Verdächtigungen reingewaschen geworden werde. Das scheint, glaubt man der ukrainischen Presse, nicht gelungen zu sein. Und der ukrainische Präsident, glaubt man der Gesprächsnotiz, wird das weiter untersuchen lassen.
Drittens wirft das Vorgehen der Demokraten die Frage auf, welche Rolle Drohungen und Gegengeschäfte in der amerikanischen Politik spielen. Joe Biden hatte 2018 öffentlich eingeräumt, die Ukraine unter Druck gesetzt zu haben, wenn sie nicht ihren allseits kritisierten Generalstaatsanwalt entlasse und mit dem Entzug von einer Milliarde Dollar US-Unterstützung gedroht. Wesentlich früher hatte derselbe Joe Biden amerikanischen Studenten mitgeteilt, dass die USA die EU regelrecht zum Jagen tragen musste, damit diese Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließt. Darf man aus dem jetzt in Angriff genommenen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump folgern, dass die Demokraten ihrem eigenen Kandidaten in den Rücken fallen?
Der Wille zum Amtsenthebungsverfahren von Trump wird jede Menge mediale Aufmerksamkeit verschlingen. Vielleicht ist das der Plan, denn zwei andere Vorgänge könnten ausgesprochen gefährlich werden für die demokratischen Anhänger der Theorie einer Russland-Verstrickung von Trump. Der eine Vorgang betrifft das Gerichtsverfahren gegen General Flynn. Am 31. Oktober wird es eine Anhörung zu der Frage geben, ob die staatlichen Behörden ihm beziehungsweise seiner Verteidigung entlastendes Material vorenthalten haben. Dazu hat die Verteidigung Flynns eine Anfrage in 40 Punkten vorgelegt und diese Anfrage hat es in sich. Sie überlappt sich mit dem noch ausstehenden Untersuchungsbericht zu den Hintergründen der richterlichen Genehmigung des Abhörens der Trump-Kampagne durch das FBI. Bereits klar ist, dass das FBI das sogenannte „Steele-Dossier“ vor Gericht (FISA) als verifiziert erklärte, obwohl später eingeräumt werden musste, dass das nicht stimmte. Ebenfalls klar ist, dass Zweifel innerhalb des State Department an der Korrektheit von Aussagen von Steele unterdrückt wurden.
Wir wissen, dass die Clinton-Kampagne den ex-MI-6-Mann Christopher Steele bezahlte, um belastendes Material über Trump herauszufinden. Dank einer gerichtlichen Aussage von Christopher Steele im Jahr 2017 wissen wir weiter, dass er seinen Befund selbst als ungeprüft bezeichnete. Wir wissen dank Steeles Aussage auch, dass er ein weiteres Memorandum mit unverifizierten Befunden im Dezember 2016 schrieb. Dieses Memorandum ließ Steele sowohl dem verstorbenen Senator John McCain zukommen, der es dem FBI weiterleitete, als auch der britischen Regierung zukommen. Nun verlangt die Verteidigung von Flynn unter Punkt 1 die Herausgabe eines britischen Papiers vom Januar 2017, mit dem sowohl die Trump-Kampagne als auch die Obama-Administration gewarnt worden sein sollen, dass die Untersuchungen von Steele nichts taugten. Wenn es dieses britische Dokument gibt, dann wären die allermeisten Medien, jede Menge Experten und Politiker diesseits und jenseits des Atlantik über zwei Jahre einem politischen Komplott aufgesessen, das die Clinton-Kampagne gemeinsam mit einzelnen Mitgliedern aus Geheimdiensten und willigen Medienvertretern inszenierte – mit dem einzigen Ziel, einen demokratisch gewählten Präsidenten aus dem Weißen Haus zu entfernen. Dann hätten wir es mit einem Komplott gegen den Wählerwillen in den USA zu tun und damit gegen die Demokratie schlechthin.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus der soeben erschienenen neuesten Ausgabe von „Das Blättchen – Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft“. Die komplette Ausgabe kann auf der Website www.das-blaettchen.de kostenfrei eingesehen werden. Allerdings haben auch nicht-kommerzielle Projekte Kosten. Daher helfen Soli-Abos zum Bezug als PDF (hier klicken) oder in einem eBook-Format (hier klicken) dem Redaktionsteam bei der Lösung dieser Frage. Ein Beitrag von Petra Erler