Christine Buchholz

Die Linke muss klare Kante gegen Rechts zeigen – Im Gespräch mit Christine Buchholz

In der kommenden Woche wird der Bundestag tagen und zum ersten mal seit Jahrzehnten sitzt wieder eine rechtsaußen Partei, die AfD, im Bundestag. In allen Parteien wird nun darüber diskutiert, wie mit der AfD umgegangen werden sollte. Wir haben mit Christine Buchholz, religionspolitische Sprecherin der Linken, über den Umgang mit der AfD und den Kampf gegen Rechts gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Christine du bist wieder in den Bundestag gewählt worden, wie unterscheidet sich der neue vom alten Bundestag?

Christine Buchholz: Es gibt einen deutlichen Rechtsruck. Die regierenden Parteien Union und SPD sind kleiner geworden, DIE LINKE hat vor allem im Westen zugelegt und ist insgesamt etwas stärker geworden. Dramatisch ist der Einzug der AfD in den Bundestag. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sitzen wieder Neofaschisten im Bundestag.

Die Freiheitsliebe: Erstmals sitzt mit der AfD eine rechtsaußen Partei im Bundestag, werden sich dadurch die Debatten ändern?

Christine Buchholz: Sicher. Die AfD wird versuchen, die parlamentarische Bühne für ihre rassistische und reaktionäre Hetze zu nutzen. Zentral bei der AfD das Schüren von antimuslimischem Rassismus, wobei sie auf die jahrelange Vorarbeit von Sarrazin, Unionspolitikern und Teilen der Medien aufbauen. Gauland hat im Wahlkampf auch vorgemacht, wie die AfD die breite Ablehnung des Nationalsozialismus unterminieren will. Seine Äußerung, er sei stolz auf die Leistungen der Wehrmacht war ein bewusster Tabubruch, um in der Öffentlichkeit wieder positiv über den Nationalsozialismus und über Angriffskrieg zu sprechen. Sie duldet den Antisemitismus in den eigenen Reihen nicht nur und will das Gedenken an den Holocaust beerdigen. Viele Medien verharmlosen die Partei als national-konservativ. Doch die AfD ist zum Sammelpunkt der extremen Rechten geworden.

Es darf keine Normalisierung der AfD geben, sondern was wir brauchen, ist ein starkes antifaschistisches Zeichen an die Gesellschaft, das Menschen ermutigt, gegen die AfD zu argumentieren und zu protestieren. Denn nur eine breite Massenbewegung kann die AfD stoppen.

Die Freiheitsliebe: Schon am ersten Tag nach der Wahl ist Frauke Petry aus der Fraktion ausgetreten, welche Ursachen hatte der Austritt?

Christine Buchholz: Der neofaschistische Flügel bereitet sich auf die Vorstandswahlen auf dem Parteitag in Hannover Anfang Dezember vor. Höcke hat angekündigt für den Parteivorstand zu kandidieren. Sein Flügel setzt auf Straßenmobilisierungen und offene Zusammenarbeit mit Pegida, NPD und Identitären. Diejenigen in der AfD, die eine Abgrenzung zum Neofaschismus wollen, sind in der Minderheit.

Petrys Position, sich aus taktischen Gründen gegenüber neofaschistischen Positionen abzugrenzen, um im Jahr 2021 regierungsfähig zu werden, hat keine Mehrheit in der Partei und der Fraktion. Ihre politische Unterlegenheit trieb Petry zu ihrer Ankündigung, nicht in die AfD-Fraktion im Bundestag ein- und aus der AfD auszutreten. Der AfD-Vorsitzende Meuthen und der AfD-Vize Gauland haben den neofaschistische Flügel um Höcke und Poggenburg immer verteidigt und Absprachen mit Höcke geführt.

Bereits im April wurde sie auf dem Parteitag in Köln abserviert von Meuthen und Gauland, die in Absprache mit Höcke Alice Weidel und Gauland als Spitzenteam vorschlugen.

Nun soll auch das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke beerdigt werden. Am Montag, einen Tag nach der Wahl, haben ihn Weidel und Gauland laut Tagesschau nach Berlin geladen, um über Posten in der Fraktion zu sprechen.

Die Freiheitsliebe: Du siehst ein Erstarken des neofaschistischen Flügels, aber gibt es auch AfDler, die man in Ämter wählen kann?

Christine Buchholz: Es gibt zwei Gründe aus denen man die Kandidaten nicht wählen soll. Der eine ist ein grundsätzlicher.

Foto © Aufstehen gegen Rassismus

Gauland und Co setzen darauf, aus taktischen Gründen Personen, die nicht dem offenen Nazi-Flügel zuzuordnen sind, für repräsentative Aufgaben vorzuschlagen. Der neofaschistische Kandidat Seitzner war bei der Kandidatenkür zum Bundestagsvizepräsidenten Albrecht Glaser unterlegen. Glaser ist bestensfalls ein rechtskonservatives Feigenblatt. Wie stark der neofaschistische Flügel in der Fraktion ist, kann man an den Abstimmungsergebnissen sehen. Stephan Brandner, Listenplatz 1 aus Thüringen und Höcke-Flügel, war nur knapp mit 44:47 und erst im dritten Wahlgang als Vize-Fraktionsvorsitzender unterlegen.

Vertreterinnen und Vertreter des nationalkonservativen Flügels wie Alice Weidel und Beatrix von Storch sind selbst völkisch und rassistisch. Alice Weidel hetzt gegen Geflüchtete und Muslime. Von ihr wurde eine Hassmail im „Reichsbürger“-Jargon bekannt. Beatrix von Storch forderte den Schießbefehl gegen Geflüchtete an der Grenze und bezeichnete den Islam als „Fremdkörper“. Die LINKE sollte alle Personalvorschläge der AfD grundsätzlich ablehnen. Glaser forderte die Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime.

Die Nationalkonservativen haben in der AfD die Rolle von Feigenblättern für den Nazi-Flügel, mit dem sie gemeinsam eine Partei aufbauen. Für mich ist die gesamte AfD-Riege im Bundestag unwählbar.

Die Freiheitsliebe: Wie sollte die Linke mit der AfD im Bundestag und außerhalb umgehen?

Christine Buchholz: Die LINKE muss neben der Isolierung der AfD im Parlament klare Kante gegen den Rassismus der AfD zeigen. Sie sollte außerparlamentarische Mobilisierungen gegen die AfD weiterhin aktiv unterstützen, mit dem Ziel eine antifaschistische und antirassistische Massenbewegung aufzubauen. So kann das Klima in der Gesellschaft nach links verschoben, über den Charakter der AfD aufgeklärt und im Bündnis mit den von Rassismus und Sexismus betroffenen Menschen die Ausdehnung der AfD in den Parlamenten und auf der Straße verhindert werden. Es ist toll, dass am 22. Und 24. Oktober anlässlich der Konstituierung des Bundestags Proteste gegen den Einzug der AfD in den Bundestag stattfinden.

Der nächste Schritt ist es, bundesweit die Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Hannover am 2. Dezember zu mobilisieren. Dort wird die Partei ihrer Rechtsentwicklung fortsetzen und Höcke hat angekündigt, für den Parteivorstand zu kandidieren.

Gegendruck kann die AfD schwächen und die inneren Widersprüche innerhalb der AfD verstärken. In Münster, wo 10.000 Menschen gegen den Auftritt von Frauke Petry und Pretzell demonstriert hatten und eine kontinuierliche Arbeit und Mobilisierung gegen Rechts stattfand, landete die AfD bei den Landtags- und Bundestagswahlen unter der 5-Prozent-Marke.

In Köln schnitt die AfD bei den Landtags- und Bundestagswahlen unterdurchschnittlich ab, nachdem in der Stadt im April 30.000 gegen den Bundesparteitag der AfD demonstrierten. In Münster und Köln haben neben der LINKEN auch Gewerkschaften, Sportvereine, antirassistische Initiativen, SPD und Grüne zum Protest gegen die AfD aufgerufen.

Neben der Mobilisierung auf der Straße braucht die LINKE eine klare Oppositionspolitik zu einer möglichen Jamaika-Koalition. Sie muss die Auseinandersetzung mit CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen führen, die mit ihrer Verschärfung der Asylpolitik, aber auch mit ihrem Neoliberalismus die Entsolidarisierung der Gesellschaft und die Verunsicherung von breiten Bevölkerungsschichten maßgeblich verstärkt haben.

Die LINKE muss verhindern, dass die AfD in der Arbeiterklasse weiter Fuß fasst: Als antikapitalistische Protestpartei, die die sozialen Kämpfe, wie beispielsweise Mieter- und Umweltproteste oder Streiks unterstützt, etwa bei Amazon oder in Krankenhäusern. So können die, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen, wieder Hoffnung auf Veränderung schöpfen. Erfahrbare Klassensolidarität ist eine wichtige, zentrale Voraussetzung, um das Eindringen der AfD in die Arbeiterklasse zu verhindern. Dies wäre ein wichtiger Beitrag, um den weiteren Aufstieg der AfD zu stoppen und eine linke, solidarische Alternative möglich zu machen.

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