Die Linke: Der Abgang des Oskar Lafontaine

Mit Oskar Lafontaine verlässt einer der Gründerväter unsere Partei. Oskar Lafontaine war in den letzten 25 Jahren nichts weniger als einer der wichtigsten Streiter gegen den Neoliberalismus in Deutschland. Egal, wie man zu ihm stehen mag, er war damit einer der wichtigsten Linken im Land, erst als Parteivorsitzender der SPD und dann als Führungsfigur der LINKEN.

Oskar Lafontaine ist der einzige linke Volkstribun des 21. Jahrhunderts gewesen. Wenn er redete, hörten andere zu, ob sie wollten oder nicht. Die Meisten wollten. Er war nicht nur ein begnadeter Redner, sondern auch einer der einfache Deutungsmuster stricken konnte – ein Populist im besten Sinne des Wortes populär – beliebt beim populus (lat. „Volk“). Anders als viele andere hatte er nicht nur auf der Bühne die Tuchfühlung zum Publikum, sondern auch auf der Straße.

Seiner Abkehr von der Linken ging ein längerer Entfremdungsprozess voraus. Schon vor ein paar Jahren bedauerte er hin und wieder die Abspaltung der LINKEN von der SPD und bezeichnete sie als Fehler. Er schlug sogar eine Wiedervereinigung mit der SPD vor. Die Linke war ihm, dem großen Volkstribunen, der nur noch seiner Partei im Saarland vorstand, zu klein.

Ein Volkstribun

Er, der es gewohnt war, sich mit den ganz Großen zu messen. Er, der große Kontrahent des neoliberalen Kanzlers Gerhard Schröder, musste sich jetzt mit seinem ehemaligen Mitarbeiter als Hauptgegner im Saarland rumschlagen. Zu Recht kritisierte er seit Jahren die Zustände der saarländischen Linken. Nur waren die Zustände von ihm mitgemacht. Die Schattenseite seines Volkstribunentums war immer die Organisation. Ein Volkstribun führt und gibt die Richtung vor, der Rest folgt. Als Anführer des linken Flügels und als Bundesfinanzminister die SPD aus Protest gegen die neoliberale Wende von Schröder verließ, stand der linke Flügel der SPD nackt und wehrlos dar in einer Situation als er am dringendsten Stärke und Wortgewaltigkeit brauchte.

Im Saarland konnte er bis zuletzt die Marktplätze füllen. Die Zustimmung, die Begeisterung der Menge war sein Element. Die Partei interessierte ihn nur für Zustimmung, nötig waren lediglich Mehrheiten. Das System der Linken Saar, dass darauf beruht mit Busladungen Mehrheiten zu organisieren, war auch sein System. Sein innerparteilicher Konkurrent hatte schon als sein Mitarbeiter genau das organisiert. So lange die Mehrheiten, seine Mehrheiten, stimmten, gab es kein Problem. Das es bei Grünen, FDP und AfD im Saarland ähnliche Zustände gibt, macht es nicht besser. Der ganz Große „Napoleon von der Saar“ wie er von innerparteilichen Konkurrenten spöttisch und ehrfürchtig zugleich genannt wurde, stürzte über das ganz Kleine an der Saar, nicht an der Spree.

Aber das ist nicht wie Oskar Lafontaine in Erinnerung bleiben sollte. Er war ein großer Erzähler und Deutungsgeber. Als die deutsche Gesellschaft Ende der 90er markttrunken die Daseinsvorsorge privatisierte, die Steuern für Reiche senkte, „weil der Staat ineffizienter als der Markt sei“, stellte sich Lafontaine dem ebenso stimmgewaltig entgegen wie gegen die Kriege im Irak und in Afghanistan. Unermüdlich wies er auf die Bedeutung des Sozialstaates und friedlicher Konfliktlösung hin.

SPD: Abwendung vom Marktradikalismus

Im letzten Jahrzehnt wendete sich dann seine alte Partei, die alte Tante SPD, von ihrem vormals marktradikalen Kurs etwas ab. Lafontaines hatte damit schlussendlich Erfolg. Sein großes Projekt mit der Partei die Linke war es immer die Sozialdemokratie und die Gesamtgesellschaft zu einer Kurskorrektur vom Neoliberalismus zu bewegen. Im Rückblick ist das wohl – auch – sein großes Verdienst. Das Ziel der Partei die Linke war damit für ihn eigentlich erreicht.

Nur hat sich Oskar Lafontaine dagegen entschieden daraus eine Erfolgserzählung zu machen. In zunehmender Bitterkeit beklagte er die Abkehr der Linken von ihren sozialen und friedenspolitischen Positionen. Dem wohnt eine gewisse Tragik inne. Die Konflikte in der Linken kreisten ja nicht um soziale oder friedenspolitische Positionen, sondern um die Fragen der Migration, der Ökologie und der Emanzipation gesellschaftlicher Gruppen. Sein untrüglicher Instinkt für gesellschaftliche Stimmungen trog ihn zuletzt immer wieder – wie exemplarisch sein beständiges Schüren der Impfskepsis zeigte. Wo er in den Debatten um Migration zumindest einen Teil der Linken hinter sich hatte, verprellte er hier gerade die sozialdemokratischen Milieus, die auf einen starken Staat in der Krise setzten.

Obwohl er zuletzt immer wieder daneben lag, vermochte er nichtsdestotrotz seine Positionen stimmgewaltig mit dem sicheren Gespür für die notwendige Provokation und Opposition zu formulieren, die ihm seit Ende der 70er die Notizblöcke der Journalistinnen und Journalisten öffnete.

Mit dem Ukraine-Krieg und dem riesigen 100-Milliarden-Aufrüstungspaket wäre das Feld für ihn als Volkstribun heute wieder bereitet – allein, er wollte es nicht mehr bestellen. Statt der einzigen Partei im Land gegen Aufrüstung und Militarisierung auf Kosten sozialer Investitionen beizustehen, verlässt er sie und lässt die eigene Bitterkeit obsiegen. 10 Tage vor der Wahl im Saarland versucht er in dieser Situation seiner Partei noch maximal zu schaden. So stellt er die eigene Person vor die Sache und sein Anliegen. Dieser Abgang ist seiner Größe und Bedeutung eigentlich nicht würdig und mehr als bedauerlich. Nur wer groß ist, kann auch groß irren.

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3 Antworten

  1. Es ist billig und einfach einem Oskar Lafontaine wieder einmal anzukreiden er sei weggelaufen, laufe weg wie schon als Finanzminister.
    Wer hat ihm in diesen Situationen beigestanden, mit ihm gekämpft, wer tut es heute?
    Wie die Linke inzwischen zu Krieg und Frieden steht ist nicht Lafontaines Schuld oder Wille. Darüber sollte in der Partei endlich nachgedacht werden.
    Wer die Hilfe Lafontaines vermisst beklagt kann die letzte Rede von ihm mal genau anhören was er zu Ursachen von Kriegen sagt. Wenn die Linke wollte da anzuknüpfen, dann wäre viel erreicht Alle Kriege sehen, wer von Krieg reden will und nicht von Kapitalismus reden will, der sollte das Maul halten.
    Wer die Vorgeschichte nicht sehen will, die Lafontaine beim Namen nennt, wer nur die moralische Geige spielen will, wer alle gleichsetzt und nicht sehen will, wer nie gehört haben will wer die Neuordnung der Weöt schon lange verkündet hat, wer verteidigen will an jedem Ort der Welt, wer von Völkerrecht redet und nicht wissen will wer es schreibt und für sich auslegt, der mus bei sich jetzt und heute beginnen, kann Gedanken des Lafontaine als Anregung nehmen
    Roland Winkler

  2. Herr Ehling soll doch gleich in die SPD gehen, wenn die sich – wie behauptet – von ihrem Marktradikalismus abgewandt hätte.
    Die innerparteilichen Gegener Lafontaines, die Herr Ehling ja offenbar bevorzugt, haben ja nun im Saarland freie Bahn. Aktuell vier Prozent…

  3. Ich fühle mich seit 2020 nach 30 Jahren nicht mehr von der Partei die linken vertreten. Und kann Lafontaines Austritt absolut nachvollziehen.
    Ein ähnliches „System“ scheint es ja auch bei uns in Rheinland-Pfalz zu geben. Um den Spitzenkandidat Ulrich wurde ähnlich gestritten und die Wahlergebnisse zeigen das man dort Anhänger massiv verliert.

    Mir ist es unverständlich das alle Parteien die gleiche hauptprogrammatik umsetzen wollen und damit austauschbar werden. Ich erwarte das von einer linken Partei die Interesse der Lohnabhängigen Bevölkerung unterstützt werden. Dazu gehört nicht die Klimakrise oder dieser ganze Identitätspolitische Krempel. Und schon gar nicht die Gesundheitspolitik seit Corona. Dort werden auf der einen seite zahlreiche Rechte massiv eingeschränkt und alles was die tatsächliche Gesundheitsversorgung betrifft wird verschlechtert und miliardenbeträge fließen in die Taschen von Investoren.
    Die Unterstützung dieses Umbau in eine Stakeholder und finanzindustrie freundlichen Welt durch Teile der linken führt sie zur Bedeutungslosigkeit und nicht die letzten Kritiker in der Partei.

    Wenn sie nicht wieder zu ihren eigentlichen Wurzeln und für wen sie Politik machen soll zurück findet, bleibt sie weiter ein skurrilenr fortsatz der Grünen und der SPD, wo sich die lautesten krakeeler aus der Hochschulpolitik sammeln.

    Letztlich zeigt sich an dieser Diskussion wie erfolgreich die andere Seite Ist. der Umbau in rein von Finanzinteressen gesteuerten regierungssystemen, wird kaum aufzuhalten sein, weil viele Linke glauben diese enthielte linke Ideen. Am Schluss geht es aber immer nur um Rendite.

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