Die Corona-Krise in Kuba und Rojava

Die Pandemie, ausgelöst durch das Coronavirus (COVID-19), wütet momentan weltweit. Die dadurch entstandene Krise führte zu verschiedenen Maßnahmen wie Quarantänen und sogar Ausgangssperren. Unzählige Regierungen, wovon auch unsere Bundesregierung nicht verschont wurde, wurden aufgrund ihres späten Handelns und schlechter Prävention kritisiert.

Das Virus erreichte schließlich die karibische Insel Kuba und auch das vom Bürgerkrieg erschütterte Land Syrien, doch wie sieht die Lage unter der sozialistischen Führung Kubas aus? Wie geht die demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien (Rojava) mit dem Virus um und welche Auswirkungen hat es auf den fortlaufenden Bürgerkrieg und die türkische Invasion?

Kubas Gesundheitssystem

Kuba ist bereits bekannt für sein zuverlässiges Gesundheitssystem und die Solidarität dessen „Armee der weißen Kittel“ anlässlich der Ebola-Epidemie von 2014. Schon Anfang Februar begann die kubanische Regierung, medizinische Vorräte wie das virenhemmende Medikament Interferon Alpha 2B (IFNrec) nach China zu schicken und beteiligte sich somit früh am Kampf gegen COVID-19. Durch das Eintreffen des Virus durch drei italienische Touristinnen wurde COVID-19 auch auf Kuba zur Realität. Kurz darauf wurden die Touristinnen und alle mit ihnen in Kontakt getretenen Menschen sofort in ein Isolationszentrum transferiert und durch das kubanische Gesundheitssystem behandelt.

Anfang März genehmigte die kubanische Regierung ein britisches Kreuzfahrtschiff mit bestätigten COVID-19 Fällen in Kuba anzudocken, nachdem mehrere Länder der Region Hilfe verweigert hatten. Die internationale Öffentlichkeit lobte Kuba für diesen Solidaritätsakt, doch hört Kubas Solidarität im Kampf gegen COVID-19 hier noch nicht auf. Denn dieselben Ärztinnen und Ärzte, welche 2014 in Sierra Leone Ebola bekämpften, wurden nun auch nach Italien, dem Epizentrum des Virus in Europa, geschickt. Neben Italien wurden kubanische Ärzte auch nach Venezuela, Argentinien und in weitere Länder geschickt.

Nachdem Kuba eine geringe Anzahl von Fällen besaß, die überwiegend durch touristische Aktivitäten auftraten und die kubanische Regierung unwillig war, Reisebeschränkungen einzuführen, begann auch die kubanische Regierung wichtige Maßnahmen, für das Konfrontieren von COVID-19 im Land, zu implementieren. Die Schulen sind vorerst für einen Monat geschlossen, es gibt tägliche Haushaltsuntersuchungen, an denen Ärzten, Krankenhelferinnen und medizinische Studierende teilnehmen. Wie auch hier in der Bundesrepublik und vielen anderen Ländern der Welt wird den Menschen geraten, möglichst viel zu Hause zu bleiben und wenn möglich von dort aus zu arbeiten. Im Vergleich zu anderen Herangehensweisen anderer Regierungen der Welt wird im ersten Monat das gesamte Gehalt gezahlt und in den folgenden Monaten 60 Prozent dessen, falls das Arbeiten von Zuhause aus nicht möglich ist.

Corona in Rojava

In Nordostsyrien scheint sich die Situation von der kubanischen zu unterscheiden. COVID-19 traf im Nahen Osten den Iran und Irak am härtesten. Während Rojava sich noch immer mit den unzähligen IS-Gefangenen und der türkischen Invasion auseinander setzen muss, entschied sich das Gesundheitskomitee der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens Ende Februar im Rahmen eines Maßnahmenpakets dazu, den einzigen Grenzübergang in die Region, die Grenze nach Südkurdistan, vorerst auf unbestimmte Zeit zu schließen und Gesundheitschecks durchzuführen.

Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) gab es zu dem Zeitpunkt schon mehrere Fälle von COVID-19 in Syrien, das syrische Gesundheitsministerium jedoch bestätigte keinen dieser Fälle. Nach dem Beschluss eines Dekrets der Autonomieverwaltung wurden auch alle öffentlichen Veranstaltungen in den selbstverwalteten Gebieten verboten. Dies kam eine Woche vor dem kurdischen Neujahrsfest Newroz, welches jährlich am 21. März gefeiert wird und von großer Bedeutung für das kurdische Volk ist. Schulen, Universitäten und sonstige Bildungseinrichtungen sind seit dem 14. März geschlossen. Alle Freitagsgebete sind vorerst ausgesetzt und muslimische Gebetshäuser geschlossen.

Ausgenommen von den Schließungen bleiben Krankenhäuser, öffentliche und private Gesundheitszentren, Einrichtungen der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondorganisationen, Apotheken, Desinfektionskomitees, Reinigungsfirmen, Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte, mobile Babymilch-Stationen und Tankstellen. Dazu gibt es seit dem 23. März eine Ausgangssperre, doch selbst das vom Krieg erschütterte Rojava kündigt der Bevölkerung während der Ausgangssperre Unterstützung an und die Notinterventionsteams arbeiten rund um die Uhr. Das Frauen-Wirtschafts-Komitee beispielsweise organisiert die Produktion von Schutzmasken, die für den Schutz vor COVID-19 an die Bevölkerung ausgeteilt werden. Ebenfalls wird Essen über das Kommunen-System verteilt und alle bedürftigen Familien werden somit versorgt. Preise für Grundnahrungsmittel wurden festgelegt, um Preisauswüchse während der Pandemie zu verhindern. Zudem erhalten Bedürftige Hilfsleistungen über die Kommunen. Seit dem 6. April sind Wasser und Strom mit sofortiger Wirkung für jeden Haushalt kostenlos. Eine Maßnahme von hoher Wichtigkeit, die wir selbst in „fortschrittlichen“ und „finanziell stabilen“ Ländern wie unserer Bundesrepublik nicht haben.

Auf Kosten von über einer halben Millionen Menschen hat die Türkei das Wasserwerk Elok mehrmals außer Betrieb gesetzt. Seit dem 5. April hat die Region Hesekê wieder einen funktionierenden Wasserdurchfluss, dennoch hat die türkische Besatzung jederzeit die Möglichkeit, die Wasserzufuhr erneut zu blockieren. Eine Blockade der Wasserversorgung betrifft unter anderem das zur Corona-Notfallklinik umfunktionierte Hauptkrankenhaus in der Kantonhauptstadt Hesekê, das Camp Hol mit etwa 65.000 Bewohnerinnen und Bewohnern sowie umliegende Internierungslager und Haftanstalten mit IS-Gefangenen.

Ein weiteres der massiven Probleme in der Konfrontation von COVID-19 in Rojava ist, dass es keine Testmöglichkeiten gibt, da sich die dafür notwendige Ausrüstung in Serêkaniyê (Ras al-Ain) befand und seit der türkischen Besatzung des vergangenen Oktobers nicht mehr funktionsfähig ist. Tests müssen über die syrische Zentralregierung in Damaskus an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weitergeleitet werden. Dieser Vorgang ist sehr zeitaufwendig und dauert mindestens eine Woche.

Kuba scheint die Krise selbstbewusst anzugehen und vertraut seinem Gesundheitssystem, für Rojava jedoch sieht die Lage deutlich finsterer aus. Auch wenn die Verwaltung Rojavas versucht, diese Krise so gut wie möglich zu überstehen, die Bevölkerung kontinuierlich unterstützt und es noch keine bestätigten Fälle von COVID-19 gibt, gefährdet das Fehlen von Testmöglichkeiten als auch von Schutzutensilien (Handschuhe, Mundschutzmasken) in Rojava die ganze Region. Diese prekären Umstände würden zu einem unkontrollierbaren Ausbruch führen und somit die bereits bestehenden Krisen die türkische Invasion, das Problem der IS-Gefangenen und die Lage in den Flüchtlingslagern dramatisch verschärfen.

Durch die türkische Blockade der Wasserzufuhr sind über eine halbe Million Menschen in Gefahr und so einem extrem hohen Corona-Risiko ausgesetzt. Zudem stellt dies ein Kriegsverbrechen dar und wird das Sterben von Zivilisten herbeiführen, wenn der Wasserfluss nicht wiederhergestellt wird. Nicht zu vergessen ist, dass die etlichen IS-Gefangenen in Rojava ebenso ein massives Problem darstellen und dies durch die Corona-Krise deutlich angespannt wird. Am 30. März gab es aufgrund der immer schlimmer werdenden Krise einen, glücklicherweise wieder niedergeschlagenen, Aufstand der Gefangenen. Da es nun auch von der syrischen Regierung bestätigte COVID-19-Fälle in Syrien und dazu viele Infektionen in der Türkei und dem Irak gibt, ist die Realität eines Ausbruchs in Rojava nicht weit entfernt. Die nordostsyrische Selbstverwaltung bittet somit die internationale Allgemeinheit um Hilfe, denn es fehlt auch an grundlegender medizinischer Ausrüstung, wovon die Flüchtlingslager besonders betroffen sind.

Ein Artikel von Giro aus Berlin. Giro ist 19 Jahre alt und beschäftigt sich mit Geschichte, Politik und den Kulturen des Nahen Ostens.

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