Ein Schock kurz vor der Sommerpause – Wer ist Alexandre Benalla und was trieb er am 1.Mai in Paris ?
Kurz bevor in Frankreich endgültig die Sommerferien beginnen, erschüttert eine Affäre das Land, deren Auswirkungen selbst die monatelangen Prostete von Eisenbahner, Beschäftigen des öffentlichen Dienstes, sowie die der Schüler und Studierende des vergangenen Frühjahrs in den Schatten stellt. In der Folge sanken die Zustimmungswerte des Staatspräsidenten Emmanuel Macron auf neue Tiefstwerte. Nur noch 27 Prozent der Französinnen unterstützen aktuell seine Politik. Folge einer folgenschweren Enthüllung der Tageszeitung „Le Monde“ Diese berichte am 18.Juli darüber, dass sich Alexandre Benalla, der persönlicher Sicherheitschef des Staatspräsidenten Emmanuel Macron, eigenhändig am Rande der Pariser Demonstration zum 1.Mai an friedlichen Demonstrierenden vergriffen, wie die Auswertung eines Video eines jungen Aktivisten aus den Reihen von „France insoumise“ von diesem Tage, zeigte. Doch nicht nur das, er hatte auch selbst Verhaftungen durch die anwesende Bereitschaftspolizei angeordnet. Wie sich schnell herausstelle agierte er allerdings nicht allein, sondern in seinem Gefolge war selbst der hauptamtliche Sicherheitsapparat der Präsidentenpartei LREM in die Übergriffe verwickelt.
Unerwartet schnell schwappte nach diesen Enthüllungen eine Welle der Empörung durchs Land. Nicht in erster Linie, wegen der unangemessenen Gewalt gegen linke Kritikerinnen der Politik Macrons an diesem 1.Mai, den brutale Übergriffe durch die Polizei sind in der autoritären V. Republik nichts uUngewöhnliches Viel eher reagierte die Öffentlichkeit entsetzt darauf, dass ein Mitarbeiter des Stabes des Präsidenten sich Befugnisse aneignet, welche ihm in keinster Weise zustanden. Schließlich waren weder Benalla noch Vincent Crase, ein Sicherheitsmann der Partei Macrons, Angehörige der Polizei. Allerdings hatten ranghohe Mitarbeiter der Pariser Polizei Benalla und Crase die Teilnahme als Beobachter genehmigt.
Die öffentliche Meinung wendete sich aber noch entschiedener gegen den Staatspräsidenten als deutlich wurde, dass das illegale Handeln Benallas schon unmittelbar nach den Ereignissen sowohl von Macron, seinem Stab, aber auch dem zuständigen Innenminister Gérard Collomb bekannt geworden war, dies aber allesamt auf harte Sanktionen verzichteten und darauf hofften, dass die Affäre nicht an die Öffentlichkeit gelangen möge. Die Ungeheuerlichkeit der Vorgänge führte schnell dazu, dass in beiden Parlamentskammern der französischen Legislative die Opposition Untersuchungsausschüsse durchsetzen konnte. In der Nationalversammlung traten die Oppositionsfraktionen sogar in den Streik, und verweigerten sich, weiter an den Beratungen über eine Verfassungsreform, welche Macron und die von Édouard Philippe, der bis zum letzten Herbst den den rechtskonservativen „Republikaner“ angehört hatte, noch im Eilverfahren vor der Sommerpause verabschiedet sehen wollten.
Die Ausschüsse und die fortgesetzten Recherchen der Presse förderten in der Folge bemerkenswertes zu Tage. Der 26jährige Benalla, der erst für Spitzenpolitiker der aus dem Umfeld der „Sozialistischen Partei“ als Leibwächter gearbeitet hatte, stieß während des Präsidentschaftswahlkampfes 2017 zum Zuständigen für den Schutz des Kandidaten auf. Kaum gewählt, würde Benalla Mitglied des Stabes von Macron. Hier wurde er mit sämtlichen Privilegien ausgestattet, die nur denkbar sind. Ein Gehalt von 10.000 Euro, elegante Dienstwohnung, Diplomatenpass. Selbst über eine Berechtigung, das Parlamentsgebäude zu betreten, verfügte er, obwohl er als Mitarbeiter des Staatschefs keinerlei Gründe anführen konnte, sich in den Räumlichkeiten der Legislative zu bewegen.
Macrons Elitennetzwerk braucht Handlanger für die Drecksarbeit
Abgesehen von der Frage, welche Qualifikationen diese junge Mann vorzuweisen hat, um eine derartig hochrangige Position als Sicherheitschef des Präsidenten einzunehmen, wurde deutlich, dass er niemals in die offiziellen polizeilichen Strukturen, welche die Sicherheit des Staatspräsidenten gewährleisten sollen, eingegliedert wurde. Benalla blieb immer, zugespitzt formuliert, ein privater Sicherheitsmann im Dienste des Staatspräsidenten. Chef einer parallelen Sicherheitsstruktur, in die selbst die speziell für den Präsidenten arbeitende Polizeieinheit GSPR keinen Einblick hatte. Für diese rekrutierte Benalla auch seinen Mitstreiter vom 1.Mai Vincent Crase, der bis zur Aufdeckung der Affäre ebenfalls ohne jegliche Sanktion blieb. Mehr noch, vieles deutet darauf hin, dass Benalla die ganze innere Struktur der Sicherheitsorgane im Umfeld des Präsidenten überarbeiten sollte. Mit dem Ziel, diese noch direkter dem Staatspräsidenten zu unterstellen, und einer transparenten öffentlichen Kontrolle zu entziehen.
Benalla gehört zu jener kleinen Clique von Vertrauten Macrons, die eigentlich aus dem französischen Eliten stammen und jetzt, nach überraschend gewonnener Präsidentschaftswahl, sich die Beute aufteilen und im eigenen Interesse Frankreich umkrempeln. Beispielhaft sei nur die Affäre um Alexis Kohler, Generalsekretär der Präsidialverwaltung, welcher den Verkauf der Werften in St.Nazaire an eine italienische Firma in die Wege leitete, zu er familiäre und finanzielle Beziehungen besitzt. Diese kleine Gruppe, eng vernetzt mit den einflussreichen Kreisen der Gesellschaft garantierte den Erfolg des Projekts Macron, welches über keinerlei breite Zustimmung in der Gesellschaft verfügt.
Der elitäre Charakter dieser Gruppe um Macron ist auch verantwortlich, für ihren anti-egalitären Dünkel und ihre Bereitschaft auch physische Gewalt gegen politische Gegner zu akzeptieren. Deshalb ist sie auf Akteure, wie Alexandre Benalla angewiesen. Benalla repräsentiert den typischen hemdsärmeligen Vertreter aus der Unterklasse, der den Machtanspruch der herrschenden durchsetzt, ohne über Klassenbewusstsein zu verfügen. Menschen, wie Benalla werden in die erste Reihe gestellt, wenn es gilt gewaltsam, autoritäre Maßnahmen umzusetzen und die Hegemonie neoliberaler, elitärer Akteure zu sichern. Es ist deshalb kein Wunder, dass keine Sanktion gegen Benalla erfolgten. Schließlich sah man es im Umfeld Macrons sehr gerne, dass gegen die linke antimacronitische Opposition aus den eigenen Reihen Hand angelegt wurde. Deshalb wurde Benalla seit 2017 auch in keine regierungsamtliche Struktur eingebunden. Er agierte innerhalb des Stabes von Macron in einem nicht definierten Aufgabenbereich und war nur Macron persönlich verpflichtet. Er verfügt, darf man den Medienberichten glauben, trotz seines Vergehens bis heute über die volle Rückendeckung des Staatspräsidenten und musste deshalb keine formalen Einschränkungen durch seinen direkten Vorgesetzten befürchten. Die Autorität des Staatspräsidenten führte schließlich auch dazu, dass am 1.Mai vonseiten der Polizei niemand wagte, sein gesetzeswidriges Verhalten in Frage zu stellen. Auch der höheren Ebene des Polizeiapparates, wo so mancher hofft unter den neuen politischen Verhältnissen doch noch voran zu kommen, wurde das Verhalten von Benalla auch über Monate gedeckt. Niemand dachte daran, die Justiz über die strafrechtsrelevanten Verfehlungen des Mannes zu informieren. Erst die massive Pressekampagne, welche sich in Folge des 18. Julis entwickelte, führte zu seiner Entlassung aus dem Dienst. Allerdings munkelt man, dass Macron ihn weiterhin für die Gewährleistung seiner Sicherheit engagieren möchte.
Macron und die Regierung schweigen- Ausdruck ihrer Verachtung des Parlaments
Die anmaßende, antidemokratische Haltung der Clique um Macron und seinen Unterstützerinnen aus der Regierung zeigt sich aber auch darin, dass man es nicht für nötig hält, sich für das eigene Verhalten vor dem französischen Volk zu rechtfertigen. Staatspräsident Macron fällt nicht Besseres ein, als Presseschelte zu betreiben- diese würde eine Nichtigkeit zum Skandal hoch schreiben- und der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass man ihn „doch holen solle“, wenn er sich zu den Verfehlungen seines Mitarbeiters Benalla und den Verdunkelungsversuchen aus seinem persönlichen Stab und dem Staatsapparat äußern solle. Premierminister Philippe zog es auch vor, sich lieber bei dem populären Radrennen „Tour de France“ zu zeigen, als dem Parlament oder dem aus dessen Mitte gebildeten Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. Auch die Parlamentsfraktion von LREM betätigte sich, als aktiver Gegner der parlamentarischer Spielregeln und würgte den Untersuchungsausschuss ab, indem man es ablehnte, wenigstens enge Mitarbeiter von Macron vorzuladen. Da alle Fraktionen den Ausschuss in der Folge verließen, endete dieser ohne Ergebnis, den es wird keinen Abschlussbericht geben. Schließlich sei nicht Benalla das entscheidenden Problems, sondern die Demagogie von Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen, die einen erfolgreichen Präsidenten in die Enge treiben und für ihre Zwecke missbrauchen würden, hörte man als Begründung von LREM für die Verweigerung den Ausschuss fortzusetzen. Wieder einmal wurde also die Extremismustheorie gegen die Linke bedient, um berechtigte Kritik zu delegitimieren. Pech nur, das der Front National, jetzt neuerdings als „Rassemblement National“ ((Nationale Sammlungsbewegung“) unterwegs, das politische Feld, im Gegensatz zu Mélenchons „aufständigem“ Frankreich“ aktuell kaum prägt und der Vorwurf, man agiere deckungsgleich, damit ins Leere geht.
Immerhin waren es zwei Anträge an die Nationalversammlung aus den Reihen der Opposition von den rechtskonservativen „Republikanern“ und den Mitte-Links Fraktionen, bestehend aus den Sozialisten, „France insoumise“ und den Kommunisten,der Regierung das Misstrauen auszusprechen, welche den Premierminister immerhin zwangen Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Doch auch diese Bühne nutzte der Premierminister dazu, um noch einmal zu betonen, dass die Politik der Regierung richtig sei, zu Benalla äußerte er sich in seiner Regierungserklärung nicht. Eine surreale Verweigerungshaltung des Regierungschefs, die einer Missachtung der Abgeordneten gleichkommt.
Diese Verachtung der parlamentarischen Gremien durch die politische Führung Frankreichs ist nur logisch. Schließlich plant Macron, nun durch die Affären von Alexandre Benalla ein wengi gebremst, eine Verfassungsreform, die ihm als Präsidenten noch mehr Macht verleihen soll. Einerseits soll das ohnehin schon verfassungsrechtlich schwache Parlament weiter geschwächt werden, indem es verkleinert werden soll. Außerdem sollen Gesetzgebungsverfahren beschleunigt werden. Zusätzlich liebäugelt Präsident Macron damit, sich ein Rederecht im Parlament in die Verfassung schreiben lassen und somit, wenn auch nur symbolisch, seine Rolle als starker Mann auszubauen. Die Abwertung wird, wie immer in autoritären Marktregimen mit der mangelnden Effizienz der Strukturen begründet. Doch ermöglicht es auch die Fortsetzung der neoliberalen „Schocktherapie“, der sich Frankreich seit dem Amtsantritt des Präsidenten ausgesetzt sieht und gegen welchen Widerstand bisher so schwer in Gang kommt. Die Benalla Affäre zeigt, dass der Staatspräsident an den regulären staatlichen Strukturen vorbei, am Aufbau einer ganz persönlichen Truppe von Sicherheitsleuten arbeitet, die auch vor Übergriffen auf oppositionelle Akteure nicht zurückschreckt. Dies zeigt, wie sehr die legislative Repression durch die „Marschierer“ Macrons, mit offener rücksichtsloser Gewalt gegen Menschen, die laut ihren Protest über die aktuell falsche Politik kundtun wollen, zusammenwirken kann. Der Autoritarismus von Macron und seinen Unterstützer_innen wird umso weiter zunehmen, je stärker sich zeigt, das dessen Politik von den Menschen abgelehnt wird.
Ein Gastbeitrag von Sebastian Chwala, Sprecher der Linken Marburg
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