Der Mythos von Kampfdrohnen als „Schutz“ für Soldaten

In der SPD steht eine Abstimmung über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr bevor. Seit 2014 will die Bundesregierung die Bundeswehr mit Kampfdrohnen ausstatten. Die SPD-Verteidigungspolitikerinnen und -politiker drängen auf eine Zustimmung der SPD. Derweil leistet die Parteibasis weiterhin Widerstand. Das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter von bewaffneten Drohnen: Kampfdrohnen dienen als Schutz für Soldaten. Was steckt wirklich dahinter?

Zahlreiche Appelle aus der Friedensbewegung, Beschlüsse gegen Kampfdrohnen von der Berliner und der baden-württembergischen SPD und Demonstrationen, zuletzt am Aktionstag „Abrüsten statt aufrüsten“ zeigten Wirkung: Am 8. Dezember 2020 stellte sich der SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans gegen diejenigen in seiner Partei, die mit Hochdruck daran arbeiten, dass die SPD-Bundestagsfraktion noch in diesem Jahr eine Entscheidung über die Drohnenbewaffnung fällt.

Das breite Lager der Drohnenbefürworter aus CDU, AfD, FDP, Bundeswehrführung und Rüstungsindustrie läuft Sturm gegen die anhaltende Skepsis in Teilen der SPD und der SPD-Basis. Die CSU startete eine Kampagne unter dem Motto „Soldaten schützen – Drohnen beschaffen“. Gleichzeitig warb Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in ihrer Rede zum Rekord-Militärhaushalt 2021 prominent für die Bewaffnung von Drohnen zum Schutz der Soldaten. Auch aus den eigenen Reihen erhöht sich der Druck: SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu forderte die SPD auf, die Ablehnung zur Bewaffnung von Drohnen „zum Wohle der Einsatzkräfte“ aufzugeben.

Seit 1992 kamen 114 Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen ums Leben. Etwa 45.000 Bundeswehrsoldaten verletzen sich alleine im Zeitraum von 1997 bis 2008 in Auslandseinsätzen. Die Zahl von traumatisierten Kriegsrückkehrern steigt kontinuierlich. Dass Bundeswehrsoldaten nur deshalb unter Beschuss kommen können, weil sie als Soldaten als Teil einer Besatzungsmacht in einem fremden Land operieren, verschweigen Kramp-Karrenbauer und die Kampfdrohnen-Befürworter. Kampfdrohnen sind offensive Waffen, keine defensiven Waffen. Mit dem Mythos der Kampfdrohnen als „Schutz“ für Soldaten muss endgültig aufgeräumt werden.

Worum geht es bei der Bewaffnung von Drohnen wirklich?

Immer tiefer in den Krieg

Die Debatte um bewaffnete Drohnen ist eng verwoben mit dem Umbau der Bundeswehr zur globalen Einsatzarmee und zu immer „robusteren“ Einsätzen, beispielsweise in Mali. Es geht auch darum, militärisch mit anderen Streitkräften Schritt zu halten. Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt im Dezember 2020, Annegret Kramp-Karrenbauer fürchte, „dass Deutschland ins Hintertreffen gerät, denn etliche Streitkräfte setzten ganz selbstverständlich auf Drohnen“.

Militärische Kampf- und Aufklärungsdrohnen kommen in jenen Kriegen zum Einsatz, wie sie die US-Armee mit ihren Verbündeten in Afghanistan, Pakistan, Jemen oder Somalia führen. In diesen asymmetrischen Konflikten – im Namen des „Kriegs gegen den Terror“ – steht der US-Armee keine reguläre Armee gegenüber, die über eine effektive Flugabwehr verfügen würde. Der eigentliche militärische Vorteil von Kampfdrohnen gegenüber bemannten Kampfflugzeugen liegt in der langen „Stehzeit“: Sie können stundenlang kreisen, um Lagedaten am Boden auszuwerten. Wird auf Grundlage von computergenerierten Daten schließlich ein Ziel identifiziert, kann sofort gefeuert werden.

Nach Wunsch des Verteidigungsministeriums sollen die von der Bundeswehr in Mali eingesetzten Aufklärungsdrohnen Heron 1, die von den israelischen Streitkräften geleast werden, durch eine bewaffnete Drohne ersetzt werden. Das passt ins Bild: Das Einsatzgebiet der Bundeswehr wird kontinuierlich ausgeweitet und die Art des Einsatzes »robuster« gemacht, indem die Bundeswehr dichter ans Kampfgeschehen heranrückt und das Kontingent technisch aufrüstet.

Es gibt keine „kleinteiligen, chirurgischen Angriffe“

Es ist nicht bekannt, mit welcher konkreten Bewaffnung die Heron TP ausgestattet sein wird. Das Verteidigungsministerium wirbt jedoch damit, dass der Einsatz der vorgesehenen Rakete jederzeit abgebrochen und ihre Sprengkraft eingestellt werden kann. Daher sei der Einsatz der Kampfdrohne gerade in „komplexen und/oder in urbanen Gebieten“ vorteilhaft. Die Rede vom „chirurgischen Angriff“ ist aber ein Mythos: Zum einen kann die Identität der Ziele nicht exakt ermittelt werden. Zum anderen vergeht zwischen Mausklick und Einschlag aufgrund der langen Übertragungswege eine kleine Zeitspanne. Um dennoch schnell bewegliche Ziele vernichten zu können, werden Raketen mit besonders starker Sprengkraft eingesetzt. Die Folge sind überdurchschnittlich viele zivile Tote. Das Bureau of Investigative Journalism zählt seit 2004 bei 14.040 Drohnenangriffen 2.200 getötete Zivilisten, darunter bis zu 454 Kinder.

„Gezielte Tötungen“ – Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren

Kampfdrohnen werden vom US-Militär auch zu „Signature Strikes“ gegen Personen eingesetzt, deren Identität zwar unbekannt ist, die sich aber Geheimdiensten zufolge „verdächtig“ verhalten. Das Fahren eines Kleinlasters, dessen Kennzeichen von Geheimdienstlern wiedererkannt wird, kann so zum Todesurteil werden. Ebenso sind Kampfdrohnen die Waffe der Wahl für sogenannte „gezielte Tötungen“ von Terrorverdächtigen. „Gezielte Tötungen“ sind Hinrichtungen ohne gerichtliches Verfahren, ohne Anklage und ohne Urteil. Das Verteidigungsministerium bemüht sich, sich von dieser Praxis des Kampfdrohneneinsatzes abzugrenzen, und kündigte an, man wolle keine „extralegalen Tötungen“ durchführen. Es gibt jedoch keine klare Definition davon, was als „extralegale Tötung“ gilt.

Die Drohnenkriege der USA in Jemen, Afghanistan und Somalia zeigen, dass durch den vermehrten Einsatz militärischer Gewalt durch die internationalen Einsätze terroristische Angriffe nicht ab-, sondern zunehmen. Bereits 2019 führte die französische Armee in Mali Drohnenschläge gegen vermeintliche Dschihadisten durch, sieben Menschen wurden getötet. Deutsche Kampfdrohnen in Mali werden die Gewaltspirale weiter anheizen.

Strenge Einsatzregeln?

Die Kampfdrohnen-Befürworter und -Befürworterinnen in der SPD betonen, dass sie sich mit ihrer Forderung nach strengen Einsatzregeln für bewaffnete Drohnen durchsetzen konnten und der Einsatz der Kampfdrohnen in der Hand des Bundestags liege. Klar ist jedoch: Zwar werden Bundestagsabgeordnete gefragt, ob in Mali oder Afghanistan Kampfdrohnen zum Einsatz kommen dürfen. Der konkrete Einsatz vor Ort wird jedoch von der Militärführung entschieden. In der militärischen Praxis ist davon auszugehen, dass die Hemmschwelle zum Einsatz der Kampfdrohnen sinkt. In der vom Verteidigungsministerium organisierten Drohnendebatte wurden bereits über den Schutz von Konvois oder Camps hinausgehende Einsatzszenarien erwähnt: So könnte die Heron TP „verdächtige Personen“ über einen längeren Zeitraum verfolgen.

Anstatt über strengere Einsatzregeln nachzudenken und eine weitere Debatte zu fordern, muss die SPD eine klare Kante gegen den Chor von Kampfdrohnenbefürwortern aus CDU, AfD, FDP, Bundeswehrführung und die Rüstungsindustrie zeigen: Kampfdrohnen dienen nicht dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Für eine Bundeswehr im Einsatz sind sie eine technische Fähigkeit, die es ihr erlaubt, in unwegsame Gebiete vorzudringen. Vom Verteidigungsministerium selbst wird betont, dass eine Drohne über feindlichem Gebiet einem bemannten Kampfflugzeug vorzuziehen ist, weil deren Einsatz die Pilotinnen und Piloten nicht gefährdet. Allein das senkt die Schwelle für einen Einsatz. Bewaffnete Drohnen führen zu mehr getöteten Zivilistinnen, versetzen die Zivilbevölkerung in den Einsatzgebieten in eine ständige Angst und befeuern sowohl bei den Pilotinnen und Piloten als auch der Zivilbevölkerung im Einsatzland traumatische Belastungsstörungen. DIE LINKE ist strikt gegen die Bewaffnung von Drohnen. Dies gilt für die jetzige Heron TP oder die als bewaffnete Drohne geplante Eurodrohne. Nur ein Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr bedeutet wirklichen Schutz für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Dafür wird DIE LINKE weiter streiten – innerhalb und außerhalb des Bundestags.

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