Der lange Marsch zur gemeinsamen Bewegung

Eigentlich sind beim Women’s March alle gegen Trump, trotzdem gibt es Streit. Warum? Kübra Çığ begibt sich auf die Suche.

Als Teresa Shook aus Hawaii in der Nacht von Trumps Wahlsieg eine Facebook-Veranstaltung erstellte, erwartete sie nicht, dass sie am nächsten Morgen über 12.000 Zusagen bekommen würde. Die Idee war simpel: am Tag von Trumps Amtseinführung sollte es eine Anti-Trump-Demo geben. Der „Women’s March on Washington” am 21. Januar war die größte Demo ihrer Art und hat ein imposantes Bild der weltweiten Solidarität für und unter Frauen geprägt. Die Botschaft war klar: Wir werden nicht stillschweigend hinnehmen, dass unsere Rechte eingeschränkt werden. Wir werden die Angriffe auf unsere Körper, unsere Hautfarbe, Herkunft, Religion, sexuelle Identität und Orientierung, unsere Krankheiten und Behinderungen und unsere Umwelt nicht zulassen.
Doch vom ersten Post der Initiatorin bis zum Abbau des letzten Podests auf der Demoroute war der Sinn und Zweck der Bewegung umkämpft – selbst noch danach gingen die Auseinandersetzungen weiter. Berichte über die Initiatorin redeten von einer „Großmutter aus Hawaii” und reduzierten Teresa Shook auf ihre Mutterrolle, obwohl sie Ideenstifterin für ein so großes Event ist. Viele Mainstream-Medien nahmen die Demonstration nur in dem Maße wahr, in dem weiße Prominente daran teilgenommen haben.

Auch innerhalb der Bewegung gab es keine Einigkeit über die Themen, die stark gemacht werden müssten. Bei einer Demo, die so viele Menschen und Themen anspricht, gehen die Meinungen selbstverständlich etwas auseinander. Doch von einer dezidiert feministischen Organisation ist auch zu erwarten, dass mit Dissens und Kritik anders umgegangen wird. Der erste Disput war über den Titel der Veranstaltung. Der ursprüngliche Name war “The Million Women March”. Schwarze Aktivistinnen haben zu recht darauf hingewiesen, dass dies der Titel einer Demo von schwarzen Frauen aus dem Jahr 1997 ist und dass diese Titelwahl die Geschichte der schwarzen Frauen vereinnahme und unsichtbar mache. Bei einer Google-Suche käme dann nur die neue Demo von 2017. Daraufhin wurde der Titel “Women’s March on Washington” vorgeschlagen. Doch auch dieser Titel erinnerte zu sehr an die 1963’er Civil Rights Demo “March on Washington”. Die erneute Kritik wurde allerdings vom nationalen Orga-Team abgeschmettert, dass die Bewegung durch die zweite Namensänderung unentschlossen wirken würde. Trotz der ursprünglichen Begeisterung über eine gemeinsame Großdemo, war nach 400 Jahren Geschichte der Sklaverei das Vertrauen schwarzer Frauen an eine Allianz mit weißen Frauen ohnehin nicht groß – auch da diese mehrheitlich Trump gewählt haben. Hinzu kam eine Aneignung einer schwarzen Befreiungsbewegung, die mit dem Versuch vergleichbar ist, die „Black Lives Matter“-Bewegung in „All Lives Matter“ umzubenennen. Hier wäre die Folge eine Bagatellisierung der ursprünglichen Botschaft gegen die Polizeigewalt an Schwarzen gewesen.
Das Orga-Team des Women’s March on Washington warf den schwarzen Aktivistinnen Spaltung vor und brachte sie zum Schweigen, indem sie ihre kritischen Kommentare auf Facebook löschten. Auch wenn daraufhin Organisatorinnen von Schwesterdemos aus Protest zurücktraten, zeigt dies die Dominanz weißer Feministinnen in der Organisierung. Erst nach und nach nachdem schwarze und farbige Aktivistinnen Druck gemacht hatten holten sich die weißen Feministinnen Frauen mit diverser Herkunft ins Boot .
In der neuen Zusammensetzung des Teams haben etwa 20 Frauen zwischen November und Januar eine Organisationsarbeit geleistet, die normalerweise sechs bis zwölf Monate dauern würde. Während Glamourzeitschriften die Zusammenarbeit des sich vorher nicht kennenden Orgateams zurecht lobten, fanden jedoch die Stimmen der Frauen, die von mehreren Unterdrückungsformen betroffen sind, in den Mainstreammedien kaum Beachtung. So wurden auch die rosa Pussyhats als nicht inklusiv genug kritisiert. Es entstand als eine Reaktion auf Trumps Worte „to grab them by the pussy“. Transfrauen und Frauen of Color haben darauf verwiesen, dass nicht alle Frauen eine Vulva haben, nicht alle Vulvas rosa sind. Feminismus darf marginalisierte Frauen nicht unsichtbar machen.
Andere Aktivistinnen haben bei der Demonstration angeprangert, dass der Klassenbezug allzu sehr in den Hintergrund rückte. Weiterhin wurde auf vielen Schwesterdemos in anderen Städten die Notwendigkeit barrierefreier Partizipation von Menschen mit körperlichen Behinderungen kaum berücksichtigt.
Bei all diesen Auseinandersetzungen wird jedoch nicht aus den Augen verloren, dass der antifeministische, rassistische Rollback in den USA und in Europa gerade erst am Anfang steht. So werden in den nächsten Jahren neuere, größere, alle Betroffenengruppen einschließende Demos und Aktionen überall auf der Welt notwendig sein. Um es mit Beyoncé zu sagen: Ok ladies, now let’s get in formation!

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