Stathis Kouvelakis

Der Kampf gegen Austerität ist unmöglich im Euro – Im Gespräch mit Stathis Kouvelakis

Am vergangenen Samstag fand in Griechenland ein Generalstreik gegen eine von der griechischen Regierung geplanten Rentenreform statt. Wir haben mit Stathis Kouvelakis, Gründungsmitglied von Laiki Enotita (Volkseinheit), Politikwissenschaftler am King’s College in London, über die Ursachen des Generalstreiks, das Scheitern der SYRIZA-Regierung und die Alternativen zur Austeritätspolitik.

Die Freiheitsliebe: Vor wenigen Tagen fand in Griechenland ein Generalstreik statt, was war der Auslöser?

Stathis Kouvelakis: Der Generalstreik richtete sich gegen die Rentenreform, die die Regierung gerade im Parlament durchsetzen will. Die Folgen sind relativ deutlich, die Renten würden um 30 Prozent sinken. Es wäre auch kein Rentensystem mehr, das auf Solidarität basiert, sondern auch Individualität. Es ist eine klar neoliberale Reform. Dazu muss man sagen, dass die Renten in den letzten Jahren schon deutlich gesunken sind. Für hunderttausende Haushalte in Griechenland sind Renten allerdings überlebensnotwendig, da sie das einzige wirkliche Einkommen darstellen, da die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist. Es geht für viele damit wirklich um eine Frage von Leben und Tod.

Die Freiheitsliebe: Die aktuelle Regierung wird von SYRIZA, einer linken Partei, gestellt. Warum setzen sie solche Reformen durch?

Stathis Kouvelakis: SYRIZA hat letzten Sommer ein Memorandum mit den Schuldnern abgeschlossen, was harsche Kürzungen fordert. SYRIZA wurde gewählt als Antwort auf die Austerität, nur 7 Monate später, nach einem klaren Votum gegen die Austeritätspolitik, verpflichtete sich die Regierung die Politik, gegen welche sie angetreten war, durchzusetzen. Das ist der Grund warum SYRIZA als linke Partei zerstört ist. Zehntausende Aktivisten verließen danach die Partei; die Folge war die Gründung eines neuen Parteienbündnisses, der Volkseinheit, die ich mitgegründet habe.

Die Freiheitsliebe: Du bist einer der Gründer der Volkseinheit (LAE). Was unterscheidet diese von SYRIZA?

Stathis Kouvelakis: Die Volkseinheit ist keine Partei, sondern ein Bündnis von Organisationen, das die Austerität entschieden ablehnt und in Widerstand gegen SYRIZAs Austeritätspolitik gegründet wird. Die Mitgliedsorganisationen stammen sowohl aus SYRIZA, allerdings nicht aus der linken Plattform, sondern auch aus anderen Gruppen von SYRIZA, sowie anderen linken Organisationen, wie zwei ehemalige Organisationen aus Antarsya. Unser Ziel ist es Organisationen zu vereinen, die die Austerität und SYRIZAs Kapitulation, sowie den Euro ablehnen. Sie alle teilen das Ziel einer sozialistischen Gesellschaft.

Die Freiheitsliebe: In Deutschland wurde LAE vor allem als Anti-Europartei dargestellt, welche Ziele hat die Volkseinheit noch?

Stathis Kouvelakis: Der Bruch mit dem Euro ist kein ideologisches Dogma. Wir haben in Griechenland gesehen, dass der Kampf gegen Austerität bei gleichzeitigem Festhalten am Euro unmöglich sind. Der Euro wurde als Waffe gegen uns benutzt. Die erste Lehre für uns war daher, es ist nicht möglich mit der herrschenden Politik zu brechen, wenn man am Euro festhält. Die zweite Lehre war, dass es notwendig ist, Arbeit in den Parlamenten mit Massenprotesten zu verbinden und einer Mobilisierung auf den Straßen zu verbinden. SYRIZAs Aufstieg ist natürlich eine Folge der Massenproteste, allerdings braucht es eine dauerhafte Unterstützung von Protesten und Bewegungen. Wir sahen das während des Referendums, trotz des dramatischen Zustands, während dem Banken geschlossen waren und die Menschen kein Geld hatten, führte die Bewegung zum Sieg beim Referendum und einer Radikalisierung einiger Bereiche der Bevölkerung.

Der dritte Punkt ist, dass wir politische Instrumente brauchen, die hinreichend sind für unsere Ziele. Wir unterstehen, dass es Limitationen gab im Aufbau von SYRIZA, der vor allem in der fehlenden Strategie deutlich wurde. Eine strategische Klarheit ist daher unverzichtbar für eine Organisation der radikalen Linken.

Die Freiheitsliebe: Die Generalstreiks und die Bewegung für Flüchtlinge zeigen, dass es ein Anwachsen der Protestbewegung gibt, inwiefern ist LAE teil davon?

Stathis Kouvelakis: Als erstes müssen wir feststellen, dass die Situation der Bewegung relativ schwierig ist nach der Kapitulation. Dies führt dazu, dass die Menschen Hoffnung verloren haben, da sie der Meinung sind, dass sie alles probiert haben in dutzenden Generalstreiks, den Platzbesetzungen und der Wahl einer Partei, einer radikalen Partei, und nun trotzdem vor neuen Sparpaketen stehen. Viele fühlen nun, dass die Demokratie nicht funktioniert und die Politik sie eh nur belügt. Wir müssen daher Bewegungen aufbauen um dieses Gefühl zu überwinden.

LAE ist sehr aktiv in den Bewegungen, was auch daran liegt, das LAE nahezu den kompletten ehemaligen SYRIZA Gewerkschaftsbereich in ihren Reihen hat. Auch in der Bewegung für Flüchtlinge waren wir sehr aktiv, wir haben dafür einen eigenen Bereich in LAE, viele bekannte Antirassisten sind Teil davon. Es ist aber auch klar, dass unsere Kräfte nicht hinreichend sind und die Gewerkschaften in einer schwierigen Situation sind, da sie weiterhin von der Bürokratie kontrolliert werden. Positiv ist dagegen, dass die Bewegung für Flüchtlinge es geschafft hat, rassistische Diskurse zu brechen und Solidarität mit Flüchtlingen zu verbreiten.

Die Freiheitsliebe: Abschließend: Was kann die deutsche Linke tun, um die Antiausteritätbewegung zu unterstützen?

Stathis Kouvelakis: Es braucht jetzt in Deutschland und der EU eine wirkliche Debatte über Alternativen; das ist die Debatte um den Plan B. Plan B meint, dass wir in den existierenden Strukturen der EU keine wirkliche Antiausteritätspolitik machen können. Plan B meint, dass wir die Institutionen der EU und des Euros angreifen müssen, wenn wir die neoliberale Politik beenden wollen. Es gab in Madrid und Paris Konferenzen zum Plan B, an der große Teile der radikalen Linken teilnahmen. Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist, richtige Antworten aus dem Scheitern in Griechenland ziehen müssen. Diese Lehren bedeuten, dass es keine Veränderung in der EU geben kann, es internationale Abstimmung der radikalen Linken braucht, eine programmatische Alternative und dafür natürlich Straßenbewegungen.

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