In den 20er und 30er Jahren gab es in vielen Teilen der Welt stärker werdende rassistische Vorurteile. Auch in den USA, dort stellte sich die kommunistische Partei diesen entschieden entgegen. Loren Balhorn zeichnet den Kampf der amerikanischen Kommunisten gegen Rassismus innerhalb der Arbeiterklasse nach.
Dem Marxismus wird oft vorgeworfen, dass er nicht in der Lage sei, Unterdrückung (Rassismus, Sexismus, Homophobie usw.) ausreichend zu erklären oder zu bekämpfen. Oft hört man (zum Beispiel in Uni-Seminaren, wo dem Autor selbst mehrmals dieser Vorwurf gemacht wurde), dass sich der Marxismus auf den »Hauptwiderspruch« der Klasse konzentriere und die Unterdrückung als »Nebenwiderspruch« sehe, der sich erst nach der Revolution klären wird. Als erstes sollte festgehalten werden, dass bei Marx und Engels (und Lenin, Luxemburg, Trotzki usw.) die Formulierung »Haupt- und Nebenwiderspruch« nicht auftaucht. Diese schematische Vorstellung wurde später in den marxistischen Diskurs eingebracht, vermutlich von Mao,1 und dann von maoistisch-inspirierten Gruppen im Westen aufgegriffen und verbreitet. Im Zuge der politischen Auseinandersetzungen der 1970er und 1980er Jahre wurde das Klischee des Haupt- und Nebenwiderspruchs immer stärker mit dem Marxismus an sich assoziiert. In einem gewissen Sinne ist also diese Kritik völlig unberechtigt, weil sie eben die Eigenschaften einer (beinah ausgestorbenen) Strömung des Marxismus für den Marxismus insgesamt verallgemeinert. Doch der Vorwurf lebt auch weiter, weil eben nicht alle, die sich als »Marxisten« bezeichnen, bereit sind, konsequent alle Formen der Unterdrückung zu bekämpfen. Dennoch finden wir in der Geschichte unserer Bewegung eine reiche Tradition an Denkern und Kämpfern, die allen Formen der Unterdrückung eine konsequente Kampfansage erteilten und ihren Marxismus darauf ausrichteten. Diese Traditionen geben dem Marxismus ein solides Grundgerüst, auf dem wir aufbauen können.
Debatten über das Verhältnis zwischen Ausbeutung und Unterdrückung und darüber, wie Revolutionäre sich dazu positionieren, wurden zur Gründungszeit der Kommunistischen Internationale weltweit geführt. Obwohl ihre Aktionen fast 100 Jahre zurückliegen und natürlich in vielen Facetten nicht mehr aktuell sind, waren sie die ersten, die die Grundlagen für die marxistische Theorie heute legten. Am Anfang des 20. Jahrhunderts gab es keinen Konsens unter Marxisten, wie die Bewegung mit Rassismus umgehen solle. Obwohl Rassisten innerhalb der sozialistischen Bewegung immer eine kleine Minderheit waren, gab es in der Tat eine Tendenz, die Abschaffung des Rassismus mit der Revolution als gelöst anzusehen, und es existierten relativ wenig unabhängige Theorien oder gar eine praktische Bekämpfung des Rassismus. Erst in der Zeit um und nach der russischen Revolution wurden Fragen von nicht ökonomischer Ausbeutung verstärkt thematisiert und neue Perspektiven entwickelt; dabei spielte Lenin eine wesentliche Rolle.
Kein Land war so stark von diesen Debatten betroffen wie die Vereinigten Staaten. Wegen der Größe ihrer schwarzen Bevölkerung, dem Erbe der Sklaverei und der daraus folgenden Intensität des gesellschaftlichen Rassismus wurden Kommunisten dort viel mehr mit dieser Frage konfrontiert als in den Ländern Westeuropas. Schwarze litten unter immenser Repression, rassistischer Unterdrückung und ökonomischer Überausbeutung, während viele weiße Arbeiter die rassistische Ideologie der herrschenden Klasse in ihren Köpfen trugen. Der Weg der Kommunisten dort, von einem einzigen schwarzen Mitglied bei der Gründung auf 7.000 in 1938 zu kommen, bietet auch heute noch viele interessante Lehren. Keine historische Erfahrung kann eins zu eins übertragen werden, vor allem wenn so viel Zeit und Raum zwischen damals und heute liegt. Doch ein Bewusstsein dafür zu entwickeln ist zwingend notwendig, um vergangene Fehler nicht zu wiederholen, hilfreiche Lehren beizubehalten und die heutigen Debatten mit historischen Hintergründen und Perspektiven zu beleuchten.
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