Aufbruch: Österreichs Linke organisiert sich im Kampf gegen Ungerechtigkeit – Im Gespräch mit Barbara Stefan

In den meisten Ländern Mittel- und Nordeuropas findet ein Rechtsruck statt, auch weil eine kämpferische Linke fehlt oder zu schwach ist. Auch Österreich rückt nach rechts, weswegen sich verschiedene linke Gruppierungen und Einzelpersonen im Aufbruch organisiert haben. Wir haben mit Barbara Stefan, Beteiligte an den Vorbereitungen der Aufbruchkonferenz, über die Situation der Linken, die Ziele und aktuelle Pläne des Aufbruch gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Anfang des Monats fand in die Wien die Aufbruch-Konferenz statt, kurz nach den Präsidentschaftswahlen, war es eine Reaktion auf den Rechtsruck?

Barbara Stefan: Der Rechtsruck ist Ausdruck einer ungerechten Politik der Ungleichheit, die zu einer tiefen sozialen Spaltung in Österreich führt und den Alltag der Menschen bestimmt. Arbeitslosigkeit, steigende Mieten, Zweiklassenmedizin, prekäre Beschäftigungsverhältnisse führen bei vielen Menschen zu Überforderung, berechtigten Abstiegs- und Existenzängsten. Während das Vermögen in den Händen einer kleinen Elite wächst, wird der Rest der Menschen von einem ständigen Gefühl der Unsicherheit begleitet. Dieser Zustand ist Resultat einer rechtskonservativen Politik, die anstatt auf Umverteilung und Solidarität zu setzen, Krisen inszeniert („Bankenkrise“, „Flüchtlingskrise“), die soziale Kürzungen und steigende Ausgaben in Sicherheit legitimieren sollen. Zur Legitimation spaltet sie Menschen künstlich in Gruppen und hetzt sie dann gegeneinander auf. Indem Aufbruch die soziale Frage in den Mittelpunkt setzt, in welcher Frauen, MigrantInnen und Asylsuchende selbstverständlich als Gleiche gelten müssen, stellt sich unsere Bewegung gegen einen Rechtsruck und gegen eine Politik, die diesen verursacht.

Die Freiheitsliebe: Was wurde bei der Konferenz, an der über 1000 Aktive teilnahmen, diskutiert?

Barbara Stefan: Die Konferenz war der Start einer Organisierungskampagne der Linken, die Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenbrachte. Zentrales Thema war die tiefe soziale Ungerechtigkeit, die in Österreich herrscht und gegen die wir uns zur Wehr setzen wollen. Auf der Konferenz wurden sowohl erste Vorschläge für eine solche Kampagne diskutiert als auch Pfade gelegt, um diese über einen Zeitraum von etwa einem Jahr weiterzuentwickeln. Das bedeutet, dass sich die TeilnehmerInnen einerseits in unterschiedliche inhaltliche Arbeitsgruppen zu Themen wie Arbeit, Wohnen, Reichtum oder Gesundheit, andererseits in regionale Arbeitsgruppen zusammenschlossen.

Die Freiheitsliebe: Wie lief die Vorbereitung, wer war beteiligt?

Barbara Stefan: In die Vorbereitung waren etwa 100 Menschen aus ganz unterschiedlichen Richtungen beteiligt: soziale Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien, NGOs, migrantische, feministische Organisationen als auch viele Privatpersonen. Das erste Ziel war es, 300 Personen zur Konferenz zu mobilisieren. Jedoch übertrafen sowohl BesucherInnenzahlen der ersten regionalen Treffen sowie Online Konferenzanmeldungen bereits in der Vorbereitungsphase alle Erwartungen. Ich finde, es ist uns sehr gut gelungen, den über 1000 BesucherInnen sowohl kleinteiligen Austausch als auch große Runden und Diskussionsräume für verschiedene Inhalte zu bieten und einen kollektiven Organisationsprozess anzustoßen.

Die Freiheitsliebe: Verschiedene Medien haben darüber berichtet und es als Anstoß für eine neue Linke in Österreich beschrieben, war es das?

Barbara Stefan: Ja. In Zukunft müssen jedoch noch viel mehr Menschen mobilisiert werden. Nur gemeinsam sind wir stark im Auftreten für soziale Gleichheit und gegen soziale Ungerechtigkeit. Dafür müssen alle Menschen, die sich bisher für diese Ziele in unterschiedlichen Organisationen politisch engagiert haben, zusammenarbeiten und neu politisierte Menschen erreicht werden. Dafür ist es auch notwendig, einzugestehen, dass die Ideen der Sozialdemokratie und der „grünen Wohlfühlpolitik“ im Kampf gegen den Kapitalismus gescheitert sind. Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit lässt sich nicht versöhnen. Wir müssen über neue, gerechte Formen der gesellschaftlichen Organisation nachdenken.

Die Freiheitsliebe: In welchem Zustand befindet sich die Linke, dass es einen Aufbruch braucht?

Barbara Stefan: Die Linke ist in Österreich momentan in vielen verschiedenen Projekten und Initiativen aktiv. Es gibt bereits viele Allianzen und Kooperationen, jedoch ist die Linke als solche bisher nicht organisiert und damit momentan politisch fast bedeutungslos. Deswegen ist ein gemeinsamer Aufbruch auch so wichtig.

13435348_297082360679868_2160847994786614244_nDie Freiheitsliebe: Ihr habt die Kampagne „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“ beschlossen, worum geht es genau, was ist euer Ziel?

Barbara Stefan: Der Slogan spricht das zentrale Problem unserer Gesellschaft an: die ungerechte Verteilung von Vermögen und Eigentum. Während die einen immer reicher werden, leidet die breite Masse unter teurer werdenden Lebenshaltungskosten, Kürzungen von Sozialleistungen, Abbau von Arbeitsrechten, unmenschlicher werdenden Arbeitsbedingungen, Arbeitslosigkeit, sinkenden Reallöhnen, steigenden Mietpreisen usw. Das Geld, das den einen fehlt, verschwindet nicht, sondern wird über den täglichen Konsum, Finanz-, Budget-, Steuer- und Sozialpolitik in die Hände weniger Privilegierter umverteilt.
Der Slogan polarisiert. Er stellt die Eigentumsfrage und wir haben bei der Konferenz auch viel Kritik dafür bekommen. Viele empfanden es als problematisch, dass er auf Einzelpersonen abzielt und nicht das eigentliche Problem, die Konzentration von Kapital, anspricht. Ich finde jedoch, dass er genau das tut. Er regt auf, er regt damit zum Nachdenken an und er verdeutlicht, dass die soziale Frage kurzfristig nur über eine Umverteilung von oben nach unten gelöst werden kann. Mittel- und längerfristig müssen wir über eine neue sozial gerechte, ökologisch nachhaltige Produktions- und Lebensweise nachdenken, die für alle gleichermaßen ein gutes Leben ermöglicht, auch für Reiche.

Die Freiheitsliebe: In verschiedenen Beiträgen wurde erhofft, dass diese Konferenz auch zu einer neuen Partei führen könnte, hältst du das für sinnvoll?

Barbara Stefan: Die Frage, ob eine Parteigründung eine sinnvolle Strategie zur Durchsetzung unserer Forderungen ist, beschäftigt die Menschen bei Aufbruch. Grundsätzlich ist es richtig, dass diese in der österreichischen Parteienlandschaft fehlt. Darüber hinaus betreiben derzeit fast alle Parteien im Nationalrat eine sich verschärfende neoliberale, rechtskonservative Politik. Jedoch ist eine Partei nicht die einzige Möglichkeit, linke Politik zu betreiben. Politik findet nicht ausschließlich im Parlament statt, sondern auch in den Medien, auf der Straße, in Unternehmen oder in der Familie und im privaten Leben. Selbst wenn wir uns also zu einem späteren Zeitpunkt für eine Partei entscheiden, muss sie für ihren Erfolg auf einer breiten Bewegung fußen und darf deswegen nicht die einzige politische Strategie sein. Ich persönlich befürworte eine Parteigründung, jedoch muss diese gut geplant und strategisch vorbereitet werden.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.
Barbara Stefan ist am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien angestellt und arbeitet gegenwärtig an ihrem Dissertationsprojekt, das sich mit der Rolle von sozialen Bewegungen in Österreich auseinandersetzt. Politisch ist sie seit einigen Jahren bei Attac Österreich aktiv und engagiert sich seit April 2016 bei Aufbruch.

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5 Antworten

  1. Da ist es wieder, das große Missverständnis. Ursache für den vermeintlichen Rechtsruck ist nur zu einem geringen Anteil die soziale Misere, in der manch ein Rechtswähler stecken mag. Hauptursache ist die Kulturrevolution die seitens Parteien der Mitte und aus dem selbsternannten „linken“ Spektrum seit 2 Jahrzehnten über die Bevölkerung gestülpt wird. Wenn die selbsternannte „Linke“ das nicht bergeifen will, wird sie scheitern.

    Ganz unabhängig von der Nationalität geht es vielen Menschen gehörig auf die Nerven immer die „bunte“, theoretisch noch nicht einmal im Ansatz beschriebene, geschweige denn gelebte Gesellschaft von „linken“ Kräften aufgetischt zu bekommen. Soziale Gerechtigkeit ist schon lange kein Hauptthema der „linken“ Kräfte. Menschen, die mehr sozialen Ausgleich wollen, aber mit dem propagierten „Familien“bild und den kulturellen Vorstellungen der selbst ernannten „linken“ Kräfte nichts anfangen können, stellt sich die FPÖ durchaus als Alternative dar. Die selbsternannte „Linke“ ist alles mögliche, aber nicht links im Sinne des Anstrebens einer sozial gerechteren, sozusagen sozialistischen Republik. Die aktuellen selbsternannten „Linken“ sind die Verteidiger der kapitalistischen Ökonomie. Als Zuckerl gibt es Gender-Mainstreaming und Homosexuellen-Gleichstellung im Fanmilien- und Erbrecht. Dankschön auch.

    1. Bitteschön auch. Die Steinzeitlinke die Sie sich erträumen wird es nicht geben. Und da wo es sie gibt (da gibt es ein Industrietal in Österreich) bleibt sie völlig isoliert und überlebt nur als solche weil junge Menschen in Scharen nach Wien/Graz/Linz flüchten.

      1. Die „jungen Menschen“ werden sich in wenigen Jahren umschauen, was es so in Graz, Wien, Linz hat. Ich glaube kaum, dass es für die dortigen „jungen Menschen“ dann immer noch um die „Buntheit“ der Gesellschaft geht.

        Der „Steinzeitlinken“ haben diese jungen Menschen es übrigens mehrheitlich zu verdanken, dass es ihnen mindetsens materiell ganz ordentlich geht. Dadurch, dass die Steinzeitlinken klar in der Minderheit sind, werden die Ergebnisse des 150-jährigen Kampfes Stück für Stück in Wohlgefallen aufgelöst. Der Prozess wird sich mit der nächsten Wirtschaftskrise ungeahnt beschleunigen. Tja, dann wäre es vielleicht nicht von Übel, wenn es den einen oder anderen Steinzeitlinken noch hätte.

        Die jungen „linken“ Menschen begreifen möglicherweise nicht viel. Zusammenhänge erkennen und entsprechend zu handeln scheint mir deren Stärke nicht zu sein.

    2. als linker gebe ich p.frei darin recht, daß heutige linke längst mit der „eigenen“ Arbeiterklasse nichts mehr am hut haben; und daß eine bereits marginalisierte radikale linke dann völlig verschwinden wird, wenn mit „bunter Republik“ die Islamisierung und unbegrenzte Einwanderung gemeint ist.
      jemand von der FPÖ hielt mal eine rede gegen den rauswurf von obdachlosen aus Einrichtungen die jetzt mit Asylanten gefüllt werden; eine rede wie ich sie mir von einem linken gewünscht hätte.
      wo ich eure konservative Kritik jedoch nie verstehen kann, ist euer familienbild vater/mutter/Kind, das weder seit ewigen Zeiten existierte noch gottgegeben ist. bei gendermainstreaming mag überzogen werden (habe mich nicht genauer damit beschäftigt- gibt wirklich wichtigeres) aber was habt ihr denn immer alle gegen schwule? (als wenns unter konservativen keine gäbe). läßt doch jeden leben und lieben wie er bzw. sie möchte!

      1. Die entscheidende Frage ist, ob man noch als „Linker“ gelten kann, wenn man die Ehe für Homosexuelle mit gleichen steuerrechtlichen und sonstigen Konsequenzen und ein Adoptionsrecht für Homsoexuelle ablehnt.
        Ist man heute noch links, wenn man nicht die Meinung vetrtitt, dass die korrekte merhgeschlechtliche Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung (am besten inklusive sogenannter Transsexueller) in einem Dokument wichtiger ist als der Inhalt?

        Nein, dann ist man heute nicht links – analog zu einer Ablehnung unkontrollierter Masseneinwanderung insbesondere aus dem islamisch geprägten Staaten.
        Solche „Linke“ sind per Definition der zeitgenössischen Linken eben rechts oder vielleicht gar Faschisten oder eben Nazis.

        Die Linke hat mit ihren Ursprüngen nichts mehr zu tun. Die heutige Linke glaubt fest daran, dass es Klassenkampf nicht mehr gibt und der liebe Gott per Dekret die Klassen abgeschafft hat.

        Nach Ansicht der heutigen Linken gibt es eben wichtigere Themen als soziale Gerchtigkeit oder gar eine Entwicklung der Gesellschaft in eine sozialistische Richtung. Die heutige Linke mag es halt lieber bunt ohne genau darzulegen, was damit gemeint ist. Gilt für die Piefkes und die „besseren Deutschen“ gleichermaßen.

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