15 Jahre nach 9/11 – Eine Bilanz

15 Jahre sind vergangen seit den Anschlägen von 9/11 und dieses Ereignis hat die Welt nachhaltig geprägt und umgewälzt. Allen voran das Leben in Teilen des ‘‘Mittleren Ostens‘‘ hat sich schlagartig verändert, aber auch dasjenige im Westen, vor allem für Menschen mit muslimischem Hintergrund oder orientalischen Wurzeln, die seitdem immer stärkerem Alltags- und institutionellem Rassismus ausgesetzt sind. Die etwa 3.000 Toten in den USA sind fatal, aber nicht gerade außergewöhnlich im Verhältnis zur Zahl der Opfer anderer Anschläge und Kriegsakte. Dennoch gehören die Folgen der Attentate von 9/11 zu den verheerendsten seit dem Ende des 2. Weltkrieges.

Denn wenn das mächtigste Imperium der Weltgeschichte angegriffen wird, dann hat das natürlich auch dementsprechend gravierende Konsequenzen. 9/11 diente als Vorwand für eine Reihe von US-geführten Angriffskriegen und markiert auch den Beginn eines flächendeckenden Abbaus der Bürger- und Menschenrechte im Zuge der Verabschiedung des Patriot Acts und ähnlicher Gesetze in Europa, die den Überwachungsstaat ein großes Stück näher gebracht haben.

Dass die offizielle Version über 9/11 nicht stimmt liegt zwar nahe. Ob es allerdings ein ‘‘Inside Job‘‘ war, ob die Geheimdienste und ein Teil des politischen Establishments der USA die Anschläge wissentlich haben gewähren lassen oder das ganze ein Versagen der Sicherheitsbehörden offenbart, ist unter Experten umstritten. Unbestritten ist jedoch, dass die Interventionskriege und die Eroberung Afghanistans (2001) und Iraks (2003) als Antwort auf 9/11 eine gesamte Region ins unermessliche Chaos stürzte. Erinnern wir uns, was nach den Anschlägen geschah: Die USA haben als Reaktion auf 9/11 Afghanistan bombardiert und die Taliban entmachtet, da diese den vermeintlichen Drahtzieher Osama Bin Laden beherbergten. Das ist in etwa so, wie wenn Irak England den Krieg erklärt, zehntausende Zivilisten ermordet und die britische Regierung beseitigt, weil sie den Kriegsverbrecher Tony Blair nicht herausrücken wollen. Obwohl 15 der vermeintlichen Terroristen von 9/11 aus Saudi-Arabien stammen, hatte dies keinerlei Konsequenzen für das Land, da Saudi-Arabien bekanntermaßen der wichtigste arabische US-Verbündete in der Region ist.

Nachdem Afghanistan erobert wurde, griff die USA den Irak an. Präsident Bush hatte den Krieg 2003 ohne UN-Mandat durchgeführt. Der angegebene Kriegsgrund war eine Lüge des irakischen BND-Agenten Rafed Ahmed Alwan alias „Curveball“, der heute in Halle lebt und eine Geschichte über Biowaffen-Labore Saddam Hosseins in die Welt setzte.[1] Das war eine Erfindung, wie „Curveball“ inzwischen öffentlich im Fernsehen bestätigte. Dass es schon damals keine stichfesten Beweise gab interessierte weder die CIA noch George W. Bush oder Colin Powell, die damals händeringend nach einer Legitimation für den Einmarsch suchten. Aber der Krieg gegen Saddam wurde auch mit der Begründung geführt, dass er mit al-Qaida zusammenarbeiten würde, obwohl eindeutig belegt war, dass sie miteinander befeindet waren. Im Gegenteil, al-Qaida ging sogar aus den Mujaheddin hervor, die erst durch US-Unterstützung entstanden sind, um die Sowjets aus Afghanistan zu verjagen.

Zwischen 2001 und Ende 2014 starben zwischen 1,3 und 2 Millionen Menschen in Afghanistan, Irak und Pakistan als Folge der von den USA und NATO angezettelten Kriegen in der Region.  Menschen, die durch mangelnde medizinische Versorgung und Hunger in Afghanistan den Tod finden, durch Verletzungen und Brandwunden, Uran- und Chemiewaffen später noch einen qualvollen Tod erleiden oder lebenslang behindert sein werden, wurden dabei noch nicht einmal mit eingerechnet.[2] Wenn wir davon ausgehen, dass jede*r dieser Toten etwa 10 Familienmitglieder und Personen aus dem engeren Freundeskreis besitzt, bedeutet dies, dass über 10 Millionen Menschen Angehörige verloren haben, die sie geliebt haben. Die Wut dieser Menschen auf die US-Besatzer und NATO-Verbündeten ist dabei wohl unvorstellbar groß.

Der renommierte Journalist Seymour Hersh hat 2015 einen Artikel veröffentlicht, in dem er behauptet, dass Osama bin Laden seit 2006 in Abbotabad vom pakistanischen Militär gefangen gehalten und der damals kranke Bin Laden 2011 von US-Kräften kaltblütig massakriert wurde, ohne sich bei der Razzia gewehrt zu haben. Der Zeitpunkt des US-amerikanischen Überfalls auf Bin Laden war dabei äußerst gut gewählt, da er ca. 1 ½  Jahre vor den Präsidentschaftswahlen stattfand und maßgeblich zu Obamas Wiederwahl beitrug. Wusste die Obama-Administration also schon länger darüber Bescheid, dass sich Bin Laden in Pakistan aufhielt und hat nur auf den richtigen Moment gewartet ihn zu ermorden?[3] Wie dem auch sei, die Kriege in Afghanistan und besonders die Bombardierung und Eroberung Iraks, die den Nationalstaat in ein Chaos ungekannten Ausmaßes und bis dahin nie dagewesenes Leid gestürzt haben, sind eines der Hauptursachen für die Entstehung des ‘‘Islamischen Staates‘‘ und das Erstarken des religiösen Extremismus und militanten Islamismus von Ost bis West. Die Anschläge von 9/11, die staatsterroristischen Interventionskriege in Afghanistan und Irak sowie das daraus resultierende Leid für die Zivilbevölkerung sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gleichzeitig ein fruchtbarer Nährboden für die heutige Renaissance reaktionärer Ideologien. Die beiden Angriffskriege waren die schlimmstmögliche Antwort auf die Anschläge von 9/11 und haben im ‘‘Mittleren Osten‘‘ 1000 Mal mehr zivile Opfer verursacht als die Anschläge von 9/11. Der 11.9.2001 wird in Zukunft vor allem als ein Tag in die Geschichte eingehen, an dem als Antwort auf die Anschläge in den USA, große Teile des ‘‘Mittleren Ostens‘‘ mit Krieg und Leid übersät wurden, von dem sich vor allem der Irak bis heute nicht erholen konnte, sondern in immer tieferes Leid und Elend stürzt.

[1] Siehe den Dokumentarfilm vom Matthias Bittner: Krieg Der Lügen (2015)

[2] http://www.psr.org/assets/pdfs/body-count.pdf; http://www.middleeasteye.net/columns/unworthy-victims-western-wars-have-killed-four-million-muslims-1990-39149394.

[3] Seymour M. Hersh: ‚The Killing of Osama bin Laden‘, London Review of Books 37 No. 10.21 (2015), 3-12.

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