Die 17-jährige Hazal wächst im Berliner Wedding in einer konservativen türkischen Familie auf, jobbt in der Familienbäckerei, klaut gelegentlich und schreibt unmotivierte Bewerbungen. Heimlich skypt sie mit Mehmet, der in der Türkei lebt.
Sie sehnt sich nach einem selbstbestimmten Leben. In der Nacht von Hazals 18. Geburtstag, auf den sie so lange gewartet hat, liegt der fatale Wendepunkt: An der Clubtür abgewiesen – wohl wegen ausländischen Aussehens – katalysiert sich die Wut Hazals und ihrer zwei ebenfalls migrantischen Freundinnen und entlädt sich am Hassobjekt des studierenden Hipsters, der sie sexistisch anmacht. Sie treten ihn auf die Bahngleise, er stirbt, Hazal flieht nach Istanbul zu Mehmet. Ihre auf Mehmet projizierte Traumwelt eines besseren Lebens wird enttäuscht, denn dieser entpuppt sich als bekiffter Lumpenproletarier. Der Roman endet mit der Nacht des Putsches gegen Erdogan, was für Hazal allerdings nur Nebensache bleibt: Ihr individuelles Leben verläuft orientierungslos und ist durch das Delikt des Totschlags zerstört.
Fatma Aydemir schildert das migrantische Berliner Milieu in ihrem Debutroman Ellbogen in einer ungezwungenen, direkten Sprache, die vor Kraftausdrücken strotzt. Auf Political Correctness wird gepfiffen. Die Autorin versucht nicht, Mitleid oder Überlegenheitsgefühle zu erwecken – das unterscheidet das Buch vom voyeuristischen „Unterschichten-Gucken“, wie es Formate wie Frauentausch praktizieren. Dramaturgisch unglaubwürdig sind allerdings der Totschlag und die Flucht Hazals. Mehmets Mitbewohner wird kurz als engagierter Kurde angedeutet, was leider nicht näher verfolgt wird. Schade ist daher auch, dass die Protagonistin keinen Blick für die größeren politischen Zusammenhänge und kollektiven Kämpfe abseits ihres Individualismus’ entwickeln kann.