Die unbekannte Linke im Baskenland

Die baskische Linke kennen die meisten hierzulande nur durch Anschläge der ETA. Raul Zelik widerspricht in seinem neuen Buch diesem einfachen Bild und führt in die Geschichte und Praxis der baskischen Linken ein. Diese Geschichte reicht von linksradikalen Trachtengruppen bis zu einem Nationalismus, der nicht rassistisch ist, bis zu einem der größten Unternehmen Spaniens in Arbeiterhand. Als politischer Faktor ist die baskische Linke mit über 20% der Stimmen bis heute nicht aus dem Baskenland wegzudenken.

Die baskische Unabhängigkeitslinke

Der Titel des Buches ist etwas irreführend, denn Zeliks Buch behandelt nicht die gesamte baskische Linke, sondern nur die Unabhängigkeitslinke.* Diese hat eigene Parteien, gar eigene Gewerkschaften und Vereine neben der „normalen“ Linken. Sie ist eine ganz eigene, ja eigentümliche linksnationale Bewegung.

Aber die Geschichte des baskischen Nationalismus war nicht immer links. Wie die meisten nationalistischen Bewegungen entstand die baskische Bewegung im 19. Jahrhundert mit der Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse. Auch die „baskische Nation“ entstand auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache. Die baskische Sprache hat aber eine Besonderheit: sie ist mit keiner anderen Sprache auf der Welt verwandt. Ihre Verbreitung reicht ein ganzes Stück über das heutige „offizielle Baskenland“ hinaus –unter anderem bis Navarra und Südfrankreich.

Anders als andere moderne Nationalitäten hatten die Basken nie einen baskischsprachigen (Feudal-)Staat. Trotzdem hatte das Baskenland einige politische Privilegien, die erst mit der kapitalistischen Entwicklung Spaniens außer Kraft gesetzt wurden. Dagegen gründete sich eine baskische Nationalbewegung, die ebenso konservativ, patriarchal und „rechts“ war wie die meisten Nationalbewegungen eben sind.

Kampf gegen den Faschismus

Zur Zeit des spanischen Bürgerkriegs änderte sich das. Zu Beginn des Bürgerkriegs mussten sich die Organisationen der baskischen Unabhängigkeitsbewegung entscheiden für welche Seite sie kämpfen, die Faschisten unter Franco oder die spanische Republik. Anders als der Großteil der anderen Konservativen Spaniens entschieden sich die Basken für die Republik und damit für ein Bündnis mit der Linken. Doch die Faschisten gewannen den Krieg – auch mit deutscher Hilfe. Nicht zufällig bombardierten die Deutschen im Krieg das baskische Guernica (was wiederum Picasso in seinem berühmten gleichnamigen Gemälde verewigte).

Die spanischen Faschisten gingen rigide gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung vor und unterdrückten Sprache, Kultur und verboten alle Organisationen. Von der baskischen Konservativen Partei PNV spaltete sich ihre Jugendorganisation ab und ging nach links. Sie wurde unter dem Namen ETA weltberühmt. Sie bekämpfte den Faschismus – ab den 60ern auch mit Waffengewalt. Berühmt wurde die ETA als sie Francos designierten Nachfolger Luis Carrero Blanco in die Luft sprengte.

Linksradikale Trachtengruppen und eine Bewegung vom Land

Durch den Kampf gegen die baskische Sprache und Kultur stieß die Linke in eine Lücke vor und trat fortan als Bewahrerin baskischer Traditionen und Feste auf. Sie adaptierte sie und knüpfte vor allem an progressive Traditionen an. So gibt es bis heute linksradikale Trachtengruppen und auch die Volksfeste werden zum Beispiel von linken Komparsengruppen organisiert. In Deutschland wär das undenkbar. Anders als der Großteil der europäischen Linken ist die baskische Linke vor allem auf den Dörfern und im ländlichen Raum stark.

Der gemeinsame Nenner der baskischen Unabhängigkeitsbewegung ist die baskische Sprache. Die ETA legte fest, dass Baske sei, wer zum baskischen Arbeitervolk gehöre, im Land lebt, arbeitet und baskisch spricht (was selbst die meisten Basken als Zweitsprache erlernen mussten). Damit gliederte sie MigrantInnen ein und – wie Raul Zelik betont – die baskische Oberschicht aus. Damit ist der Begriff Baske nicht rassistisch aufgeladen wie etwa das deutsche Blut und Boden-Verständnis von Nation. Das zeigt sich auch im Alltag. Der wohl bekannteste baskische Fußballverein Athletic Bilbao lässt nur Basken im Team spielen – darunter aber eben auch MigrantInnen mit afrikanischen Wurzeln wie Inaki Williams.

Umfassende Bewegung und Abkehr vom bewaffneten Kampf

Zelik beschreibt die verschiedenen Organisationen und die Geschichte der baskischen Linken kurzweilig und spannend. Von den Unabhängigkeitsgewerkschaften bis zu einem der größten Unternehmen Spaniens Mondragon, das bis heute eine Genossenschaft ist. Auch den bewaffneten Kampf klammert Zelik nicht aus und versucht die Motive, Ziele, aber auch Fehler und Fehleinschätzungen kritisch zu erklären. Wenig bekannt ist, dass viele baskische Aktivistinnen bis heute im Gefängnis sitzen und sogar weit über die Hälfte der Parteiaktivisten nicht selber zur Wahl antreten dürfen. Trotzdem hat die ETA nach starken internen Auseinandersetzungen den bewaffneten Kampf aufgegeben. Schon in den 90ern war sie dazu übergegangen selbst Kommunalpolitikerinnen und manchmal auch deren Angehörige zu töten. Diese Strategie war schnell äußerst unpopulär und ließ den Rückhalt für die ETA erodieren. Heute verzichtet die baskische Unabhängigkeitslinke auf Gewalt und tritt als Bündnis EH Bildu wieder zu den Wahlen an und holt im Baskenland über 20% der Stimmen.

Spanische Linke vs. baskische Linke

Ausgeblendet bleiben in dem Büchlein aber die Schwierigkeiten der spanischen Linken. Diese ist seit dem Katalonienkonflikt massiv mit dem Problem der spanischen Autonomieregionen konfrontiert. Das stärkt die nationalistische Rechte und schwächt die Linke in Gesamtspanien. Nicht zuletzt argumentiert die spanische Linke, dass das Baskenland und Katalonien zu den reichsten Provinzen Spaniens gehören und eine Abspaltung daher unsolidarisch sei. Die Frage der Unabhängigkeit ist daher ein beständiger Zankapfel innerhalb der spanischen Linken.

Trotzdem ist das Buch von Raul Zelik äußerst lesenswert und besticht auch durch seine Kürze mit 112 Seiten im kleinen Taschenbuchformat. Zwar sind die Erfahrungen der baskischen Linken wahrscheinlich nicht übertragbar, aber anregend sind sie alle mal. Die kleine Einführung hat auch deshalb viele Leserinnen und Leser verdient.

Die Linke im Baskenland. Eine Einführung von Raul Zelik. Wien/Berlin.Mandelbaum Verlag. 2019

* Auch im Baskenland gibt es eine Sektion der kommunistischen Partei Spanien (CPE), der Izquierda Unida, eine Sektion von Podemos und regionale Sektionen der spanischen Gewerkschaften, aber um diese „klassische Linke“ geht es explizit nicht.


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