Das Finanzkapital

Seit der Bankenkrise und der darauf folgenden Weltwirtschaftskrise 2008 ist Kapitalismuskritik wieder im Kommen. Die Verantwortung für diese Krise trugen verschiedene Großbanken oder das Finanzkapital. Lucas Zeise ist mit seinem Werk Finanzkapital eine herausragende Analyse dieser Herrscher des Systems gelungen.

Laut Zeise übt das Finanzkapital die Herrschaft im heutigen Kapitalismus aus und besteht dabei aus Großbanken sowie Monopolen. Zeise orientiert sich bei seiner Analyse am Austromarxisten Rudolf Hilferding (Das Finanzkapital) und Lenin (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus).

Im ersten Kapitel wird hierbei Geld als Kredit definiert und der Ursprung des Geldes und seine Vermehrung analysiert. Dabei wird der weit verbreitete Glauben entkräftet, dass Zentralbanken (zum Beispiel die Europäische Zentralbank) selbst entscheiden, mehr Geld zu drucken. Zeise erklärt, wie die Reihenfolge tatsächlich funktioniert: Die Zentralbanken garantieren den Privatbanken ihre Zahlungsfähigkeit und ermöglichen diesen, Geldschöpfung nach eigenen Bedürfnissen zu betreiben. Dementsprechend haben Privatbanken die Macht zu entscheiden, wo investiert wird und somit auch wohin sich eine Gesellschaft ökonomisch entwickelt. Hier analysiert Zeise weiterhin, wie die Kredit- und Geldmengenexpansion die kapitalistische Akkumulation um ein Vielfaches übersteigt und so eine eigenständige Ursache für kapitalistischen Krisen ist.

Verteilung des Profits zwischen Banken und Konzernen

Um das Verhältnis zwischen industriellen Großkonzernen (Industriekapital) und Großbanken (Geldkapital) zu verstehen, analysiert Zeise, wie diese beiden den Profit untereinander aufteilen. Da die Großbanken lediglich Kredite vergeben, entscheidet das Industriekapital eigenständig, wie es das Geld im Einzelnen verwertet, um einen möglichst hohen Profit zu erwirtschaften. Die Aufteilung des Profits erfolgt im nächsten Schritt über die Zinsen, zu welchen die Großbank den Konzernen Kredite gibt. Hierbei hat das Industriekapital ein hohes Interesse daran, möglichst viel Fremdkapital aufzunehmen, um von der Hebelwirkung des Kredits zu profitieren. Wenn ein Konzern beispielsweise 2 Millionen Euro Eigenkapital investiert und dadurch einen jährlichen Gewinn von 200.000 Euro einfährt, beträgt die Profitrate 10 Prozent. Investiert er jedoch nur 1 Million an Eigenkapital und nimmt zusätzlich einen Kredit von 1 Million Euro auf, für den er der Bank zum Beispiel 5 Prozent Zinsen zahlt, so erzielt er einen Netto-Jahresgewinn von 150.000 Euro (200.000 Euro Gewinn, abzüglich 50.000 Euro Zinsen). Dieser ist zwar geringer als der ursprüngliche, aber bezogen auf das Eigenkapital von nun 1 Million Euro, hat er seine Profitrate von 10 auf 15 Prozent erhöht. Diese Hebelwirkung des Kredits macht es für das Industriekapital sehr beliebt, Kredite aufzunehmen. Auch die Banken profitieren davon, da sie bei jedem zurückgezahlten Kredit Zinsen erhalten.

Der Profit entstammt dabei vollständig dem Produktionsprozess und wird erst im nächsten Schritt zwischen Industrie- und Geldkapital umverteilt. Je höher sich das Industriekapital verschuldet, desto höher wird dabei der Anteil des Gesamtprofits für das Bankkapital. In Deutschland ist die Verschuldung der Unternehmen seit 2000 gesunken. Das spricht für hohe Gewinne und nur wenige Investitionen.

Verschmelzung von Monopolen und Finanzkapital

Ein weiterer wichtiger Aspekt, mit dem sich Zeise beschäftigt, sind die sogenannten Monopole. Diese sind zwar noch immer der kapitalistischen Konkurrenz unterworfen, können Märkte jedoch zu ihrem Gunsten manipulieren. So können sie durch besonders niedrige Einkaufspreise und besonders hohe Verkaufspreise über den gewöhnlichen Profit einen Extraprofit einstreichen. Als Beispiele für Monopole führt Zeise die großen Internetkonzerne an und analysiert, wie ihre Wertschöpfung scheinbar nicht mit der Arbeit zusammenhängt. Sie erfüllen eine ähnliche Rolle wie die einzige Tageszeitung einer deutschen Kleinstadt Anfang des 20. Jahrhunderts. Wer damals für seine Produkte werben wollte, kam an der Zeitung nicht vorbei. Heute müssen Konzerne bei Google oder Facebook Werbung schalten. Da es sich bei beiden um Formen von Monopolen handelt, können Sie einen höheren Extraprofit erwirtschaften.

Hier analysiert Zeise, wie die Monopole Großbanken für ihre Geschäfte benötigen und wie es eine gegenseitige Wechselwirkung gibt. Dabei bezieht er sich auf Hilferding und Lenin, die sich einig sind, dass Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital verschmelzen. Diese Form des Kapitalismus hat die ursprüngliche Form der freien Konkurrenz ersetzt. In dieser waren Banken tatsächlich lediglich Dienstleister für das schnell wachsende Industriekapital und nicht die wichtigsten Akteure. Seit der Krise beginnend 2007 hat sich der Begriff Finanzkapitalismus auch in politischen Texten wieder eingebürgert, obwohl dieser Zustand bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts erreicht wurde und diesen nicht mehr verlassen hat. So wird das Beispiel aufgeführt, dass die Deutsche Bank bereits 1903 in 221 Industrieunternehmen durch einen Sitz im Aufsichtsrat vertreten war.

Zeise ist eine kompakte und gut nachvollziehbare Analyse des heutigen Kapitalismus gelungen. Neben der Rolle von Banken und Monopolen analysiert er in weiteren Kapiteln den Kapitalmarkt, die Rolle des Staates und den internationalen Finanzmarkt. Die größte Stärke des Buches ist die für das komplexe Thema einfache Sprache und wie es Zeise mit vielen Beispielen gelingt, große Zusammenhänge zu veranschaulichen.

Wer also den heutigen Kapitalismus besser verstehen will und noch kein Experte auf dem Gebiet ist, kann nichts falsch machen mit Lucas Zeises Finanzkapital.

Bestellt werden kann es direkt beim Verlag PapyRossa.

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