Den Unterschied zwischen der „Exzellenzstrategie“ und wirklich exzellenten Hochschulen erklärt Leo Späth.
Mitte Juli: Während Studis im Prüfungsstress sind und Angestellte um die Verlängerung ihrer Einstellung bangen, verkündet die Bildungsministerin Karliczek (CDU) die Gewinner des Wettbewerbs um die „Exzellenzuniversität“. Was von Unirektoren und Presse gefeiert wird, hat auf die Realität der meisten Studierenden und Forschenden kaum Einfluss, geht am wirklichen Bedarf der Hochschulen vorbei und zeugt von einem fatalen Wissenschaftsverständnis.
Diktat der leeren Kassen
Ob beim Schreiben von Unibewerbungen oder der verzweifelten Suche nach freien Seminaren; die mangelnde Finanzierung der deutschen Hochschulen sticht tagtäglich ins Auge. Es fehlt an Geld für Studienplätze, Hörsäle und Tutorien. Das liegt zum einen an den geringen Bildungsausgaben – mit 4,8 % des BIP liegt die BRD nur im globalen Durchschnitt -, zum anderen an der Zuständigkeit für die Finanzierung. Im Zuge der Föderalismusreform 2006 beschloss die Große Koalition, dass der Bund nicht mehr zur Grundfinanzierung beitragen dürfe. Über viele Jahre war nun langfristige Unterstützung der Lehre nicht mehr möglich. Zwar wurden die strikten Regeln im Laufe der Zeit gelockert, doch auch Programme wie die „Hochschulpakte“ können die Finanzierungslücken nicht schließen. Problematisch ist auch die „Exzellenzstrategie“, bei der sich Hochschulen mit Forschungskonzepten, sogenannten Clustern, bewerben können. Die letzte Bewerbungsrunde war Ende 2018 zu Ende – 57 Anträge wurden bewilligt. Unter den besonders erfolgreichen Hochschulen wurden im Juli elf ausgewählt, die sich zusätzlich mit dem Titel „Exzellenzuniversität“ schmücken dürfen.
Der Großteil der über 200 staatlichen Hochschulen geht dabei leer aus, selbst für die „Gewinner“ reichen die ausbezahlten Fördersummen nicht aus. Nur ein Siebtel der durch die Exzellenzstrategie ausgezeichneten Cluster kommen aus dem geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich, dabei sind besonders diese Fächer von mangelnder Finanzierung betroffen. Auch bei der geographischen Verteilung gibt es Auffälligkeiten. Bloß eine der elf Exzellenzuniversitäten, die TU Dresden, befindet sich in Ostdeutschland. Dreißig Jahre nach der Wende kommt die Bundesrepublik auch in der Wissenschaft dem selbst gesteckten Ziel von „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ nicht nach. Dabei wäre eine Unterstützung der Unis in den Ost-Bundesländern eine Möglichkeit, diesen einen weiteren Anschluss an den Westen zu ermöglichen. Auch Fachhochschulen befinden sich nicht unter den Exzellenzuniversitäten. Im Hochschulwesen wird damit zunehmend ein Zweiklassensystem manifestiert.
Folgen für Betroffene
Statt flächen- und fächerübergreifend gute Studien- und Forschungsbedingungen zu ermöglichen, betreibt die Politik reine Prestigeprojekte – mit gravierenden Folgen. Ein großer Teil der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist in befristeten Verhältnissen gefangen und in vielen Fächern genügen die angebotenen Studienplätze nicht, um dem gesetzlich garantierten Recht auf freie Studien- und Berufswahl nachzukommen. Viele Hochschulen schließen ihre Finanzierungslücken durch Drittmittel aus der Privatwirtschaft. Wissenschaft, die eigentlich frei von Profitzwängen sein sollte, wird somit käuflich. Häufig sogar ohne, dass es die Beteiligten, etwa studentische Praktikantinnen und Praktikanten, erfahren. Studienorte oder Fächer, die keine Verwertbarkeit für investierendes Kapital darstellen, geraten in Existenznot. Zusätzlich feuert der Leistungs- und Wettbewerbsgedanke, auch verbunden mit zunehmender Verschulung und Prüfungsrestriktionen, den Konkurrenzdruck zwischen Hochschulen und den Studierenden weiter an. Die Verwertbarkeit von Forschungsergebnissen rückt immer mehr in den Vordergrund.
Geld ist genug da – Zeit, es uns zu holen
Was es aber dringend braucht, ist eine deutlich höhere Grundfinanzierung von Seiten des Bundes, die nach Kriterien wie Studierendenzahl und Fächerangebot an alle Hochschulen gleichberechtigt ausgezahlt wird. Hochschulen brauchen von allen Statusgruppen paritätisch besetze, demokratisch gewählte Gremien als Sprachrohr gegenüber der Politik. Drittmittel aus der Privatwirtschaft müssen zurückgefahren und im Falle von Rüstungskonzernen als Geldgebern strikt abgelehnt werden. Studierende und progressive Lehrende müssen auf die Straße gehen und dafür kämpfen, die Hochschulen von ihren ökonomischen Zwängen zu befreien, um kritische Wissenschaft zum Ausgangspunkt einer Alternative zum kapitalistischen System zu machen. Dies würde nicht nur Rektoren und Schlagzeilenschreibern nützen, sondern uns allen. Das wäre exzellent!
Der Beitrag erschien in gedruckter Form in der Critica