Der 8. März 2021 – der feministische Kampftag während der Corona-Pandemie

Heute ist der 8. März 2021, der feministische Kampftag. Und ich denke zurück an letztes Jahr, als wir noch völlig unbeschwert auf der Frauenkampftags-Demo waren – ohne Abstand, ohne Maske, ohne Angst vor Ansteckung.

Das ganze letzte Jahr steckt uns in den Knochen. Wir haben unsere Leben neu organisieren müssen, viele von uns haben mehr gearbeitet als zuvor, viele sind in Kurzarbeit gegangen und haben – was die Erwerbsarbeit angeht – weniger gearbeitet, viele sind noch mehr mit Sorgearbeit beschäftigt.

Ja, das Jahr hat uns gezeigt: Der 8. März 2021 ist besonders wichtig, um laut feministische Forderungen zu stellen.

Arbeitswelt – in Pandemiezeiten

Warum ist das so? Erste Statistiken erzählen, dass Corona die ungleiche Bezahlung von Frauen noch verschlechtert: Wir wissen, dass seit Jahrzehnten Frauen in Deutschland schlechter bezahlt werden als Männer, auch wenn sie den gleichen Beruf ausüben. Der Gender Pay Gap hier bei uns liegt bei 19 Prozent. Konkret: Männer verdienen 22,26 Euro die Stunde, Frauen erhalten 17,98 Euro die Stunde. Warum? Weil sie Frauen sind.

Gleichzeitig verkürzen Frauen während der Corona-Pandemie öfter ihre Arbeitszeit. Im April 2020 waren es 24 Prozent der Frauen in einer Befragung, die seit Beginn der Pandemie ihre Arbeitszeit reduziert haben, um ihre Kinder zu betreuen. Unter den Männern waren es übrigens 16 Prozent.

Bei den Minijobs ist es noch dramatischer: 17,5 Prozent der berufstätigen Frauen gehen einem Minijob nach, also einer Beschäftigung ohne Sozialversicherung. Und fast jede zehnte Minijobberin hat 2020 ihren Job verloren – ohne Aussicht auf Kurzarbeitergeld.

Feministische Forderung: Ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen. Oder: was die Pandemie alles so offen legt.

Werfen wir einen Blick auf die system- oder besser lebensrelevanten Berufe: Hier sind überproportional viele Frauen sowie Migrantinnen beschäftigt, oft prekär und in vielen Fällen gerade jetzt ohne finanzielle Hilfe oder gesundheitliche Sicherheiten. Gestern noch von den heimischen Balkonen und Ministerriegen beklatscht, warten diejenigen, die im Gesundheitssystem arbeiten, immer noch auf eine gerechte Bezahlung, Aufwertung ihrer Tätigkeiten oder gar einen Tarifvertrag. Im Gesundheitsbereich wird es besonders deutlich, wo wir im Kapitalismus stehen: Statt das Leben in den Fokus zu nehmen, wird der Profit von Krankenhauskonzernen in den Mittelpunkt gestellt. Dem stellen wir unsere feministischen Forderungen gegenüber:

Wir fordern ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen – ohne Profite, damit nicht Geburts- und Kinderstationen als erste schließen müssen, weil sie sich nicht lohnen im Kapitalismus!

Wir fordern eine bedarfsorientierte Versorgung, damit Betten nicht zu schnell geräumt werden müssen und dann – zumeist – Frauen die weitere Pflege daheim übernehmen.

Wir fordern gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten, denn es braucht Zeit, mehr Personal und gute Arbeitsbedingungen für gute Pflege!

Diese und noch mehr Forderungen findet ihr in dem Flyer der Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW“.

Feministische Forderung: Armut überwinden!

Wenn Frauen während der Pandemie ihre Erwerbsarbeit verkürzen, müssen sie mit Altersarmut rechnen. Aber auch in Vollzeit arbeitende Frauen sind oftmals im Alter mit einer Rente konfrontiert, die oft nicht zum Leben reicht.

Wir fordern eine Vermögensabgabe für die Bewältigung der Corona-Krise und eine Vermögensteuer, die Vermögen ab einer Million Euro mit 5 Prozent belastet. Wer hat, der kann geben!

Wir fordern einen Mindestlohn von 13 Euro und die Begrenzung von Überstunden. Dazu gehört auch ein Anspruch auf familienfreundliche Schichtzeiten.

Feministische Forderung: Arbeit neu denken, nicht nur in Zeiten der Pandemie!

Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei, sicher und selbstbestimmt leben können, Zeit für Familie und Freundinnen und Freunde haben und gleichzeitig einer sinnvollen und gut bezahlten Arbeit nachgehen können. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Frauen genauso an politischen Entscheidungen mitwirken können wie Männer und in der sich das Leben nicht nur um die Lohnarbeit dreht.

Also: Lasst uns anfangen, das Leben in den Mittelpunkt all unseres Handelns zu stellen!

Arbeiten, Geld, politische Entscheidungsräume müssen neu verteilt werden. Dafür braucht es eine radikale Arbeitszeitverkürzung, damit wir uns einmischen können und Politik von unten machen, denn wir sind diejenigen, die wissen, dass es mehr Zeit braucht, um ein gutes Leben für alle gemeinsam zu gestalten.

Dafür braucht es eine Umverteilung von Geld und Vermögen: Wer hat, soll geben! Wir brauchen Städte und Orte, in denen wir gut und gerne leben, mit einem gutem ÖPNV, mit Stadtteilbibliotheken, in denen mehr geleistet wird, als Bücher auszuleihen, mit Stadtteilzentren für die Begegnungen mit Nachbarinnen und Nachbarn, mit Schwimmbädern, in denen unsere Kinder schwimmen lernen, mit Schulen, die mit Luftschutzfiltern auch während der Corona-Krise ausreichend Sicherheit anbieten.

Wir müssen reden: über die Verteilung von Zeit und Arbeit

Kommen wir wieder zum 8. März 2020. Ein Jahr ist vergangen, ein besonderes Jahr, ein Jahr Corona-Krise. Es ist Zeit für selbstbestimmtes, sicheres und gerechtes Leben. Es ist Zeit, die Diskussion um die „Vier-in-eins-Perspektive“ von Frigga Haug wieder aufzunehmen. Die Perspektive orientiert auf eine Veränderung der Verteilung von Arbeit und Zeit. Wie unter einem Brennglas hat das letzte Jahr doch gezeigt: Es müssen sich Türen öffnen für die Beteiligung aller an der Sorgearbeit. Erste Ansätze machen Mut: Unter dem Motto „Arbeitszeit verkürzen – Zukunft sichern – fordert die IG Metall in ihren laufenden Tarifverhandlungen die Absenkung der Arbeitszeiten und schlagen eine 4-Tage-Woche vor. Diese Forderung ist das Ergebnis einer Beschäftigtenbefragung, bei der zwei von drei Befragten die Option Vier-Tage-Woche als sehr wichtig oder wichtig bewerten.

Unser feministischer Blick auf die Corona-Krise sagt uns, dass wir Zeit brauchen werden, Zeit für Erwerbsarbeit, Zeit, um Widerstand dagegen zu organisieren, dass wieder wir für die Krise zahlen, Zeit für Fürsorge in der Corona-Krise, aber auch danach, wenn wir wieder aufeinander zu gehen können nach der langen Dauer sozialer Distanz.

Denn Menschsein heißt mehr als essen, trinken und in Lohnarbeit die notwendigen Mittel dafür zu verdienen. Menschsein heißt: eine kurze Vollzeit für alle, eine gerechte Verteilung von Sorgearbeit, die Möglichkeit, sich in allen Bereichen politisch einzubringen. Wenn wir das Leben in den Mittelpunkt der Arbeiten und der Politik stellen, ändert sich die Perspektive: Es geht um die Frage nach den notwendigen Arbeiten und ihre gerechte Verteilung.

Mehr zu linken feministischen Ansätzen findet ihr beim Dossier Feminismus von links der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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