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Vier-Tage-Woche: Linke muss Teil der Kämpfe sein!

Welche strategischen Fragen stellen sich für die Linke im Angesicht einer Krise, die, noch bevor sie richtig da ist, zur schwersten seit 1929 wird? Die dramatische Zunahme von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit haben Katja Kipping dazu bewogen, die Vier-Tage-Woche zu fordern. Diese mache Arbeitnehmer produktiver und glücklicher.

Die Linke sollte darüber streiten, ob sie zum Ratgeber für Produktivitätssteigerungen werden möchte. In den letzten 150 Jahren ist das den Unternehmen auch ohne Hilfe von links ganz gut allein gelungen – nicht selten übrigens zulasten der Gesundheit ihrer Beschäftigten. Streiten sollten wir auch, ob die Vier-Tage-Woche Arbeitnehmer unter den Bedingungen von Niedriglohn und prekären Jobs glücklicher machen kann: Für die alleinerziehende Krankenpflegerin bleibt der Schichtbetrieb auch an vier Tagen in der Woche eine Herausforderung.

Dennoch ist die Forderung im Grundsatz nicht falsch. Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, ist die gerechte Verteilung von Arbeit folgerichtig. Problematisch wäre es, sie ohne Lohnausgleich zu fordern und den Beschäftigten auf diese Weise die Löhne zu kürzen. Das hat Katja Kipping nicht getan. Die Forderung nach einem neuen Kurzarbeitergeld ist zumindest der Versuch, eine ausreichende Bezahlung mitzudenken.

Das Problem besteht vielmehr darin, dass der Vorschlag die Wechselwirkung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse ausblendet. Kämpfe um die Zeit waren nie einfach, denn sie fordern das Kapital an der Verfügungsgewalt über die Ware Arbeitskraft heraus. Sie wollen die Frage, wann der Arbeitstag beendet ist und bezahlte Überstunden anfallen, neu regeln. Nicht ohne Grund konnte 1919 der Acht-Stunden-Tag nur durch die Wucht der Novemberrevolution durchgesetzt werden. Und 1984 waren für die 35-Stunden-Woche sechs Wochen Streik notwendig. Eine intensive strategische Planung in der IG Metall und eine breite gesellschaftliche Unterstützung hatten aus der tarifpolitischen Forderung eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung gemacht.

Im Unterschied zu 1984 stehen Beschäftigte heute mit dem Rücken zur Wand. Kurzarbeit und Massenentlassungen verändern die Bedingungen für Arbeitskämpfe. Gegenwärtig gelingt es noch nicht einmal, die Prämienzahlungen an Pflegekräfte auf alle Krankenhausbeschäftigten, auf Erzieher, Busfahrer oder Verkäufer auszuweiten – und das obwohl sie vor wenigen Wochen noch als systemrelevant beklatscht wurden.

Verkündungen in Sommerinterviews sind also das eine – der Prozess, in dem sich betriebliche Stärke mit der gesellschaftlichen Debatte über die Frage, wie wir leben wollen, verbindet, etwas anderes. Gewerkschaftliche Verankerung und breite Bündnisse wären nötig, um in der aktuellen gesellschaftlichen Krisensituation eine derart große Forderung durchzusetzen. Die Linke darf die Strategiediskussion der Gewerkschaften also nicht vom Zuschauerrang kommentieren, sondern muss Teil eines Teams sein, das gemeinsam auf den Platz geht.


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