Die Folgen der Pandemie sind für viele Studierende fatal. Doch auch vor der Krise war die Lage an den Unis alles andere als gut. Eine Zusammenfassung liefert Leo Späth.
Vierzig Prozent der Studierenden haben während der Pandemie ihren Nebenjob verloren. Die „Überbrückungshilfen“ des Bundes, die es nur bis zu einem Kontostand von 500 Euro gibt, sind ein schlechter Witz. Doch schon jahrelang garantiert das BAföG keinen gleichberechtigten Bildungszugang. So urteilte jüngst auch das Bundesverwaltungsgericht. Eine zentrale Forderung vieler Studierendengruppen ist deshalb schon lange die Einführung eines elternunabhängigen BAföGs als Vollzuschuss: „Davon profitieren jene, deren Eltern knapp über den Fördergrenzen liegen, weiter müssen sich Studierende nicht verschulden. Eine sorgenfreie Realisierung des Rechts auf Bildung wird ermöglicht“, erklärt Zara Kızıltaş, Studentin und Kandidatin der LINKEN im Wahlkreis Heidelberg bei der Bundestagswahl.
Mehr Druck, mehr psychische Probleme
Zu den finanziellen Notlagen kommt ein Anstieg von psychischen Belastungen. Durch den Dauerlockdown an den Hochschulen, wie es ihn in keinem anderen Bereich der Gesellschaft gab, fehlt vielen das soziale Miteinander. Weiter ignorierten Politik und Rektorate die Forderung nach Freiversuchen für Prüfungen. Während gemeinsames Lernen kaum möglich war, liefen Lehre und Prüfungen weiter – das eine online, das andere trotz hoher Inzidenzen in Präsenz. Als der AStA der Universität Osnabrück im Sommer 2020 Studierende nach ihrer Arbeitsbelastung fragte, gaben 90 Prozent an, dass diese gestiegen sei. 80 Prozent sagten aus, ihr psychischer Zustand habe sich verschlechtert. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Erhebung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, nach denen der Anteil von Studierenden mit psychischen Belastungen in den vergangenen Monaten um 50 Prozent gestiegen ist. Damit spitzen sich Entwicklungen des Bologna-Prozesses zu: Orientierung auf ECTS-Punkte und Leistungsdruck verdrängen vollends freie Persönlichkeits- und Interessensentfaltung.
Anhaltende Unterfinanzierung
Für gute Hochschulen braucht es mehr finanzielle Mittel. Passend zur Konkurrenz im Studienalltag setzt aber auch hier die Große Koalition auf ein Gegeneinander. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) feierte sich für die Exzellenzstrategie. Doch deren Konzept beruht auf dem Fördern weniger Einrichtungen. Stattdessen wird zunehmend auf Drittmittel aus der Privatwirtschaft gesetzt, die jedoch Abhängigkeit von Profitinteressen erzeugen und damit wissenschaftliche Unabhängigkeit bedrohen. Auch der Hochschulpakt, ein von Bund und Ländern gemeinsam getragenes Programm für die Lehre, kann die Finanzlöcher kaum ausgleichen. Weiter werden 60 Prozent der Gelder anhand des Kriteriums vergeben, inwiefern Studierende die Regelstudienzeit schaffen, ein arbeitsmarkt- und verwertungsorientiertes Bildungsverständnis wird damit verstärkt. Die Unterfinanzierung zeigt sich konkret vor Ort, zum Beispiel im Fachbereich für Gesellschaftswissenschaften und Philosophie an der Uni Marburg. „Von den aktuellen Kürzungen sind vor allem Stellen für wissenschaftliche Mitarbeitende betroffen“, berichtet Yusuf K., der im dortigen SDS aktiv ist.
Bildung – eine gesamtgesellschaftliche Frage
Für fünf Milliarden hat die Bundesregierung während der Pandemie neue Kampfjets geordert, während Studierende fast leer ausgingen. Der Umgang der Politik mit Hochschulen und Studierenden hat grundlegende Problemlagen verdeutlicht. Während Konzerne gerettet wurden, mussten viele Studierende wie auch Kulturschaffende und Wissenschaftler*innen um ihre Existenz bangen. Dabei hat die Pandemiebekämpfung doch mindestens eines bewiesen: Ohne demokratische und ausfinanzierte Wissenschaft werden wir die Herausforderungen unserer Zeit, wie die Klimakrise oder die Schaffung eines leistungsfähigeren Gesundheitssystems, niemals bewältigen.
Von Leo Späth.