Proteste in Serbien, Belgrad, gegen die Regierung Vucic. Foto: Marks21

Die Menschen Serbiens sind es leid: Sie verlangen Neuwahlen

In Serbien protestieren seit der Wahl des nationalkonservativen Premierministers Aleksander Vučić zehntausende Menschen gegen „die Diktatur“. Vor allem Studierende und junge Menschen gehen auf die Straße, gegen Korruption, Zensur und Arbeitslosigkeit. Jelena Lalatović ist Mitglied von Marks21 selbst Teilnehmerin der Proteste in Belgrad. Eine erste Einschätzung-

Ungeachtet einer Medienzensur die ein bis heute ungekanntes Ausmaß annimmt und dazu führt, dass in Serbien so gut wie gar nicht über die hiesigen Proteste berichtet wird, nimmt die Wut der herabgewürdigten und entrechteten Bürger Serbiens kein Ende.

Neben Belgrad, wo sich seit vier Tagen hintereinander mehrere zehntausend Menschen zu Protesten zusammenfinden, gibt es weitere Demonstrationen in größeren Städten Serbiens: In Niš, Novi Sad, Sombor, Kragujevac usw. Ausgang der Demonstrationen war der illegitime Sieg Aleksander Vučićs bei den Präsidentschaftswahlen bei denen er kandidierte, obwohl er gleichzeitig Premierminister ist.

Alle Medien und staatlichen Einrichtungen waren angehalten, den Sieg des Kandidaten der regierenden Koalition abzusichern. Trotzdem war die Wahlbeteiligung um einige Prozentpunkte niedriger als bei den Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012. Der gesamte Wahlprozess wurde begleitet durch Medienmanipulationen, der Erniedrigung und dem „lynchen“ aller Oppositionskandidaten. Der „Kauf“ sicherer Stimmen nahm in ungeahntem Ausmaß zu, besonders im öffentlichen Sektor.

https://www.youtube.com/watch?v=ei9dOj_LVRQ

Wer Protestiert?

Auch wenn faschistische Organisationen und regierungstreue Politiker versuchten die Führung der Proteste zu übernehmen, bleibt der Charakter der Versammlungen Spontan. Alles begann mit einem Facebookevent. Unter den Demonstrierenden sind vor allem junge Menschen – Schülerinnen, Schüler und Studierende. Diesen schlossen sich später Rentnerinnen und Rentner sowie Aktive an.

Welche Ziele haben die Demonstrierenden?

Inzwischen wird es immer klarer, dass die selbst gesteckten Ziele der Demonstrierenden nicht bei Neuwahlen oder einer Wiederherstellung des Vertrauens in das Wahlsystem halt machen

Neben dem Demospruch „Vučić du Dieb, du hast die Wahlen gestohlen“ ist immer häufiger zu hören „Vučić du Dieb, du hast die Renten gestohlen“ – womit die Aufmerksamkeit auf das Hauptmerkmal Vučićs Regierungszeit gelenkt wird – der Reduzierung der Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst.

Im Verlaufe der gestrigen Demonstrationen solidarisierte man sich auch mit Arbeiterinnen und Arbeitern, so dass zukünftige Proteste gemeinsam mit Streikenden abgehalten werden. Es wurden bereits Streiks der Polizei- und Lehrergewerkschaft angekündigt. In Kragujevac schlossen sich Streikende den Protesten an, die gegen den 12 Stunden Arbeitstag kämpfen und die ArbeiterInnen des Unternehmens Goša traten in einen unbefristeten Streik, nachdem ein Arbeiter jahrelang kein Geld erhielt und Selbstmord begang.

Serbien hat seit langem nicht so viel Kampfgeist und Begeisterung erlebt, wie bei diesen Protesten. Deswegen ist es der ideale Zeitpunkt für die serbische Linke als Aktionseinheit aufzutreten, um sich als relevante politische Kraft zu etablieren.

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