15 Jahre Euro – Eine Bilanz

Zugegeben: Die Überschrift ist etwas irreführend. Tatsächlich wurde der Euro bereits 1999 als Buchgeld eingeführt und ist somit 18. Die Einführung als Bargeld erfolgte zum 01.01.2002. Begannen zunächst zwölf Länder mit der Einführung, folgten in den Jahren 2007 bis 2015 Slowenien, Malta, Zypern, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.

Einige europäische Mikronationen – Vatikanstadt, San Marino, Monaco und Andorra –  dürfen zur Freude eifriger Sammler eigene Münzen drucken und Länder wie der Kosovo und Montenegro  nutzen ebenfalls den Euro – wenn auch ohne jegliche Abkommen, was kritisch von der Europäischen Zentralbank (EZB) beäugt wird.

Der Euro als weitere Etappe des Projekts eines vereinten Europas.

Mit der Einführung einer gemeinsamen Währung wurde eine weitere Stufe der Integration und Zusammenführung einiger europäischer Länder erreicht – so schien es zumindest und wurde von Politikern unterschiedlicher Lager dementsprechend angepriesen.

Kritische Stimmen wurden missachtet

Erschreckend vorausschauend wirkt die am 23. April 1998 gehaltene Rede des damaligen PDS-Vorsitzenden Gregor Gysis zur Euro-Einführung. Gysi warnte davor, dass man einen Kontinent nicht über Geld einen könne. Ferner solle man nicht erst eine Währungsunion gründen, um dann Anpassungen der jeweiligen Mitglieder zu erzwingen, eher sollten vorher Gesetze zwischen den Beitrittsländern harmonisiert werden, um dann eine erfolgreiche Gemeinschaftswährung zu konzipieren.  Zudem prophezeite Gysi damals bereits katastrophale soziale Folgen.

Ein anderer Punkt ist die fehlende Flexibilität der Leitzinsen. Wurde diese vor Euroeinführung je nach nationaler Wirtschaftslage von der jeweiligen Nationalbank festgelegt, muss nun die EZB einen Zinssatz für alle Euro-Länder finden. So ist aktuell der Zinssatz für Deutschland zu niedrig. Zu niedrige Zinsen bei einem Wirtschaftsaufschwung können potentiell zu einem Aufblasen der Wirtschaft führen. Im Ergebnis kann die Blase platzen und die Wirtschaft empfindlich treffen.

Die kritischen Stimmen verwiesen zudem auf unterschiedliche Steuer- und Sozialsysteme sowie variierende Produktivitätsniveaus und befürchteten einen höheren Konkurrenzkampf der Euro-Länder, welcher u.a. zu Sozialabbau und Steuerdumping führen würde. Mittlerweile gilt diese Erkenntnis als gesichert. Ferner verwies der damalige Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Horst Siebert von einer Umfunktionierung von Arbeitsmärkten hin zu reinen Wettbewerbsmärkten. Der Wirtschaftsprofessor Carl-Ludwig Holtfrerich prophezeite, dass Währungsunionen nur dann bestehen können, wenn ebenso eine politische Union gegeben sei.

Diese Regeln sollte es richten: Die EU-Konvergenzkriterien

1991 verpflichteten sich die EU-Mitgliedsstaaten durch den Maastricht-Vertrag zu den EU-Konvergenzkriterien, welche folgenden vier Aspekte enthalten:

By de:User:Ben776 [CC BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de or GFDL], via Wikimedia Commons
1. Wechselkursstabilität: Die Währung darf vor einem eventuellen Euro-Eintritt nur eine gewisse Wechselkursbandbreite haben.

2. Langfristige Zinssätze: Zinssätze langfristiger Staatsanleihen dürfen nicht mehr als zwei Prozent über den Durchschnitt der drei preisstabilsten Mitgliedsstaaten liegen.

3. Preisniveaustabilität: Die Inflationsrate darf nicht mehr als 1,5 Prozent über derjenigen der preisstabilsten Länder liegen.

4. Finanzlage der Staaten: Das jährliche Haushaltsdefizit darf nicht bei mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen, dabei darf der staatliche Schuldenstand bei nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen.

Wenn man den vierten Punkt mit den Defiziten der Euro-Länder vergleicht, wird deutlich, dass gerade dieses Kriterium kaum eingehalten wurde (siehe Abbildung).

Gerade Italien und Griechenland hätten damals schon nicht aufgenommen werden dürfen; allerdings wurden sie damals aus taktischen politischen Gründen mit ins Boot geholt: Der damalige französische Staatspräsident Mitterand wollte Italien mit aufnehmen. Er befürchtete einen zu dominierenden Einfluss Deutschlands. Italien wiederum wollte nur aufgenommen werden, wenn Griechenland ebenfalls den Euro einführen darf. Im Hinblick auf die seit Jahren besonders von deutscher Seite unterstützten Austeritätspolitik, welche Staaten verpflichtet, harte Einschnitte zu tätigen, um die Haushalte zu konsolidieren (sprich auszugleichen), ein wohl berechtigter Vorbehalt. Die Menschen in Ländern wie Irland, Italien, Griechenland, Spanien und Portugal mussten massive Steuererhöhungen und gleichzeitig katastrophale Ausgabenkürzungen hinnehmen. Diese Maßnahmen werden als „alternativlos“ angepriesen und so teilweise erfolgreich verkauft. Wie mächtig die Hegemonie, also die Vorherrschaft Deutschlands ist, kann an der Staatsschuldenkrise in Griechenland abgelesen werden. Sie zeigte auch, dass vom deutschen Finanzminister Schäuble wohl mehr Einfluss ausgeht, als von der griechischen Bevölkerung. Das mit  Portugal nun die derzeitige Regierung aus Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten einen nun doch alternativen und vor allem erfolgreichen Kurs fährt, kommt selten in Berichten der etablierten Medien vor. So hat Portugal kürzlich die niedrigste Defizit seit der dortigen Einführung der Demokratie 1974.

Kaum einer hielt die Konvergenzkriterien ein

Aus den Daten von Eurostat wird deutlich, dass die oben beschriebenen Kriterien mit Hinblick auf das Staatsdefizit lediglich von Luxemburg, Finnland und relativ neuen Mitglied Estland eingehalten wurden. Anfang der 2000er Jahre drohten Frankreich und Deutschland Disziplinarverfahren aufgrund eines zu hohen Defizits. Es drohten Strafen in Milliardenhöhe. Beide konnten sich freisprechen, Deutschland mit Hinblick auf die Kosten der Wiedervereinigung. Gleichzeitig wurde damit der Anreiz an andere Regierungen gegeben, es mit dem Defizit nicht so ernst zu nehmen.

Wie könnte es weiter gehen?

Inwiefern die Eurozone ausgeweitet wird, lässt sich schwer urteilen. Länder wie Tschechien, Rumänien, Kroatien und Polen verschieben aufgrund der weiterschwelenden Euro-Krise einen Einführungstermin nach dem anderen. Aufgrund der aktuellen Nationalisierungstendenzen dürften gerade Letztere einen Währungswechsel verhindern. Die Frage ist allerdings auch: Macht es Sinn, wenn Industrieländer die gleiche Währung wie Schwellenländer haben, wenn bereits ökonomische Unterschiede zwischen den Industrienationen zu Verwerfungen führen?

Die Euro-Krise dürfte allerdings noch lange weiter schwelen, weil elementare Ursachen nicht behoben werden und die ökonomischen Daten noch zu unterschiedlich sind. Man stelle sich den Euro als einen Maßanzug vor. Jeder Schneider weiß, dass er keinen Anzug herstellen kann, der gleichzeitig Langen, Kurzen, Dicken und Dünnen passt.

Die deutsche Regierung verweist durchweg auf Wettbewerbsfähigkeit. Andere Staaten sollen Reformen vornehmen, bestenfalls nach dem Prinzip der Agenda2010. Da eine Stärkung der nationalen Wirtschaft zumeist durch Abwertung der Landeswährung vorgenommen werden kann, müssen innerhalb der Euro-Zone andere Mittel ergriffen werden. Die Richtung in Europa geht hin zur inneren Abwertung. Die innere Abwertung bedeutet, dass u.a. Lohnkosten verringert werden, sprich es kommt zu weiteren Einschnitten von Arbeitnehmerrechten. Somit wird Arbeit zu billigeren Konditionen verrichtet In Deutschland führte dies zu einer verhaltenen Lohnentwicklung, einer Minderung der Gewerkschaftseinflüssen; einer Schwächung des Binnenkonsums sowie zu einem erhöhten Exportüberschuss, der seit Jahren von der EU kritisiert wird und Rechten wie Trump und Le Pen mit ihren Protektionismus in die Hände spielt. Wo Exportüberschüsse auf der einen Seite sind, da sind auch Exportdefizite auf der anderen Seite. Deutschland exportiert seine Waren zum Großteil in andere Euro-Länder. Wenn diese nun eine innere Abwertung vornehmen, um ebenfalls einen Exportüberschuss zu bekommen, geht die Rechnung nicht auf. Nicht alle können mehr exportieren als importieren. Deutschland droht ein immenser Rückgang der Exporte, welcher in Druck auf die Löhne sowie höherer Arbeitslosigkeit münden dürfte – sofern kein Politikwechsel hin zu einem gesünderen Ausgleich zwischen den Handelsnationen stattfindet.

 

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