Titanenkämpfe und Nebelwände

Seit Donald Trump es ernst meint damit, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer errichten zu lassen, und dekretierte, Bürger aus sieben islamischen Staaten nicht in die USA einreisen zu lassen, wogen Großdemonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Rassismus durch die USA und andere Länder. Europäische Staatsmänner und -frauen und die bürgerliche Medienwelt überbieten sich im Wettlauf um größtmögliche Trump-Verteufelung. Solch Gleichklang der Medien in Deutschland von Frankfurter Allgemeiner Zeitung, Süddeutscher, Spiegel und TAZ bis zum Neuen Deutschland ist ungewöhnlich. Zwischen den Herrschenden und weiten Teilen der Bevölkerung waltet Einmütigkeit: Alle gegen Trump!

Für die Herrschenden eine äußerst bequeme Situation: Die Demonstrierer in den EU-Ländern haben einen Feind weitab. Derweil halten sich Proteste gegen den Beschluss des EU-Gipfels, Flüchtlinge, die aus Nordafrika über das Mittelmeer kommen, wieder dorthin zurückzuschaffen und nicht mehr nach Europa zu bringen, in engen Grenzen. Dass die deutsche Exportindustrie befürchtet, durch Trumps „America First“-Politik Einbußen zu erleiden, wird von deren Vertretern und der Bundesregierung immer lautstärker betont. Auch dies scheint in die Anti-Trump-Strömung zu passen und etliche Linke vergessen ihre Kapitalismus-Kritik. Die EU soll gegen Trumps „Nationalismus“ gestärkt werden. Dass dies ein eigenes imperialistisches Projekt ist, verschwindet ebenfalls in dem Furor gegen Trump. Auch, dass Angela Merkel und Wolfgang Schäuble mittels EU die rechtmäßige griechische Regierung faktisch gestürzt und in ihre Kolonialverwaltung verwandelt haben, wird davon überdeckt.
Trumps innenpolitische Positionen verkörpern ein reaktionäres Programm. Seine Umsetzung würde vieles schleifen, was während der vergangenen Jahrzehnte erreicht wurde. Die Bewegungen für Frauenrechte und Bürgerrechte in den USA wissen, wofür sie aus Anlass von Trumps Amtseinführung demonstriert haben. Gleichzeitig wurde zu Anti-Trump-Demonstrationen in Europa aufgerufen, unter der Losung: „Nein zum globalen Trumpismus!“ Ein Komitee: „No to war – No to Nato“ aus Italien wandte jedoch ein, „eine Demo am 21. Januar gegen den neugewählten US-Präsidenten entspricht de facto einer Unterstützung derjenigen Politik Obamas, die Europa in die Frontlinie der nuklearen Konfrontation zwischen Nato und Russland umgewandelt hat.“
Die Anti-Trump-Kampagne rückt Barack Obama in ein mildes Licht. Tatsächlich war er am Ende seiner Amtszeit sehr aktiv: ein letzter Besuch als Präsident der USA in Berlin, um gemeinsam mit Merkel und anderen Staats- und Regierungschefs die anti-russischen „Sanktionen“ zu verlängern; Deutschland forderte er auf, international eine größere Rolle zu spielen. Das meinte, sich Trump entgegenzustellen. In Washington veranlasste er Geheimdienstberichte, „russische Hacker“ hätten das Wahlergebnis zuungunsten von Hillary Clinton beeinflusst, und verwies russische Diplomaten des Landes. Zugleich schickte er eine US-Panzerbrigade quer durch Deutschland nach Polen und verschärfte so die Beziehungen zu Russland weiter. Zum selben Zwecke reiste Vizepräsident Joe Biden noch einmal nach Kiew, um die ukrainische Regierung der Unterstützung der hinter ihm stehenden Kreise zu versichern.
Bereits im Wahlkampf hatte Trump deutlich gemacht, er wolle die internationale Politik der USA, sich überall einzumischen und Regime-Change-Kriege zu führen, beenden und die Beziehungen zu Russland verbessern. Die angekündigte Konzentration auf Industriearbeitsplätze im Innern richtet sich zugleich gegen die einseitige Ausrichtung der Außen- und Außenwirtschaftspolitik der USA auf die Interessen der Finanzspekulanten. Deshalb verbündeten sich diese schon im Wahlkampf mit den interventionistischen Globalstrategen, die unter Bill Clinton, George W. Bush und Obama die Außenpolitik bestimmt hatten, gegen Trump.

Ganz in diesem Sinne hatte George Soros, einer der berüchtigtsten Spekulanten, bereits wenige Tage nach den Wahlen an einem Strategie-Treffen der bei den Präsidenten- und Kongresswahlen unterlegenen Demokratischen Partei teilgenommen. Vereinbart wurde, Trump die Präsidentschaft so schwer wie möglich zu machen und dafür umfangreiche Finanzen zur Verfügung zu stellen. Die parlamentarischen Arme der Demokraten sind derzeit kurz, so wird auf außerparlamentarische Mittel gesetzt. In der New York Times war nachzulesen, dass von den Organisationen, die den Protestmarsch der Frauen in Washington am 21. Januar organisiert hatten, 56 auf der Sponsorenliste von Soros stehen oder enge Beziehungen zu seinen Organisationen haben, darunter alle „Schlüssel-Partner“ der Demo-Vorbereitung.

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erklärte Soros Trump zum „Möchtegerndiktator“. Dazu passt das Faschismus-Etikett. Das hatte der Vordenker der neokonservativen Kriegspolitik von George W. Bush, Robert Kagan, Trump bereits während des Wahlkampfes angeklebt, und viele plapperten es nach, die Ideologen und Wasserträger des neokonservativen Flügels der Republikaner wie die Interventionisten der Demokraten um Obama und Hillary Clinton und viele sich gern als links Verstehende. Die „Atlantiker“ in Deutschland transportieren dies hierher.
Bereits zehn Tage nach Trumps Amtseinführung forderte Eliot A. Cohen dessen Amtsenthebung. Die FAZ druckte es nach und andere deutsche Zeitungen referierten die Einlassung brav. Cohen war ebenfalls ein Einpeitscher des Krieges, propagierte den Irak-Krieg, bevor George W. Bush ihn ausgelöst hatte, und war später Berater von dessen Außenministerin Condoleezza Rice. Wenn das alles nicht hilft, soll ein Militärputsch gegen Trump angezettelt werden. Das regte Rosa Brooks an. Sie war unter Obama Beraterin im Pentagon. Die USA sind ein Land, in dem es seit George Washington keinen Militärputsch gegeben hat. Hier stellt sich die Frage, wer denn nun die größere Gefahr für die Demokratie ist, Trump oder seine Feinde. Auch hier stellen die bunten zivilgesellschaftlichen Demonstrationen gegen Trump die Nebelwand dar, hinter der sich der harte Kampf der Globalpolitiker gegen eine mögliche Veränderung der Außenpolitik der USA abspielt. Die Demokraten wissen das Feld gut zu bespielen: Obama ermuntert freundlich die Zivilgesellschaft und sein früherer Außenminister John Kerry lässt sich ohne Schlips und Anzug unter den Demonstranten blicken. Beider Verantwortung für Kriegseinsätze ist verdrängt.

Donald Trump regiert derweil mit Dekreten. Aufmerksame Beobachter stellen fest, dass das keineswegs konzeptionslos erfolgt. Das Dekret zum Verbot der Einreise aus sieben muslimischen Ländern ist das Protestobjekt der Demonstranten. Derweil hat er Umweltstandards gelockert, um den Kohlebergbau wieder zu fördern, zwei Pipelines genehmigt, die Obama aus Umweltschutzgründen untersagt hatte, das Projekt Mauer gegen Mexiko weiter vorangebracht, die Begrenzungen für die Banken gelockert, Neueinstellungen und Budgets des Öffentlichen Dienstes eingefroren, Obama-Care reduziert und Abtreibungsfinanzierung im Ausland untersagt. In „ruhigen Zeiten“ würde jedes dieser Themen wütende Proteste auslösen. Da die Bewegungen nicht für alles gleichzeitig Zeit haben, kann das hinter dem Kampfgetöse um die Einreisebestimmungen unbehelligt durchgehen. Und selbst wenn letztere suspendiert bleiben, sehen seine Anhänger: Trump hält, was er verspricht.
So sind die gutmeinenden Demonstranten die Bauern in einem gnadenlosen Machtspiel innerhalb der herrschenden Klasse der USA.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus der heute erschienenen neuesten Ausgabe von Das Blättchen Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. Die komplette Ausgabe kann auf der Website www.das-blaettchen.de kostenfrei eingesehen werden.
Soli-Abos sind zum Bezug als PDF (hier klicken) oder in einem eBook-Format (hier klicken) erhältlich.

>Der Beitrag wurde von Bernhard Romeike geschrieben.

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