Seien wir realistisch, verlangen wir das Unmögliche – Kämpfen wir für offene Grenzen!

Das Kapital hat kein Interesse an offenen Grenzen, sondern nur an wirtschaftlich verwertbaren Flüchtlingen. Aus Sicht der Flüchtlinge und der Arbeiter_innenbewegung, ist die Forderung nach offenen Grenzen für Flüchtlinge aber keine Frage der wirtschaftlichen Situation, sondern ein Mittel im Kampf gegen Rechts und des Ausbaus der eigenen Rechte.

Die Eliten bezeichneten das Niederreißen der Grenzen und die Hilfsbereitschaft der Solidarischen als Flüchtlingskrise. Es ist aber keine Krise, sondern eine Lösung der Krise, wenn Flüchtlinge die Öffnung der Grenzen erzwingen. Die Regierenden meinten ganz offen, dass sie den Normalzustand wiederherstellen wollen, schließlich müsse man die Grenzen eines Landes und die berechtigten Ängste seiner Bürger vor dem „Fremden“ respektieren. Sogar bekannte Marxisten wie Slavoj Zizek bezeichneten Fluchthelfer_innen, die jetzt offene Grenzen fordern, als „Heuchler“, wohlwissend, dass unsere Regierenden Krieg gegen Menschen in Syrien und jetzt gegen die Flüchtenden selbst führen.

Offene Grenzen sind allerdings nicht utopisch, sondern entscheiden über Leben und Tod. Flüchtlinge lassen sich nicht mehr in Lager sperren und von Tränengas und Knüppel aufhalten. Gäbe es legale Einreisemöglichkeiten, hätten die 71 Flüchtlinge nicht auf ihrer Fahrt von Ungarn nach Österreich sterben müssen. Der Zaun an der griechisch-türkischen Grenze verbarrikadiert den Landweg und zwingt zehntausende Flüchtlinge auf die mörderisch gefährliche Route über die griechischen Inseln – der Tod des dreijährigen Bubs Aylan Kurdi sorgte weltweit für Empörung. Im Oktober durchbrachen erneut tausende Flüchtlinge die Polizeibarrikaden in Spielfeld an der Grenze zu Slowenien.

Rechte in Schach gehalten

Die Forderung nach offenen Grenzen hat noch eine andere ganz praktische Bedeutung: Wo die Bewegung offensiv für die Rechte von Flüchtlingen kämpft und Menschenrechte verteidigt, dort verlieren die Rechten. In der Steiermark, im Burgenland und zuletzt in Oberösterreich setzte die SPÖ auf eine rassistische Wahlkampfstrategie. In Linz machte man Stimmung gegen ein „zweites Traiskirchen“. In Wels, wo die Freiheitlichen jetzt den Bürgermeister stellen, distanzierte sich die SPÖ einen Tag vor der Stichwahl von einem Protest für Flüchtlinge und gegen einen FPÖ-Bürgermeister.

Aber dort wo die Bewegung Flüchtlinge willkommen hieß, verloren die Rechten, beziehungsweise konnte ihr Zuwachs in Grenzen gehalten werden. In Wien beteiligten sich SPÖ und FSG eine Woche vor der Wahl an der Großdemonstration für „eine menschliche Asylpolitik“ mit über 70.000 Menschen – was dazu führte, dass das Wahlergebnis glimpflicher ausgefallen ist, als die Umfragen prophezeit haben.

Grenzzschließung: Gewalt wäre nötig

Die Mächtigen versuchen den vielen werktätigen Helfer_innen einzureden, dass die Hilfsbereitschaft zwar lobenswert, aber das Boot irgendwann voll wäre, weil ein Land nur begrenzt Menschen anderer Kultur und Herkunft aufnehmen könnte. Dabei haben Arbeiter_innen, wie Karl Marx sagte, „kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben.“

Mit der Grenzöffnung haben die Regierenden praktisch selbst die Regeln des Schengenraums und des Dublin-Abkommens gebrochen. „Mama Merkel“ und ihr österreichischer Amtskollege „Papa Faymann“ sind noch immer in der Defensive und könnten noch keine exzessive Gewalt anwenden, weil die Flüchtlinge bisher immer noch stärker waren. Das neue EU-Programm „Sophia“ sieht allerdings brutale militärische Gewalt im Mittelmeer gegen Flüchtlinge vor.

Eliten fürchten Bewegung

Tausende Menschen haben in der Bewegung die Erfahrung gemacht, dass innerhalb der Koordinaten des kapitalistischen Systems, innerhalb der Union der Banken und Konzerne, die Reisefreiheit ausschließlich für Profite und das oberste ein Prozent der Bevölkerung vorgesehen ist. Sie haben sich über Paragraf 120 des Fremdenpolizeigesetzes – den sogenannten Ute-Bock-Paragrafen, der „wissentlichen Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise“ – hinweggesetzt und bis zu vier Wochen Gefängnis riskiert. Das Innenministerium fürchtete eine „Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit“ und die „Außerkraftsetzung gesetzlicher Strukturen“.

Tausende erlebten, wie eine Gesellschaft ohne Konkurrenz und Ausbeutung, sondern mittels echter Demokratie und Selbstbestimmung funktionieren könnte. Die niedergerungenen Grenzen zeigen aus dem herrschenden System in eine andere Welt, in der sich die Menschen wirklich frei bewegen können. Die wirkliche Utopie ist zu glauben, dass die EU oder das System Wohlstand und gleiche Rechte für alle bringen könnte.

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12 Antworten

  1. Auch unter den Plattitüden und Parolen war kein Argument versteckt.
    Ohne Grenzen, kein Sozialstaat. Dann gibt es nur noch Hauen und Stechen. Viel Glück!

  2. Wie hier wieder Fakten verdreht werden. Natürlich will das Kapital/Globalismus alle Grenzen niederreißen, um einen ungehinderten Fluss von Kapital, Waren und Arbeitssklaven für die Profitmaximierung zu erreichen. Nur Ideologen und Dummbeutel erkennen das nicht. Grenzen bedeuten Schutz. Schutz vor Kriminalität, Lohndumping durch Arbeitssklaven und dem Zerfall der Demokratie durch eine entsolidarisierte Mischgesellschaft, wo jeder nur auf seinen persönlichen Vorteil bedacht ist. Jeder der die Abschaffung von Grenzen propagiert, fordert damit die Vernichtung des Sozialstaates, einer friedlichen Gesellschaft und das Ende der Demokratie.

  3. Was mal wieder völlig aus dem Blickwinkel verloren wird, ist, daß sich verschiedene Mentalitäten gegenseitig ausschließen. Man kann nicht einerseits zum Grundgesetz ja sagen und Menschen in das Land hineinlassen, welche religiöse Anschauungen als Grundlage für Gesetze machen.
    Man kann nicht für Gleichwertigkeit der Geschlechter plädieren und gleichzeitig die Frau als untergeordnet ansehen.
    Dies stellt kein Werturteil dar, sondern beleuchtet schlicht die Tatsache, daß sowohl Grenzen wie auch verschiedene Länder für verschiedene Mentalitäten ihren Sinn haben.
    Auch „Gutmenschen“ können sehr üble Dinge bewirken, wenn Konsequenzen nicht bedacht werden – und selbstverständlich ist die gegenwärtige Völkerwanderung eine Katastrophe. Und wer mir einreden will, daß nur gute Charaktere nach Deutschland kommen, lebt meiner Ansicht nach in Illusionen.
    Ich bin für Grenzen – weil die Menschheit sie noch braucht. Wir kommen nicht ohne aus, auch wenn dies idealistisch gesehen ein schöner Gedanke ist.

  4. Offene Grenzen – ja! Aber ganz sicher nicht in der heutigen global-kapitalistischen Welt!
    Die globale Bewegungsfreiheit ist eine super Utopie und ich wünschte, dass dies heute möglich wäre, aber wir sind meilenweit davon entfernt, hierfür den richtigen Ausgangspunkt zu haben!
    Diese Forderung ist in der jetzigen Situation einfach nur weltfremd und ideologisch verblendet.
    Und das sage ich als jemand, der diesem Gedanken generell positiv gegenüber steht.
    Gegen Abschottung zu sein bedeutet doch nicht im Umkehrschluss sofort alle Grenzen niederzureißen. Seid bitte nicht so blind und reflektiert mal eure eigenen Standpunkte (möchte hiermit nicht nur den Autor ansprechen). Oder kennt ihr nur Extreme? Es gibt gute Gründe dies eben nicht zu fordern; ein Žižek ist doch nicht dumm!

      1. Gute Frage, es gibt natürlich mehrere Definitionen. Ich meine in diesem konkreten Fall Gesetzlosigkeit, dass Ausserkrafttreten staatlicher Autorität, das Aushebeln behördlicher, polizeilicher und juristischer Gealt, ein unkontrolliertes Marodieren von Massen, die sich nicht an zivilisatorische oder andere Regeln halten. Also nicht Anarchismus etwa im Sinne von Bakunin.

      2. Für mich persönlich haben diese Eigenschaften nichts mit Anarchie zu tun und ich habe bisher auch nichts davon gelesen. Es liest sich eher wie eine landläufige Fehlinterpretation.
        Sofern ich jetzt nicht total daneben liege, sind dies eher Merkmale der Anomie (im Sinne des Zerfalls sozialer Kontrolle und des gesellschaftlichen „Selbstmordes“) auch wenn Sie das so nicht direkt angesprochen haben.
        Wenngleich es nicht DIE Definition von Anarchie gibt, so ließe sich die Idee doch wohl am ehesten auf „Ordnung ohne Herrschaft“ herunterbrechen würde ich behaupten. Anarchie bedeutet ja eben nicht den Zusammenbruch sozialer Kontrolle (und so weiter) und dass alles auseinanderfällt, sondern bloß ohne Herrschaftsverhältnisse geregelt wird. Schließlich reden wir hier über eine Utopie und nicht die Schwierigkeiten einer Umsetzung, oder?
        Würde mich freuen zu hören, was Sie darüber denken.

      3. Der Begriff Anarchie hat unterschiedliche Konnotationen in unterschiedlichen Kontexten.
        So wie ich ihn gebraucht habe, als Zusammenbruch von Ordnungs – und Regelsystemen, ist es natürlich kein Begriff der eine Utopie oder ein Modell bezeichnet, sondern eher so, wie er im allgemeinen verwandt wird ( Beispiel: „da herrschen anarchische Vehältnisse“).
        Gesellschaft ohne Herrschaft ist meiner Meinung nach nicht möglich.
        Herrschaft muss aber permanent kontrolliert werden.
        Die Idee hört sich zunächst ganz nett und menschenfreundlich an, wird aber wohl immer daran scheitern, dass sie die menschliche Psyche zu optimistisch betrachtet und unterschätzt, dass es selbst in kleinsten Gruppen immer Leader und Mitläufer gibt und / oder auch solche, die sich gerne leiten lassen
        ( aus Bequemlichkeit oder Unfähigkeit…. das ist völlig egal, ich halte es sogar manchmal für legitim).
        Ich hoffe, ich konnte Ihnen verständlich machen wie ich den Begriff in meinem Kommentar gemeint habe.
        Freundliche Grüsse

      4. Anarchie ist eigentlich eine sehr kapitalistisch-bürgerliche Ideologie. Anarchie respektiert das Eigentum das ein (aus der Sicht dieser Anhänger) und kein Staat darf ihnen das mit Steuern rauben und an Einwander verteilen. Somit wäre der Anreiz für die Allermeisten illegalen Einwanderer weg.

  5. Widersinn finde ich nicht nur in der Überschrift, sondern im gesamten Text. Wie realistisch sind wir denn, wenn wir etwas Unmögliches verlangen ? Sollen wir auch für die weltweite Aufhebung der Schwerkraft kämpfen ? Aus ideologischer Betrachtung heraus ist die Wahrnehmung der Realität etwas vernebelt, Ideologien sind abstrakte Gebilde, Überzeugungen, deren Gläubige sich vor allem die Illusion eigener moralischer Überlegenheit erhalten. Die Verblendung sorgt leider auch dafür, das die Auswirkungen der Versuche, die Realität der Ideologie anzupassen widersinnige Effekte produzieren – die moralisch suboptimal sind. Wer anderen Menschen, die vor Kriegen und Verfolgung fliehen, eine Zuflucht geben will, der braucht geschlossene Grenzen. Die Annahme, das alle Menschen, die durch eine offene Grenze kommen vor Krieg oder Verfolgung geflohen sind ist eine Generalisierung. Viele sind aufgrund religiöser oder ethnischer Verfolgung geflohen und finden hier anstelle einer Zuflucht noch heftigere Verfolgung – dank offener Grenzen und unkontrollierter Einreise. Die Vorstellung, das die Werte des Humanismus von allen Kulturen getragen werden ist eine Illusion. Die Wertesysteme vieler Kulturen sind nicht wie in Europa von der Aufklärung geprägt sondern von weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen, welche zum Teil menschenverachtend und rassistisch sind. Die Zustände, vor denen die Menschen fliehen, sind das Ergebnis dieser Überzeugungen und so werden mit dem Kopfgepäck die Konflikte mitgebracht. Das ist wenig human, den Menschen, welche in einem Land leben und den Zuflucht suchenden gegenüber. Die einreisenden Menschen per se als Freunde oder Gäste zu bezeichnen ist falsch verstandener Humanismus. Freunde suchen wir uns aus, und Gäste werden eingeladen. Viele werden hier Freunde finden und als Gäste eingeladen und aufgenommen – trotz der offenen Grenze. Andere haben aufgrund der offenen Grenzen die Gelegenheit wahrgenommen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, was auch allzu verständlich ist. Die entsprechende Verknappung der Ressourcen geht zu Lasten derer, die Zuflucht suchen – und überdies hinaus in stärkerem Maße der Verfolgung ausgesetzt sind, vor der sie geflohen sind. Müssen wir eigentlich heute die großen Irrtümer in der Theorie von Karl Marx immer noch ausleben, ohne die offensichtlichen und die offensichtlich gewordenen Folgen für die Menschheit wahrnehmen zu wollen ? Ein Arbeiter ohne Vaterland ist ein Mensch, dem ein Teil seiner Identität und seiner Bedürfnisse genommen wird – um ihn auf eine der Ideologie entsprechende Identität zu reduzieren. Die Ideologien müssen den Menschen dienen – und nicht umgekehrt. Wer nach allen Seiten offen ist, der kann zwangsläufig nicht ganz dicht sein !

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