Rajoy ist gegangen: Was nun? Die Ausweisung Rajoys und der PP von der Macht ist eine gute Nachricht

Wären sie nur nicht die stärkste Kraft in der letzten Wahl geworden. Wären sie nur als direktes Ergebnis einer massiven Mobilisation auf der Straße oder eines Generalstreiks in den Betrieben gestürzt worden … aber reden wir nicht weiter von der sozialistischen Revolution … Es schien zwar nicht so, aber das aktuelle politische Klima, beeinflusst durch verschiedene soziale Kämpfe, war ein entscheidender Faktor, um das juristische Urteil wegen Korruption gegen die PP in ein Misstrauensvotum zu verwandeln. Trotz alledem ist die Zusammensetzung des Kongresses dieselbe wie vor einem Jahr, und auch die Korruption der PP ist nichts Neues.

Die Mobilisation der Frauen, die Rentenproteste, der Kampf für das Referendum in Katalonien, die weitergehenden Streiks … all das hat sich dem hinzugefügt. Der Sturz Rajoys – der Sancho Panza von Aznar – ist zum Teil unser Triumph und wir sollten ihn feiern.

Nur gibt es Teile der Bewegung, die argumentieren, dass sich nichts geändert habe, es gäbe nichts zu feiern. Schauen wir uns ihre Argumente an.

PPSOE?

Ein wichtiger Teil der Linken behaupten schon eine ganze Zeit lang, dass PP und PSOE dasselbe seien. Nun diese Idee ist charakteristisch für die radikale Linke (weiter links als Podemos oder IU), aber es war die offizielle Position von IU in der Epoche von Julio Anguita, mit „den zwei Ufern“: Auf der einen Seite IU; auf der anderen die anderen Parteien ohne große Unterschiede. Diese Sichtweise hat der PP oft dabei geholfen, eine Regierung zu bilden, ohne eine Mehrheit zu besitzen (lasst uns anmerken, dass die Ciudadanos auch den Hashtag #PPSOE benutzen).

Es ist wahr, dass PP und PSOE an der Macht das System verwalten und stützen, auch handeln beide im Interesse der Bougoursie. Es ist wahr, dass PSOE den Paragraphen 155 und vorher auch den Verbleib in der NATO, der GAL usw. unterstützt hat. Auch PSOE weist schwere Fälle von Korruption vor.

Es gibt aber einen großen Unterschied zwischen PSOE und PP. Die soziale Basis des ersteren umfasst größtenteils auch die Arbeiterklasse, welche immer noch von ihrer Partei etwas erwartet.

Nur so kann man verstehen, was in der Labour Party unter Corbyn passiert. Mit Tony Blair schien Labour rechter zu sein als einige christdemokratische Parteien in Europa. Jetzt, unter Corbyn, scheint Labour linker zu sein als Podemos. In Wahrheit haben Labour, wie auch PSOE, große interne Widersprüche.

Dieser Umstand und die Situation des Sturzes von Rajoy führen dazu, dass Sánchez‘ Regierung nicht genauso handeln können wird.

Sie wird sensibel gegenüber dem Druck von unten sein und sich ihm leichter fügen, wenn man ihn erhöht.

„Wir können nichts Positives von Spanien erwarten“

Diese Sichtweise existiert in einigen Sektoren der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Man kann es verstehen, PP, PSOE und Ciudadanos haben der Repression des Referendums unterstützt und den Putsch durch den 155er Paragraphen mitgetragen. Sogar das Podemos-Präsidium, das sich noch für das Recht auf Selbstbestimmung einsetzte, änderte seine Position vor dem Referendum zu „weder mit den Unterdrückern noch mit den Unterdrückten“.

Das führt dazu, dass viele Befürworter der katalanischen Unabhängigkeit nichts vom spanischen Zentralstaat erwarten.

Aber das eine ist Kritik an der spanischen Linken, das andere ist nicht die Unterschiede von PP und PSOE zu erkennen, oder eben von PSOE und Podemos (Das ist dasselbe Problem wie nicht zwischen bürgerlichen Demokratie und Faschismus zu unterscheiden).

Eine weitere Argumentation ist, dass sich Katalonien unabhängig erklärt habe und es sich deshalb um spanische Probleme handelt. Die Rhetorik jener ist: „Der Nachbarstaat hat seine Regierung gewechselt, inwiefern interessiert mich das?“

Es ist wahr, dass die Unabhängigkeit gewählt wurde und es die Ausrufung der Unabhängigkeit gab. Aber es ist klar, dass Katalonien in Wirklichkeit immer noch ein Teil des spanischen Staates ist. Um diese Situation zu ändern müssen wir einen politischen Kampf gewinnen, der noch nicht gewonnen ist.

Während zu langer Zeit gab es in Katalonien falsche Doktrinen. Auf der einen Seite gibt es jene, die einen Bruch mit spanischen Staat wollen und einen sozialen Wandel, die aber nichts mit dem spanischen Staat zu tun haben wollen, aber deshalb Allianzen mit progressiven Gruppen dieses Staates ausschließen, außer den anderen Unabhängigkeitsbewegungen. Auf der anderen Seite jene, die die Notwendigkeit dieser Bündnisse sehen, die aber für Bündnisse jede Art die eigenen Forderungen nach Unabhängigkeit nach hinten stellen.

Es ist wichtig, dass man die demokratische Forderungen Kataloniens den Aktivisten aus dem Rest-Spanien niemals aus der nationalistischen Position erklärt. Es ist aber auch wichtig, Verbündete in den Bewegungen des restlichen Staates für die sozialen Belange zu finden, die große Teile der Unabhängigkeitsbewegung unterstützen. Eine solidarischere und stärkere Beziehung, einen progressiven Pluralismus, aber auch ein gegenseitiger Respekt.

Wie schon anfangs geschrieben, Kritik an der Unabhängigkeitsbewegung ist nötig, stärker noch als die Kritik an den spanischen progressiven Kräften, die, bis auf wenige Ausnahmen, niemals Solidarität mit den Opfern der Unterdrückung durch den Zentralstaat bekundeten.

Die Strategie von Podemos

Die radikale Linke erhob viele Vorwürfe gegen Podemos, weil sie für das Misstrauensvotum gestimmt haben, da dies ein Verrat an den Zielen der 15M-Bewegung sei. Man muss sagen, dass es der Bewegung 15M niemals an taktischen Visionen, noch an Nuancen, fehlte. Trotz aller Kritik an der PSOE, ist es gut, dass die PP nicht mehr an der Macht ist und positiv, dass Unidos Podemos, ERC und andere Kräfte dabei geholfen haben.

Die Debatte sollte doch eine andere sein: Was sollen wir nun tun?

Der Vorstand von Podemos hat schnell Wünsche artikuliert, in eine Regierung Sánchez einzutreten. Das wäre natürlich ein klarer Bruch mit ihrem Selbstverständnis: Keine Unterstützung des Regimes. Izquierda Unida zeigte es schon oft in Regierungen mit POSE: Diese Koalitionen stützen nur das System, so wie jede andere Regierung der PSOE.

Pablo Iglesias sollte das eigentlich wissen.

Sein Problem ist, dass Podemos´ Strategie immer darauf ausgelegt war, aus den Institutionen heraus zu regieren. Diese leeren Phrasen von „Den Himmel erobern“ bedeuten nicht mehr als das. Es ist eine Orientierung der Politik von oben, die Positionen des Staates erobern und zu zeigen, dass man „genauso gut“ regieren kann wie PP und PSOE und man deshalb politisch akzeptierbar wird. Solange man nicht die absolute Mehrheit im Parlament erlangt, wird man immer den verzweifelten Versuch starten, in eine Regierung mit dem politischen „Kasten“ zu treten.

Es ist ihr Versuch, die Arbeit ihrer Bürgermeister auf eine andere Ebene zu heben. Aber es hat sich schon gezeigt, welche Probleme das mit sich bringt; hier können nur wenige Beispiele genannt werden. Die Logik des Systems sorgte dafür, dass die IU sowie Podemos – eingeschlossen José María González, der Antikapitalist und Bürgermeister von Cádiz – den Vorschlag von PSOE akzeptierten, um Kriegs-Korvetten an Saudi-Arabien zu liefern. Die Bürgermeisterin von Madrid, Manuela Carmena, hatte in Madrid einige Probleme mit einem Neonazizentrum, das „hogar social Madrid“: Ihre Versuche, ihre Ablehnung dem Faschismus gegenüber zu paaren mit dem Wunsch einer „normalen“ Politik im Rathaus führte zu einigen Widersprüchen. Die Gemeinde Barcelona, unter der Verwaltung von Ada Colau, hatte Probleme dabei, Aktionen der städtischen Polizei gegen Straßenverkäufer zu kontrollieren, die Rassismus und übertriebene Polizeigewalt anprangerten.

Der Eintritt von Podemos in die Regierung Sánchez hätte einige weitere, vielleicht sogar stärkere, Widersprüche produziert. Dies passierte letzten Endes nicht, aber nur, weil Sánchez das nicht möchte.

Die Erfahrung aller Regierungsbeteiligungen von Sozialdemokraten ist in jedem Land dieselbe, sie enttäuschen. Nichts deutet darauf hin, dass es bei Sánchez anders sein sollte. Es sieht so aus, als ob die neue Regierung – ohne Widerstand – die Hoffnungen nach einer positiven Veränderung nicht nur wieder enttäuschen wird, sondern sogar mehr Austerität durchsetzt und mehr Attacken auf die Mehrheit der Bevölkerung im Interesse des reichsten Prozents durchführt.

Die Herausforderung ist, dass die Unzufriedenheit und Enttäuschung, die eine Regierung der PSOE hervorruft, nicht zur Stärkung der Rechten führt und in einen Protest von links gelenkt wird, die eine bessere Alternative präsentiert. Diese Alternative sollte mehr sein als nur Vorschläge zur Verbesserung des herrschenden Systems. Syriza zeigt exemplarisch, wie wenig Raum für Reformen im System möglich sind. Wir sollten deshalb nicht aufhören zu fordern, diese Reformen und reelle Verbesserungen durchzuführen. Der Rahmen, um das durchzusetzen, ist nicht die parlamentarische Debatte, noch die Auseinandersetzung im Kabinett, sondern die Mobilisation auf der Straße und in den Betrieben.

Und hier haben wir ein Problem: Podemos sollte die Veränderung der Linken repräsentieren, ein neu erwecktes Gespenst durch die Proteste am 15M und auf den Plätzen. Aber in Rekordzeit haben sie sich in ein weiteres Teil des normalen politischen Spektrums verwandelt; eine weitere linke Partei, die sich in den Parlamenten und in den Fernsehdebatten wohler fühlt, als in den sozialen Kämpfen.

In dem Moment einer wiederbelebten Linken – die Kombination der besten kommunistischen Tradition mit neuen sozialen Bewegungen wie der 15M – hätte die Bewegung eine Schlüsselrolle in der Opposition gegen eine sozialliberale Koalition gespielt, die leider kaum existent ist. Wir haben nur den Vorstand von Unidos Podemos und ihre Basis, welche kaum Vorschläge für die reellen sozialen Kämpfe haben.

Die heutige antikapitalistische Linke

All das bestätigt, was sowieso schon klar war: Es braucht eine größere revolutionäre Linke.

Es braucht eine Linke, die den Sturz Rajoys einschätzen und vielleicht sogar feiern kann, aber die auch versteht, dass noch alles vor uns liegt. Wir wissen und müssen darauf bestehen, dass sich nicht nur die Namen in der Regierung ändern; es braucht einen fundamentalen Wechsel.

Nun sind Antworten auf die Fragen und Verlangen der emanzipatorischen Bewegungen nötig: Die feministische Bewegung, Kampf gegen Rassismus und Kampf für die Rechte von Migranten und Geflüchtete, das Ende der Repression und für eine wahre Demokratie, dazu zählt auch das Recht auf ein Referendum in Katalonien.

Die revolutionäre Linke ist klein, aber sie kann Einfluss auf Entwicklungen nehmen, wenn sie richtig arbeitet. Das bedeutet zusammenhängende marxistische Analysen aufstellen können und diese intelligent und flexibel auf die heutige Situation anwenden. Sie sollte konkrete und konstruktive Vorschläge für den Kampf und zum Aufbau einer Bewegung liefern. Das bedeutet Aktivisten mit diesen Angeboten zu gewinnen und zur selben Zeit mit Menschen und Organisationen in breiten Bündnissen zu kooperieren.

Aber um zum Anfangspunkt zurückzukehren: Wir können nur große Dinge erreichen, wenn wir diese kleinen Siege feiern und richtig bewerten können. Der Sturz von Rajoy und PP ist einer von diesen Siegen.

 

Der Artikel erschien auf marx21.net und wurde von Robert Kohl übersetzt.

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