"LEBEN UND LIEBEN OHNE BEVORMUNDUNG" Demonstation und Kundgebung auf dem Platz des 18. März am Berliner Brandenburger Tor. Zahlreiche Frauen demonstrieren friedlich und in guter Stimmung mit Transparenten und Demo-Tafeln für die Abschaffung des § 218, mehr Selbstbestimmung und für die Stärkung ihrer Rechte. © Uwe Steinert, Berlin. www.uwesteinert.de

Die Reform des §218 StGB wurde in einer Kommission versenkt

Als die damals neue Ampel-Regierung vor knapp einem Jahr ihre Arbeit aufnahm, hatten Feminist*innen kurz die Hoffnung, dass Schwangerschaftsabbrüche noch diese Legislaturperiode aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden könnten. Denn Schwangerschaftsabbrüche stehen bis heute im Strafgesetzbuch. Ein Schwangerschaftsabbruch ist damit auch im Jahre 2023 eine Straftat.

Zwar eine, die unter bestimmten Voraussetzungen straffrei ist, aber dennoch eine Straftat. Straffrei bleibt ein Schwangerschaftsabbruch demnach, wenn der Abbruch innerhalb der ersten 12 Wochen der Schwangerschaft stattfindet, die schwangere Person sich einer Zwangsberatung über den möglichen Abbruch unterzieht und wenn zwischen der Beratung und dem Abbruch eine Zeitspanne von 3 Tagen vergangen ist. Und weil Schwangerschaftsabbrüche eben seit Jahrzehnten im Strafgesetzbuch geregelt sind, ist die Versorgungssituation in Deutschland besonders schlecht. Es gibt Gegenden, in denen Schwangere entweder kein*e Ärzt*in mehr finden, die einen Abbruch durchführt, oder dafür stundenlange Fahrten auf sich nehmen muss. Und das dann auch direkt mehrmals, denn es müssen ja die gesetzlichen Beratungsfristen eingehalten werden. Und weil ein Schwangerschaftsabbruch bis dato eine Straftat ist, wird er auch nicht im Medizinstudium gelehrt.

Ein langer Kampf

Feminist*innen kämpfen schon lange dafür, dass Schwangerschaftsabbrüche, die auf Wunsch der Schwangeren stattfinden, endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Ein erster Schritt in die richtige Richtung war 2022 die Abschaffung des §219a StGB, der bis dahin verbot, dass Mediziner*innen auf ihren Webseiten darauf hinweisen konnten, wie sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Diejenigen, die dies trotzdem taten, liefen Gefahr, von Abtreibungsgegner*innen angezeigt zu werden. Dieses so genannte „Werbeverbot“ (allein der Name ist schon irreführend) stammte noch aus der Nazi-Zeit und verhinderte bis letztes Jahr, dass sich Frauen selbstbestimmt bei medizinischem Fachpersonal über Schwangerschaftsabbrüche informieren konnten. Genauso wenig waren sie in der Lage, Ärzt*innen zu finden, an die sie sich im Falle einer ungewollten Schwangerschaft wenden konnten.

Die aktuelle Bundesregierung hat sich nun also vorgenommen, zu prüfen, wie der Paragraph 218 StGB reformiert werden könnte. Da es darüber aber keine Einigkeit in der Regierung gibt, hat sie geplant, eine Kommission einzuberufen, die neben der Reform von §218 auch andere Themen im Bereich der Reproduktionsmedizin prüfen soll. Genannt wurden z.B. Eizellspende und Leihmutterschaft. Mit der Einsetzung der Kommission tut die Koalition so, als würde sie sich um das Thema kümmern, auch wenn jetzt schon klar ist, dass die eigentliche Reform des §218 in dieser Wahlperiode nicht mehr stattfinden wird. Denn im Gegenzug zu SPD und Grünen, die ja tatsächlich auch fordern, dass §218 abgeschafft werden soll, will die FDP ihn nicht antasten. Nun hat die Ampel also diese Kommission gegründet, aber wer darin sitzt, was genau der Arbeitsauftrag ist und wie die Bundesregierung damit umgehen wird, dazu wissen wir bis heute nichts. Umso wichtiger ist hier also der Druck aus der Zivilgesellschaft.

Raus aus dem Strafgesetzbuch

Nachdem die Ampel nun über das gesamte Jahr 2022 immer wieder die zeitnahe Einsetzung der Kommission angekündigt und wieder revidiert hat, warten wir noch immer darauf zu erfahren, wann sie ihre Arbeit endlich aufnehmen wird. Während die grüne Familienministerin Paus im vergangenen Jahr mehrfach nach vorn geprescht ist, hat das SPD-geführte Gesundheitsministerium diese Aussagen immer wieder einkassiert. Noch im November hieß es dort, dass der Zeitpunkt für die Errichtung der Kommission weiterhin nicht feststeht. Ministerin Paus wiederum sagte nun im Familienausschuss des Bundestages, dass mit der Einrichtung der Kommission im Februar oder März gerechnet werden kann. Ob das allerdings auch das Gesundheitsministerium weiß, bezweifle ich nach dem ganzen Hin und Her des letzten Jahres.

Für uns als Linke ist klar, Schwangerschaftsabbrüche haben im Strafgesetzbuch nichts verloren und §218 StGB muss dringend ersatzlos gestrichen werden. Statt Pflichtberatungen wollen wir, dass die Angebote für eine freiwillige Beratung ausgebaut werden, damit jede Schwangere sich beraten lassen kann, wenn sie es möchte und diejenigen, die in ihrer Entscheidung gefestigt sind, nicht mit Zwangsberatungen drangsaliert werden. Jede Frau muss das Recht haben, über ihren Körper frei zu entscheiden. Es darf nicht sein, dass eine Frau ein Kind austragen muss, weil ihr der Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch erschwert wurde. Das mindeste, was die Ampel tun muss, ist die Einberufung der Kommission, damit die Sachverständigen endlich ihre Arbeit aufnehmen können und es danach wenigstens eine klare Empfehlung für die Abschaffung von §218 gibt.

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