Die Doomsday-Clock zurückdrehen – den INF-Vertrag retten!

Nach dem Ausstieg aus dem UN-Klimaschutzabkommen, dem Atomabkommen mit dem Iran, dem internationalen Postabkommen, der UN-Kulturorganisation UNESCO und den Verhandlungen über den UN-Migrationspakt hat Donald Trump nun in einer Wahlkampfrede vor den Midterms, den US-Zwischenwahlen, auch die Kündigung des INF-Vertrags angekündigt. Das ist nicht einfach irgendein Vertrag. Der INF-Vertrag ist deswegen so wichtig, weil er nicht nur Obergrenzen, sondern erstmals seit dem zweiten Weltkrieg die vollständige Abrüstung einer bestimmten Waffengattung geregelt hat, nämlich der atomaren Mittelstreckenraketen.

Damit war das Wettrüsten in diesem Bereich beendet und eine Gefahr gebannt, die die Welt mehrmals an den Rand eines Atomkriegs geführt hat.

Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich in den 80er Jahren von Haus zu Haus gegangen bin, um Unterschriften unter den Krefelder Appell zu sammeln. Millionen Unterschriften kamen damals zusammen und in jedem Dorf gründete sich eine Friedensinitiative.

Wir waren entschlossen, die wachsende Atomkriegsgefahr in Mitteleuropa nicht widerstandslos hinzunehmen. Und am Ende hatten die riesigen Demonstrationen, die Appelle und Blockaden von Raketenstützpunkten, aber auch die vielen Aktivitäten der Friedensfreund*innen in der DDR und den anderen Ostblockstaaten Erfolg: Als Michail Gorbatschow und Ronald Reagan 1987 den INF-Vertrag unterzeichneten, taten sie das auch in dem Bewusstsein, dass die wahnsinnige Anhäufung von atomarem Vernichtungspotenzial in Europa von der Mehrheit der Menschen nicht akzeptiert wird. Die Bilder von der Unterzeichnung dieses Vertrags wurden zum Symbol einer neuen Entspannungspolitik und ließen die Menschen in Ost und West auf ein Ende der Blockkonfrontation und der damit verbundenen Atomkriegsgefahr hoffen.

Dieser Vertrag hat bis vor einigen Jahren hervorragend funktioniert, aber seit der Aufstellung des NATO-Raketenabwehrsystems in Osteuropa kommt es immer wieder zu gegenseitigen Vorwürfen zwischen Russland und den USA, die jeweilige Gegenseite würde den Vertrag verletzen. Während die NATO behauptet, dass Russland neue Mittelstreckensysteme entwickle, meint die russische Regierung, dass die Abschussrampen des NATO-Raketenabwehrsystems auch als Trägersystem für Cruise Missiles taugen könnten und dass die USA den Vertrag mit dem Einsatz von Drohnen statt Raketen brechen. Wirkliche Beweise kann keine Seite vorlegen, allerdings sind alle Vorwürfe auch nicht absolut unvorstellbar. Das allerdings dürfte kein Grund sein, den gesamten INF-Vertrag infrage zu stellen, denn der enthält hinreichende Regelungen für genau diese Art von Konflikten. Er verfügt über ein umfassendes Verifikationsregime, das genau regelt, wie die beiden Seiten gegenseitig ihre Waffensysteme überprüfen können.

Doch die NATO hat sich hier selbst ein Bein gestellt:

Nach der Annektion der Krim durch Russland hat sie eine  Strategie entwickelt, mit der sie Russland unter Druck setzen will. Man nennt dies dort „no business as usual“, was im Kern bedeutet, nahezu allen normalen Austausch mit Russland einzustellen. Damit verschüttet man aber wichtige Kommunikationskanäle, behindert den militärischen Informationsaustausch und damit eben auch solche Verifikationsmaßnahmen. Die Bundesregierung muss also darauf drängen, diese verhängnisvolle Strategie aufzugeben, wenn sie den INF-Vertrag retten will. Der richtige Ansatzpunkt wäre darauf zu drängen, endlich die Verifikations-Kommission des INF einzuberufen und dort ernsthaft und zielgerichtet zu verhandeln und so gegenseitige Inspektionen wieder zu ermöglichen.

Allerdings ist davon auszugehen, dass ein US-Präsident, der Twitter-Einträge und Wahlkampfkundgebungen benutzt, um wichtige internationale Verträge aufzukündigen, etwas stärkere Signale benötigt, um zur Vernunft zu kommen.

Deswegen muss die Bundesregierung öffentlich klarstellen, dass eine Stationierung weiterer atomarer Waffen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland nicht infrage kommt. Das deutlichste Zeichen allerdings wäre, den einmütigen Beschluss des Bundestags von 2010 zum Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland endlich auf den Weg zu bringen sich dem von 122 UN-Mitgliedern verhandelten Atomwaffenverbotsvertrag anzuschließen.

Die Bundesregierung begründet ihre Weigerung zur Unterzeichnung des Atomwaffenverbots meistens damit, dass es gerade die atomare Teilhabe im Rahmen der NATO sei, die der Bundesregierung eine Mitsprache über die US-Atomwaffen sichere. Das das jedoch ein Mythos ist, muss doch spätestens jetzt allen klar sein. Dieses Mitspracherecht geht ja nicht einmal so weit, dass der US-Präsident diejenigen, die am meisten davon betroffen sind, fragen würde, was sie von der Kündigung des INF-Vertrags halten, nämlich die Europäer.

Wolfgang Ischinger, der Leiter der Sicherheitskonferenz, darauf hingewiesen, wie sehr eine Aufkündigung des INF-Vertrags die anderen NATO-Staaten brüskiert. Schließlich ist in der Abschlusserklärung des Warschauer NATO-Gipfels noch festgelegt worden, dass man sich um die Ausräumung der strittigen Punkte gemeinsam mit Russland bemühen werde. Aber das scheint die derzeitige US-Regierung nicht die Bohne zu interessieren.

Und bei einer neuen Aufrüstungsspirale mit Mittelstreckenwaffen, wären es die europäischen NATO-Länder, wo diese stationiert werden würden, um Russland zu bedrohen. Europa wäre auch der Schauplatz eines möglichen Atomkriegs, ob aus Absicht oder aus Versehen begonnen. Schon im Jahr 1983 konnte ein sowjetischer Offizier nur durch Befehlsverweigerung einen Atomkrieg aus Versehen verhindern.

Die Doomsday-Clock, die die Gefahr eines Atomkriegs anzeigt, steht heute auf zwei Minuten vor zwölf. So nahe an der Selbstvernichtung der Menschheit durch die zerstörerischsten Instrumente, die jemals erfunden wurden, waren wir seit dem Koreakrieg 1953 nicht mehr, nicht einmal auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs.

Drehen wir sie zurück!


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Eine Antwort

  1. Diese Verträge sind das Papier nicht wert!
    Solange Aggressoren wie die USA und vertreten durch Geistesgestörte wie Trump das „Weltklima“ vergiften, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen, wird jeglicher Widerstand hoffnungslos.
    Die USA sind seit ihrer Gründung im Eroberungskrieg um Ressourcen und die modernste Armee der Welt wird mit friedlichen Mitteln nicht zu Stoppen sein.

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