Es hat schon eine gewisse Ironie, wer anlässlich der Feierstunde im Bundestag zum hundertjährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts die Kämpfe von Frauen für elementare Frauenrechte gewürdigt hat.
Kaum ein Gesicht ist so mit der Austeritätspolitik verknüpft, die Deutschland knallhart in Europa durchgesetzt hat, wie das des ehemaligen Finanzministers und heutigem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Kaum ein Kabinett der jüngeren Geschichte wird derart mit der Aushöhlung des Sozialstaats verbunden, wie die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, der Christine Bergmann als Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angehörte.
Beide stehen auf je spezifische Weise für eine Politik, die die Lebensgrundlage von so vielen Menschen massiv verschlechtert hat. Beide stehen für eine Politik, von der Frauen in besonderer Weise betroffen und in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden. Der eine trägt diese Politik vor sich her, die andere hat sie vielleicht nur mitgetragen, aber auch das macht es im Endeffekt nicht besser.
Während vor allem in Südeuropa sparpolitische Maßnahmen und Privatisierungen schockartig als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise durchgesetzt wurden, wurden ähnliche Strukturen in Deutschland eher schleichend implementiert. Die Agenda 2010 mit den Hartz-Reformen und dem massiven Ausbau des Niedriglohnsektors, die Einführung neoliberaler Steuerungsinstrumente in verschiedenen sozialpolitischen Bereichen, wie beispielsweise die Fallpauschalen in der Krankenhausfinanzierung oder die Teil-Privatisierung der Altersvorsorge, wurden in Deutschland deutlich vor Beginn der Finanzkrise 2007 von SPD und Grünen gegen massive Sozialproteste durchgesetzt.
Die Krise wurde schließlich von der deutschen Bundesregierung genutzt, die Weisheiten der schwäbischen Hausfrau zu Leitbildern europäischer Finanzpolitik zu erheben. Besonders drastische Auswirkungen hatten die Spar- und Kürzungsprogramme in Griechenland, wo der Ausspruch „Au leider kein Slogan, sondern nicht zuletzt wegen der massiven Einschnitte in der Gesundheitsversorgung bittere Realität wurde. Aber nicht nur die soziale Ungleichheit hat sich rasant durch das Spardiktat verschärft, sondern die Maßnahmen hatten auch direkte Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen.
Von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebene Länderstudien zu den Auswirkungen von Austeritätspolitik auf die Situation von Frauen zeichnen ein differenziertes Bild: So ist es zwar beispielsweise in Griechenland und Spanien in den Anfängen der Krise zu einer Angleichung der Lebensbedingungen von Männern und Frauen gekommen (alle Studien zu finden unter: www.rosalux.de/austerity). Dies aber nur, weil sich die Bedingungen für Männer den schlechten der Frauen angeglichen haben. Die „Bearbeitung“ der Krise – so eine weitere zentrale Erkenntnis der Studien – hat die soziale und ökonomische Situation von Frauen massiv verschlechtert: Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst als ein zentraler Arbeitgeber von Frauen, Kindergeldkürzungen oder gar -streichungen, Einschnitte in Transferleistungen, Erhöhungen von Zuzahlungen zu Gesundheitsleistungen, so dass schwangere Frauen sich nicht mal mehr die Gebühren für Entbindungen im Krankenhaus leisten konnten.
Wenngleich es natürlich Unterschiede in den Folgen gibt, wirken Schuldenbremsen und das Dogma der schwarzen Null auch in Deutschland fatal. Notwendige Investitionen in öffentliche Einrichtungen und soziale Infrastrukturen werden zu Gunsten eines ausgeglichenen Finanzhaushalts nicht getätigt oder es finden (Teil-)Privatisierungen statt. Damit werden geschlechtsspezifische Ungleichheiten zementiert: Es sind gerade Frauen, die in sozialen Bereichen erwerbstätig sind, die unbezahlt Angehörige pflegen, für die eine funktionierende Kinderbetreuung existenziell ist, damit sie überhaupt erwerbstätig sein können, und sei es in ihren schlecht bezahlten Teilzeitjobs oder ihren drei Mini-Jobs.
Angesichts dieser Vielfachbelastungen von Frauen ist es wenig überraschend, wenn wenig Zeit für politische Partizipation bleibt. Dass der Frauenanteil in Parlamenten konstant auf niedrigem Niveau bleibt oder sich, wie sogar im Bundestag zu beobachten, verschlechtert, hat natürlich auch etwas mit den zeitlichen Anforderungen an Frauen und ihren ökonomischen Ressourcen zu tun. So ist es zwar auf der einen Seite durchaus erfreulich, dass mittlerweile selbst die CDU anlässlich historischer Errungenschaften wie der des Frauenwahlrechts nicht darum herum kommt, den Kampf von Frauen für Frauenrechte zu würdigen. Auf der anderen Seite macht es wütend, zuschauen zu müssen, wie zentrale Protagonistinnen und Protagonisten von Verarmungspolitik diese Kämpfe für wohlfeile Reden vereinnahmen.
Umso wichtiger ist es für eine Linke, der es tatsächlich um den ganzen Umbau dieser Gesellschaft geht, immer an den Verbindungspunkten unterschiedlicher Herrschaftsmechanismen anzusetzen: Die aktuelle, insbesondere von Parteien links der CDU und verschiedenen Frauenverbänden erhobene Forderung nach einem Paritäts-Gesetz muss verbunden werden mit dem Kampf um den Ausbau von Infrastrukturen, höheren Sozialleistungen und anderen Arbeitszeitmodellen, damit es tatsächlich Frauen in ihrer gesellschaftlichen Vielfalt nützt. Und andersrum: Der Kampf gegen eine Politik, der die schwarze Null wichtiger als elementare gesellschaftliche Bedürfnisse und Notwendigkeiten ist, ist ein originär feministischer und muss auch als solcher politisiert werden.
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