Als Markus Söder (51), Vater von vier Kindern, sein Amt als Ministerpräsident von Bayern antrat, wurden gleichzeitig auch neue Rahmenbedingungen in der bayerischen Familienpolitik vorbereitet und eingeleitet. Eltern erhalten ab 1. September für die ersten beiden ein- und zweijährigen Kinder jeweils 250 Euro im Monat, unabhängig davon, ob sie in eine Kita oder Krippe gehen.
Für das dritte und jedes weitere Kind gibt es jeweils 300 Euro. Familien erführen damit eine Wertschätzung, und den Eltern solle Wahlfreiheit zugesichert werden, heißt es. Vor allem einkommensschwache Familien sollen profitieren, da das Familiengeld nicht auf Hartz-IV-Leistungen oder andere Sozialleistungen angerechnet würde. Für rund 250.000 Kinder können diese zusätzlichen Leistungen in Anspruch genommen werden, ein unbürokratisches Verfahren wurde zugesichert. 776 Millionen Euro sind dafür im bayerischen Landeshaushalt eingeplant. Abzüglich der 450 Millionen Euro, die für Landeserziehungsgeld und Betreuungsgeld bislang veranschlagt wurden und jetzt umgewidmet werden, kippt Bayern also zusätzlich 326 Millionen Euro nach dem Gießkannenprinzip über Familien aus.
Werden damit wirklich Maßstäbe in der Familienpolitik gesetzt, wie die CSU vollmundig behauptet? Ist der Partei wirklich jedes Kind gleich viel wert, wie sie ebenfalls behauptet? Wohl eher nicht. Bundesweit fehlen rund 300.000 Plätze für Kleinkinder, Bayern steht weit oben im Ranking der Bundesländer mit fehlenden Krippenplätzen. Bei den Betreuungsquoten belegen bayerische Landkreise und kreisfreie Städte sogar neun von zehn der letzten Plätze. Die CSU wischt die Situation gern durch Allgemeinplätze weg: Die Nachfrage sei gar nicht so groß, weil es in Bayern ein eher traditionelles Verständnis von Erziehung gäbe, heißt es beispielsweise. Außerdem investiere man in die öffentliche Betreuung.
Aber: Das Land investiert in die frühkindliche Bildung erheblich weniger als andere Bundesländer. Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern ist dort zudem besonders hoch, was die Attraktivität von Krippen nicht gerade erhöht. Für einen kindgerechten Personalschlüssel müssten in Bayern zusätzlich 8400 Vollzeitkräfte eingestellt und dafür 389 Millionen Euro jährlich ausgegeben werden. Ein Betrag, der mit dem neuen Familiengeld hätte finanziert werden können und damit strukturelle Probleme gelöst hätte.
Das Familiengeld ist daher Augenwischerei. Mehr noch: Es ist eine Falle – für Kinder, vor allem aber für Frauen. Denn 250 Euro monatlich klingen zunächst gut, ergeben aber zusammen nur 6000 Euro insgesamt. Und ab dem dritten Geburtstag ist eh Schluss. Da fangen die Betreuungsprobleme aber erst richtig an; und wie wichtig eine Krippe für ein Kind und für die berufliche Eigenständigkeit einer Frau ist, wissen wir alle. Selbst wenn Eltern ihr Kind trotz Familiengeld in eine öffentliche Betreuung geben wollen, damit die Auszeit aus dem Beruf nicht so lange andauert – es fehlen überall Plätze sowie ausreichend hohe Qualitätsstandards.
Wenn Familien jedoch keinen Krippenplatz mehr einfordern, der Kindern mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit ermöglicht, der Frauen einen reibungsloseren Wiedereinstieg in den Job ermöglicht, ist weiterhin Armut programmiert – vor allem bei einkommensschwächeren Familien, vor allem bei Alleinerziehenden. Kinder bleiben also, auch in Bayern, vor allem für Frauen ein Berufs- und Armutsrisiko. Denn es fehlen ja nicht nur Krippenplätze: Es fehlen Plätze für Kinder ab drei Jahren, es fehlen Horte.
Das hat schwerwiegende Nachteile für Frauen. In Bayern sind 73,8 Prozent der Frauen berufstätig. Während in Europa Frauen 16 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, liegt der Einkommensunterschied in Deutschland bei 21 Prozent. In Bayern ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen noch gravierender: Bayerische Frauen verdienen im Schnitt 24 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
DIE LINKE kritisiert daher jede Form von Herdprämien. Wir brauchen ein bedarfsgerechtes Angebot mit einer alters- und elternunabhängigen Absicherung. DIE LINKE fordert eine bundeweite Kindergrundsicherung in Höhe von 537 Euro und ein Kita-Qualitätsgesetz.[1] Beides zusammen würde Chancengleichheit ermöglichen, Frauen den Rücken stärken und wirkliche Wahlfreiheit bedeuten. Ein Sonderweg wie in Bayern dagegen spaltet die Gesellschaft zusätzlich. So ist das Familiengeld nur ein teures Wahlkampfgeschenk, das einen Monat vor der Landtagswahl das erste Mal ausgezahlt wird. Ob es der CSU hilft, die schlechten Umfragewerte aufzufangen, ist fraglich.
Und vor allem es wird nicht dazu beitragen, altbackene Bilder vom Familienglück zu reformieren. In vielen Köpfen schließen sich Frausein und berufliche Karriere nämlich nach wie vor aus. Sexistische Denkmuster in Bezug auf „traditionelle Erziehung“, was auch immer damit gemeint sein mag, führen zu einer Familienpolitik, die vor allem Frauen wirtschaftlich schlechter stellt. Das Familiengeld ist daher eine Mogelpackung. Es lässt die Eltern mit der nach wie vor schwierigen und oft aussichtslosen Organisierung von Betreuung der Kinder alleine. An steigenden Mieten und (zu) hohen Betreuungskosten will die CSU außerdem nichts ändern – dabei könnten hier Familien wirklich entlastet werden. Das Familiengeld wirkt daher eher kontraproduktiv und wird Frauen wahrscheinlich davon abhalten, sich einen Job zu suchen. Sie werden es merken – spätestens, wenn sie ihren Rentenbescheid sehen.
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