Lehrerstreik Niederlande

Lehrerstreik in den Niederlanden – Mehr Kohle, weniger Druck!

Am Dienstag haben Grundschullehrerinnen und -Lehrer überall in den Niederlanden für eine Stunde die Arbeit niedergelegt. Der Streik war der erste Ausstand im niederländischen Bildungssystem seit 2012. Die Initiative ging aus von der Aktionsgruppe PO in Actie (Grundschulunterricht in Aktion), die mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, und folgte auf einer breit unterstützten Petitionskampagne für mehr Lohn und weniger Arbeitsbelastung. Doch um ihre Forderungen durchzusetzen, braucht es noch viel mehr.

Der Streik am Dienstagmorgen ging einher mit einer Demonstration am zentralen Malieveld in Den Haag am Mittag. Das PO-Front, ein Bündnis aus PO in Aktion, die Gewerkschaften CNV, Aob und FNV als auch Schulleitungen, hat sowohl die Streikaktion als auch die Kundgebung in Den Haag organisiert. Aus dem ganzen land sind etwa 2000 Lehrerinnen und solidarische Eltern  mit vielen selbst gemalten Transparenten nach Den Haag gekommen.

PO in Aktion verdient volle Unterstützung für ihre Initiative und die offensive Ziele. Forderungen, für die sich die Gewerkschaften eigentlich hätten einsetzen sollen, werden jetzt von ihnen organisiert. Viele Beteiligten waren äußerst skeptisch über die Gewerkschaften im Bildungssektor. Mit gutem Grund, denn diese haben seit 15 Jahren rasanten Kürzungen und miserablen Löhne hingenommen. So liegt das Einstiegsgehalt für Grundschullehrer liegt mit 2436 Euro brutto etwa 900 Euro unter dem Vergleichsgehalt in NRW und Niedersachsen, obwohl die Unterhaltskosten noch höher liegen. Die allgemeine Stimmung war, dass die Lehrerinnen jetzt selbst aktiv werden müssen.

Die anwesenden Gewerkschaften nutzten die mediale Aufmerksamkeit mit vielen Fahnen obwohl sie nur geringe Bereitschaft zeigten, die Aktionen zu organisieren. Nina aus Oosterwijk erzählte: „In meiner Schule ist nur noch ein Lehrer  überhaupt Gewerkschaftsmitglied. Es spricht Bände, dass PO in Aktion in der Lage ist, so vielen ohne Unterstützung der Gewerkschaften zu mobilisieren.“

Leon Wouters aus Nimwegen sagte: „Viele Kollegen geben den Unterricht auf weil es einfach keinen Spaß mehr macht. Die Gewerkschaft hat das zu verantworten. Die Funktionäre haben über Jahre hinweg schlechte Tarifverträge ausgehandelt, haben sich für Dumm verkaufen lassen. In September müssen wir eine Woche dichtmachen.“

Programm und Perspektive

Auch das Programm der Demonstration war wenig motivierend. Es gab viel Musik, eine gute Rednerin von PO in Aktion, aber auch viel Aufmerksamkeit für die SpitzenkandidatInnen aller Parteien, von denen die meisten lauter leere und vage Versprechungen ausgesprochen haben. Sogar Wilders PVV war eingeladen und vertreten von Harm Beertema – und das trotz des Beschlusses des Gewerkschaftsbundes FNV, die rassistische Partei nicht mehr einzuladen.

Das Ergebnis war widersprüchlich. Einerseits kam der Sozialdemokrat Lodewijk Asscher nicht durch mit seinem Aufruf für höhere Löhne, trotz jahrelangen Lohnverzichtes unter sozialdemokratischen MinisterInnen. Andererseits haben rechte und rassistische PolitikerInnen eine Bühne bekommen, was zudem noch eine kostbare Gelegenheit, Erfahrungen mit Demonstrationen zu sammeln, versaut. Das PO-Front hat den aktiven Lehrerinnen und Lehrer keine Perspektive für den weiteren Kampf angeboten. Die Herausforderung für PO in Aktion wird sein, ihre Unabhängigkeit und eigene Aktionsbereitschaft in der kommenden Zeit zu stärken. Dafür muss es ziwschen unterschiedlichen Interessen navigieren.

Innerhalb des PO-Front wird zum Beispiel mit den Schulleitungen zusammengearbeitet. Diese wollen natürlich auch mehr Geld, doch darüber wollen sie selbst verfügen. Die Schulleitungen haben kein Interesse an gut organisierten Belegschaften in den eigenen Schulen.

Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften ist sehr willkommen, denn sie können Forderungen viel Kraft verleihen, da sie über eine Streikkasse verfügen. Die AOb ist jedoch eine notorisch konservative Gewerkschaft die nie vorne mit dabei ist. AOb-Bürokraten werden vor allem auf die eigene Sichtbarkeit und Mitgliedergewinnung achten. Schon die Streikreihe vor fünf Jahren, die in einem massiven Streik endete und ein Protest von 50.000 Kollegen im Ajax Amsterdam Arena gipfelte, ging aus einer Initiative von selbstorganisierter Lehrer, die sich linkse leraren (linkische Lehrer) nannten, hervor.

Der Erfolg der Aktion am Dienstag war aber die Breite des Unterstützerumfelds. Es wurden hunderttausende Unterschriften gesammelt, die Berichterstattung war größtenteils positiv. Sehr wichtig ist auch, dass so viele Eltern die Lehrer unterstützt haben. Mit diesem Rückenwind ist vieles möglich. Und es scheint auch das Selbstvertrauen der Lehrer zu stärken. Laut einer Umfrage von PO in Aktion  gaben 97 der Lehrern an, streiken zu wollen. Und da eine rechte Regierung vorbereitet wird, könnte sich der Kampf sich bald ausweiten.

Ein Artikel von Lode Koelewijn und Ewout van den Berg der auf Socialisme erschien und von Frederik Baluwhof ins Deutsche übersetzt wurde.

 

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