Kuba ist ein berechtigter Sozialismusversuch – Im Gespräch mit Zaklin Nastic

Kuba gilt als der letzte sozialistische Staat der Welt, von den einen wird er deswegen bewundert und verteidigt, von den anderen kritisiert. Wir haben mit Zaklin Nastic, menschenrechtspolitischer Sprecherin der Linken im Bundestag, über ihren Kubabesuch, das kubanische Gesundheitssystem und die Auswirkung der US-Politik gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Was war der Grund deines Kubabesuchs?

Zaklin Nastic: Auf Initiative von Cuba Si reisten wir als Abgeordnete der Linksfraktion nach Kuba um uns ein Bild von der Situation zu machen und mit den Menschen ins Gespräch kommen. Insbesondere neu gewählte Abgeordnete sollten die Möglichkeit bekommen sich direkt vor Ort informieren zu können. Cuba Si ist eine Arbeitsgemeinschaft der LINKEN,deren Grundanliegen die politische und materielle Solidarität mit Kuba ist. In den letzten Jahrzehnten wurde hier eine enorme Solidaritätsarbeit geleistet. Insbesondere jetzt da Trump den Kurs gegenüber Kuba verschärft hat, es einen Wechsel an der Spitze des Staates gab und bevor erstmals ein Gipfel zwischen der EU und Kuba abgehalten wurde war die Reise gleichzeitig auch Ausdruck unserer Solidarität mit den Menschen in Kuba.

Die Freiheitsliebe: Du hast dich dort mit Ärzten getroffen, wie würdest du das kubanische Gesundheitssystem beurteilen?

Zaklin Nastic: In Kuba existiert ein Sozial, und Gesundheitssystem welches jedem Inselbewohner eine umfassende Gesundheitsfürsorge garantiert. Die Kranken,- Pflege,- Unfall und Arbeitslosenversicherung werden über Steuern finanziert. Kuba investiert enorm viel in sein Gesundheitssystem. Alleine für das Gesundheitssystem werden 28 % des Haushaltes bereit gestellt. Nimmt man die Ausgaben für das Bildungssystem hinzu, gibt Kuba mehr als 50 % seines Haushaltes für diese beiden Bereiche aus. Das Medizinstudium ist kostenlos und trägt dazu bei, dass in Kuba auf 1000 Einwohner 6,12 Ärzte kommen wohin gegen es in Deutschland lediglich 3,73 Ärzte auf 1000 Einwohner sind. Auch der Medizinforschung wird großer Wert beigemessen. So zählt Kuba zu den ersten Ländern, die Impfstoffe gegen Hepatitis B und Meningitis B und C entwickelt haben. Auch in der Augenheilkunde sind Kubanische Ärzte Vorreiter oder auch in der Krebsforschung. Als menschenrechtspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag bin ich begeistert davon, wie auf Kuba das Menschenrecht auf Gesundheit umgesetzt wird und vor allem auch der Zugang zu medizinischer Versorgung für alle gewährleistet wird. Daran könnte sich die deutsche Bundesregierung mit ihrer Zwei-Klassen-Medizin und Pflegenotstand eine Scheibe von abschneiden. Was mich auch entsetzt und einmal mehr deutlich wurde, ist dass die Blockade der USA im Zweifel Menschenleben kostet und endlich aufgehoben werden muss. Mit dieser Forderung sind wir LINKE nicht alleine, uns folgen darin sowohl die EU als auch die Vereinten Nationen, welche sich zuletzt im November 2017 für ein Abschaffung der Blockade ausgesprochen hatten, an der lediglich die USA und Israel festhalten.

Die Freiheitsliebe: Wie zufrieden sind die Menschen mit der aktuellen Situation in Kuba?

Zaklin Nastic: Das ist schwer zu beantworten, aber ich kann meine subjektiven Eindrücke versuchen wiederzugeben. Ich habe den Eindruck, dass materielle Zukunftsängste geringer sind als hierzulande und ich in den Städten und Ortschaften Kubas ein Gefühl von Zusammenhalt zwischen den Menschen wahrnehmen konnte. Aus meinen Gesprächen heraus kann ich auch sagen, dass die Menschen Kubas mit der Situation im Gesundheitsbereich in der Regel mehr als zufrieden sind. Was ich hinzu latent verspürte, war eine gewisse Umbruchstimmung. Es wird viel und offen über den Führungswechsel an der Staatsspitze diskutiert. Mit Miguel Mario Diaz-Canel Bermudez steht zum ersten Mal jemand an der Staatsspitze der nicht der sogenannten Revolutionsgeneration angehört. Auch die Änderungen im Bereich der Wirtschaftspolitik, wie z.B. die Möglichkeit sich selbstständig machen zu können, was von vielen Menschen angenommen wird, oder die Frage der Währungen und die Blockadesituation sind allgegenwärtig, aber nicht bedrückend. Intensiv wurde auch über die anstehende Verfassungsreform diskutiert. Diese soll durch ein Referendum zur Abstimmung gestellt werden. Wie stark der gesellschaftliche Zusammenhalt ist wurde am 1. Mai sichtbar. Sieben von 11 Millionen Kubaner gingen auf die Straße und demonstrierten über alle Generationen hinweg auch ihre Solidarität mit dem kubanischen Gesellschaftssystem.

Die Freiheitsliebe: Welche Auswirkung hat die Politik unter Trump auf die Menschen?

Zaklin Nastic: Das Verbot von Handelsbeziehungen, Ablehnung der in den Vereinten Nationen auf die Aufhebung der Blockade gegen Kuba gerichteten Aktionen oder die strikte Durchsetzung des Verbots von Reisen nach Kuba sind regressiv. Präsident Trump hat das Verhältnis zwischen Kuba und den USA auf einen neuen Tiefpunkt gebracht. Innerhalb der USA gibt es eine sehr rechte Machtelite, die auf eine Rückkehr zur harten Konfrontationspolitik mit Kuba hinarbeitet. Dennoch, viele Menschen die ich sprechen konnte, nahmen das mit einer erstaunlichen Gelassenheit hin. Sie haben von Trump nichts anderes erwartet und lassen sich nicht beirren. Andere hingegen verstehen die Politik Trumps als Kampfansage und zeigen sich regelrecht trotzig und verweisen auf die bisherigen Errungenschaften Kubas, die trotz Blockade erreicht worden sind. Ich war positiv überrascht, wie besonnen und klug Kuba damals auf die Ankündigungen Trumps reagierte.

Die Freiheitsliebe: Würdest du Kuba als sozialistisch bezeichnen?

Zaklin Nastic: Kuba ist ein berechtigter Sozialismusversuch der von mir selbstverständlich unterstützt wird. Allen Umsturzversuchen und Blockaden zum Trotz wurden Errungenschaften erkämpft die heute für viele Menschen weltweit erstrebenswert sind. Denn eines zeigt Kuba auch ganz deutlich: Nicht eine Ellbogengesellschaft sondern die Solidarität untereinander und miteinander ist ein Schlüssel für ein alternatives Gesellschaftsmodell. Zugleich ist jede Errungenschaft in Kuba auch ein Aufzeigen dessen, dass sich, auch wenn man in den globalisierten Kapitalismus eingespannt ist, sich Räume der Solidarität, des Fortschritts und der sozialen Absicherung (für alle), erkämpfen lassen. In Kuba wurde diese Absicherung konkret für die Menschen umgesetzt.

Die Freiheitsliebe: Abschließend nochmal zum Gesundheitssystems: Sollten wir in Deutschland von kubanischen Ärzten lernen?

Zaklin Nastic: Unbedingt aber nicht nur von den kubanischen Ärzten, sondern auch von den Menschen. Viele Ärzte erklärten mir, dass sie es als Privileg erachten überhaupt die Möglichkeit bekommen zu haben, Arzt oder Ärztin werden zu können. Ihnen ist sehr wohl bewusst, dass sie in anderen Gesellschaftssystemen aufgrund ihrer Herkunft keine Chance auf ein Studium gehabt hätten. Sie alle eint das Gefühl etwas der Gesellschaft zurück geben zu wollen. Nicht nur der kubanischen. Das zeigt sich auch in den Aktivitäten Kubas weltweit. Beispielsweise hat Kuba zurzeit mehr als 4000 Helfer in 32 afrikanischen Ländern. Seit der Revolution von 1959 sind insgesamt 76.000 Helfer in diese Region geschickt worden. Auch war das Land Anfang 2010 eines der ersten, die Haiti nach dem verheerenden Erdbeben zur Hilfe eilten. Alleine in Brasilien und Venezuela arbeiten mehr als 20 000 kubanische Mediziner.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

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Eine Antwort

  1. Im Artikel finden sich einige gute Hinweise über die historischen Hintergründe etc., leider aber eine einseitige positivistische Darstellung. Dass es aktuell eine wachsende, mittlerweile doch auch große soziale Schere gibt, vor allem zwischen Privilegierten, die im Tourismussektor arbeiten oder ihre schönen Häuser vermieten, und den normalen Arbeitern, wird leider nicht thematisiert. So kommt man nicht wirklich weiter…

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