Dies war der triumphierende Ausruf von Jacinda Ardern am Abend ihres erneuten Wahlsiegs, welcher mit einer derart überwältigenden Mehrheit erfolgte, dass sie zum ersten neuseeländischen Staatsoberhaupt wurde, dass unter unserem Verhältniswahlrecht mit einer offensichtlichen Mehrheit gewann. Dieser Abend gab Ardern und Ihren UnterstützerInnen mit Sicherheit Anlass zur Feier.
Für Ihre direkte und entschlossene Führung in der Bekämpfung von Covid-19 wurde sie gut belohnt. Neuseeländerinnen der Arbeiterklasse sind mit Recht stolz auf unser Zusammenkommen, welches erfolgreich die Ausbreitung des Virus innerhalb unserer Inselnation stoppen konnte.
Das Wahlergebnis kontrastiert stark mit dem politischen und sozialen Chaos in den Vereinigten Staaten. Dort versagt der rechtsextreme, rassistische Präsident Donald Trump im Kampf gegen das Virus und priorisiert die Wirtschaft gegenüber Menschenleben. Derweil fördert er unter seinen fanatischen AnhängerInnen Anti-Masken und Anti-Lockdown Gedanken.
Fast eine Viertelmillion AmerikanerInnen mussten am Virus sterben und das sehr knappe Wahlergebnis porträtiert eine Polarisierung des Landes, wie es sie seit den 1960 Jahren nicht gab. Weiterhin zeigt es das absolute Versagen der, von Konzernen unterstützten, demokratischen Elite, dem Trumpismus Widerstand zu leisten.
Aber mit dieser geschichtsträchtigen Anzahl an Unterstützung sowohl der ArbeiterInnen als auch der Mittelschicht, stellt sich die Frage: Kann Ardern ihrer Aussage „für alle zu regieren“ gerecht werden?
Eine Frage der Schichten
Eine Einzigartigkeit, die die Covid-19 Debatte ans Licht bringt, ist das übereinstimmen der mittelfristigen Interessen der Kapitalistenklasse mit den kurzfristigen Interessen der Arbeiterklasse.
Die Antwort der Rechten, die Wirtschaft so „offen“ wie möglich zu halten, erhielt Unterstützung eines Teils der Wirtschaft, bestätigte der damalige Vorsitzende der Nationalen Partei Simon Bridges. Dies war die Vorgehensweise in Ländern wie der USA, Großbritannien und Irland, mit konservativen Regierungen, welche dementsprechend von dem Virus betroffen waren.
Ardens Ansatz, welcher in Ihrem Slogan „go hard, go early, stamp it out“ dargestellt wird, war tatsächlich die effektivste Strategie die Wirtschaft wieder zu eröffnen um schnellstmöglich zur Normalität zurückzukehren und. Dies war maßgeblich um, sich nicht nach sechs Monaten wieder zurückziehen zu müssen. Clevere Führungskräfte in der Wirtschaft erkannten Ardens Strategie und unterstützen sie, nun werden sie, im Gegensatz zu anderen OECD Ländern, durch eine bedeutend weniger harte Wirtschaftskrise belohnt.
Allerdings schuf die Covid-19 Krise weitere Streitpunkte und zwang die Labour Partei zügige Entscheidungen basierend auf dem Klassensystem zu treffen. Ardern und Ihr damaliger Finanzminister Grant Robertson handelten umgehend und investierten Milliarden Dollar um die Wirtschaft während des Lockdowns aufzubessern.
Weiterhin rief die Regierung einen sechsmonatigen „Hypothekenurlaub“ für betroffene HausbesitzerInnen ins Leben. Ein Schritt, welcher der Mittelschicht und älteren, besser situierten Teilen der Arbeiterklasse erlaubte sich etwas sicherer zu fühlen. Allerdings war die einzige Hilfe für die stetig wachsenden Zahl neuseeländischer HausvermieterInnen – welche in den letzten dreíßig Jahren auf mehr als ein Drittel der Bevölkerung angewachsen ist – ein Mietendeckel zwischen März und September.
Wo war der Zahlungsaufschub für die Hunderttausend MieterInnen, welche durch den Lockdown und die Rezession in eine Finanzielle Notlage geraten zu drohten?
Diese Entscheidungen waren lediglich die Weiterführung des kläglichen Versagens der Labour Partei im Umgang mit der Wohnungskrise. Die Regierung baute nur 2,726 staatliche Unterkünfte, obwohl das Land mehr als 40,000 obdachlose Personen beherbergt.
Ein Mietstopp für die nächste Zukunft hätte die ArbeiterInnen etwas erleichtern können, welche Woche um Woche dafür kämpfen, den Forderungen ihrer VermieterInnen gerecht zu werden. Aber die Labour Partei unterstützt die VermieterInnen, nicht die MieterInnen.
Währenddessen implementierte die Labour Partei ein „divide-andrule“ Verfahren für staatliche Unterstützung. ArbeiterInnen, welche aufgrund von Covid-19 entlassen wurden, erhalten 490$ die Woche, während die bereits vorher arbeitslosen EmpfängerInnen mit 200 – 250$ die Woche weiterhin an der Armutsgrenze leben müssen.
Die Labour-Partei entschied sich auch streng gegen die Wahlpolitik der Grünen, welche vorschlagen MillionärInnen mit einem Satz von 1 % und MultimillionärInnen mit einem von 2% zu besteuern, um für ein garantiertes Grundeinkommen von 325$ zu zahlen. Diese Forderung ist immernoch unter der Empfehlungen der Labour-Grün Regierung zum Thema Wohlfahrt und ebenso zu dem Thema welches Ardern zu ihrer persönlichen Verantwortung erklärt hat: Armutsbekämpfung!
Weiterhin gibt es langfristige, systemische Krisen wie beispielsweise Neuseelands Niedriglohnwirtschaft und die Klimakrise. Die Regierung hat lediglich das mindest Notwendige für diese Problemgebiete getan.
Ja, Sie erhöhten den Mindestlohn – allerdings befindet dieser sich immer noch 15% der Bevölkerung (3,20$) unter einem existenzsichernden Lohn, welcher einen Mindestlohn darstellt der benötigt wird um über der Armutsgrenze zu leben.
Im Gegensatz zu den Grünen hat die Labour Partei sich nicht für eine Opt Out Gewerkschaftsmitgliedschaft eingesetzt. Dies könnte sehr viel Zeit für Gewerkschaftsorganisationen und -delegierte im ganzen Land sparen, indem es ihnen ermöglicht sich auf Kampagnen und Streiks zu konzentrieren, anstatt sich ständig mit der Rekrutierung neuer Mitglieder zu beschäftigen.
Die Regierung hat zudem auch in der lang bestehenden Problemaatik der Klimakrise kläglich versagt, wo sie die AktivistInnen mit laschen, unverbindlichen Zero Carbon Vorschlägen zufrieden stellen möchten und nicht einmal Neuseelands stärksten Versuchmutzungs Faktor, die Landwirtschaft, in Angriff nehmen.
Diese Problematik liegt den Grünen, aufgrund der Bemühungen des neoliberalen Klimaminsiters James Shaw, sehr am Herzen. Dieser ist weiterhin in seiner Position aufgrund der seltsamen Entscheidung seiner Partei ein Vertrauens- und Lieferabkommen mit einer Merheitsregierung einzugehen, anstatt dieser Regierung von Links Opposition entgegenzubringen, was nötig gewesen wäre.
Der Grund weshalb die Labour Partei (eine angebliche Arbeiterpartei) und Ardern mit Ihrem ganzen Gerede über „Freundlichkeit“, nicht für „alle NeuseeländerInnen“ regieren kann, wenn es um drängende Themen wie die Wohnungskrise, Armut, niedrige Löhne oder den Klimawandel geht ist, dass diese Partei versucht ein kapitalistisches System zu verwalten, den Klassenkonflikt zu minimieren und die Wirtschaft kurz- bis mittelfristig wachsen zu lassen.
Als es um Covid-19 ging, stimmten die mittelfristigen Interessen der Wirtschaft tatsächlich vorübergehend mit den Interessen der ArbeiterInnen überein. Langfristig sind die Interessen der Kapitalistenklasse aber in dem neoliberalen Wirtschaftsmodell verwurzelt. Dort werden die Steuern für die oberen Schichten niedrig gehalten, ebenso wie die Löhne für die ArbeiterInnen, jede Umverteilung des obszönen Reichtums der Reichen wird minimal gehalten, das Menschenrecht auf Wohnen ist weiterhin eine Ware, welche ge- und verkauft wird und auf die spekuliert werden kann und welches so für eine immer größere Zahl von ArbeiterInnen unerreichbar bleibt. Derweil wird das Wirtschaftswachstum gefördert – ein Wachstum, das jetzt das Risiko birgt, den Planeten, auf dem wir leben, unbewohnbar zu machen.
Ardern und die Labour Partei sind eine reformistische Partei des Dritten Weges, im Stil des Tony Blair in Großbritannien und des Bill Clinton in den USA. Sie haben sogar die grundlegenden linken Prinzipien von sozialdemokratischen Führern aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, wie Michael Joseph Savage, aufgegeben. Ebenso wie das ursprünglichen Ziel der sozialistischen Gründer von Labour die kapitalistische Gier und das damit verbundene Elend für den Rest von uns endgültig zu beenden.
Savage und die erste Labour-Regierung (1935- 1949) konnten damals zumindest teilweise behaupten, dass sie „für alle regierten“. Sie erbauten die ersten staatlichen Häuser und schufen das Wohlfahrtssystem, wodurch sie, indem sie die Steuern für Reiche erhöhen, oder finanziell weniger privilegiere versorgen konnten. Allerdings schafften sie es letztendlich nicht die bestehende Macht der kapitalistischen Elite in Aotearoa nicht zerstört und ermöglichten es dem System als Ganzes weiterhin fort zu bestehen. Mit der Zeite setzte es sich auf die extremen Ungleichheit zurück die wir heute sehen.
Das kann Ardern nicht behaupten; ihre Regierung wird zwar weiterhin milde Reformen durchführen, aber insgesamt werden sie die Grundlagen des Neoliberalismus in diesem Land nicht einmal anrühren.
Nein, die Labour Partei des 21. Jahrhunderts wird nicht für die ArbeiterInnen regieren.
DER FALL FÜR HOFFNUNG
Trotz allem, besteht kein Grund zu verzagen. wenn die Labour Partei sich weigert, für alle zu regieren, bedeutet das nicht unbedingt, dass sie nicht gezwungen werden kann.
Die erste Labour-Regierung, schaffte den Fortschritt für die Arbeiterpartei in dem 30er und 40er Jahren, weil Neuseeland über eine mächtige Gewerkschaftsbewegung verfügte. Wir können und müssen eine solche Bewegung wieder aufbauen.
Die Arbeiterbewegung muss Mut aus dem Wahldebakel der Nationalen Partei, Winston, der rassistischen NZ First sowie den kleinen verschwörerischen rechten Randparteien (die Neuen Konservativen, Advance NZ und andere) schöpfen. Wir können nicht darauf warten, dass diese Labour-Regierung mit ihrem riesigen Mandat den Wandel herbeiführt, den wir so verzweifelt brauchen, sondern ihn fordern.
Zu den roten Themen, mit denen wir Wahlkampf machen sollten, gehören:
- Den Mindestlohn zu einem existenzsichernden Lohn machen.
- Garantie eines angemessenen universellen Mindesteinkommens von mindestens 500 Dollar pro Woche für Neuseeländer, zusammen mit universellen, kostenlosen Grundversorgungsleistungen wie Universität und Zahnpflege
- 100.000 staatliche Wohnungen bauen und Mieterhöhungen dauerhaft einfrieren
- Amnestie für Arbeitsmigranten, sowohl offshore als auch onshore, die schon viel zu lange unter unsicheren Bedingungen leben, oft mit an ihre Chefs gebundenen Visa
- Schaffung eines „Green New Deal“, um unsere Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren von der Landwirtschaft und fossilen Brennstoffen wegzubringen und Hunderttausende von gut bezahlten Arbeitsplätzen zu schaffen
Eine weitere Frage die von der Linken in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen angesprochen werden muss, ist die Frage, ob wir bereit sind, eine neue linke Partei aufzubauen. Sie muss diese Forderungen zusammenführt und eine echte Opposition zur jetzt hegemonialen Labour-Regierung darstellen.
Die Grünen haben uns gezeigt, sie die Linke nicht repräsentieren können als sie den Ex-Unternehmensberater James Shaw zu ihrem männlichen Co-Vorsitzenden wählten, und sie haben es wieder gezeigt, als 85% der Parteimitglieder die Labour Partei in der Regierung unterstützten, anstatt unabhängig zu werden und eine linke Oppositionspartei zu sein.
Leider können der Wahlen der neuen linken Abgeordneten Teanau Tuiono, Dr. Elizabeth Kerekere und Ricardo Menéndez March (welche Verbündete der linken Co-Vorsitzenden Marama Davidson sind) nichts daran ändern. Wir sollten diese neuen Abgeordneten willkommen heißen und mit ihnen zusammenarbeiten, wo immer sie bereit sind, sich an die Seite der Bewegungen auf der Straße zu stellen, auch wenn wir im großen und Ganzen unsere Erwartung, die Linke zu vertreten, nicht nur auf eine Halbe Parlamentspartei legen können.
Socialist Aotearoa glaubt, dass eine neue linke Partei rechtzeitig für die Wahlen 2023 aufgebaut werden muss. Diese muss kämpfende Gewerkschafter, die Linke der sozialen Bewegungen und die Māori-Linke, mit der wir 2011-2014 in der Mana-Bewegung zusammengearbeitet haben, zusammenführen. Eine solche Partei würde eine echte, unabhängige Stimme für Arbeiter im Kampf gegen den neoliberalen Kapitalismus und all die sozialen und ökologischen Krisen, die er verursacht, bieten.
Wir haben nicht vor, alleine, als isolierte Gruppe von Revolutionären zu kämpfen. Wir wollen in einer vereinten Front mit denen bilden, die im letzten Jahrzehnt versucht haben, Mana aufzubauen, und mit Leuten der reformistischen Linken, von populären Figuren wie Jeremy Corbyn, Bernie Sanders, Alexandria Ocasio Cortez und Evo Morales inspiriert.
Eine Koalition ist notwendig für eine Partei mit Erfolgschance an Stelle einer kleinen, alleine stehenden Gruppe.
Aber vor, während und nach der Gründung einer solchen Partei glauben wir, dass der Kampf für die Rechte der Arbeiter, den Umweltschutz, den sozialen Wandel und Tino Rangatiratanga weitergehen muss. Ohne Gewerkschaften und fortschrittliche Bewegungen werden wir nirgendwo hinkommen.
Der Beitrag von Elliot Crossan erschien in Socialist Aotearoa, übersetzt wurde er von Emily