Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner heutigen Entscheidung den Berliner „Mietendeckel“ für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. Durch den Mietendeckel wurden die Mietpreise für Wohnraum für einen Zeitraum von fünf Jahren – bis auf einen kleinen jährlichen Inflationsausgleich – eingefroren. Außerdem wurde es Vermieterinnen und Vermieter verboten, überhöhte Mieten zu verlangen.
Das heißt: Je nach Baujahr, Ausstattung und Lage einer Wohnung gab es eine Obergrenze, oberhalb derer Mieten nicht gezahlt werden mussten. 1.500.000 Menschen hatten für einige Monate keine exorbitanten Mieterhöhungen zu befürchten. Hunderttausende haben von einer Absenkung ihrer „Wuchermiete“ profitiert und finanziell neue Luft zum Atmen bekommen.
Die Entscheidung
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung allein mit formellen Fragen hinsichtlich des Mietendeckels beschäftigt. Das heißt: Die Frage, ob der Mietendeckel angesichts der dramatisch steigenden Mieten in Berlin verhältnismäßig war, wurde nicht beantwortet und spielte keine Rolle. Das Gericht hat sich einzig mit der Frage beschäftig, ob dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungsinhalte des Mietendeckels zusteht. Die entscheidende Frage war also, ob Berlin als Bundesland überhaupt einen Mietendeckel erlassen durfte.
Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht verneint. Anders als der Berliner Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin kam das Gericht zu der Überzeugung, dass es sich bei dem Mietendeckel um eine Materie des „Bürgerlichen Rechts“ handelt, für die der Bund mit dem Mietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch, insbesondere mit den Vorschriften zur sogenannten Mietpreisbremse, abschließende Regelungen erlassen hat. Nach der Systematik des Grundgesetzes ist es dem Land Berlin aufgrund dieser abschließenden Regelung verboten, im Bereich des sozialen Mietrechts gesetzgeberisch tätig zu werden. Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin und Teile der Rechtswissenschaft waren demgegenüber der Auffassung, dass es sich beim Mietendeckel um Regelungen aus dem Bereich des „Wohnungswesens“ handelt, in dem die Bundesländer unstreitig allein tätig werden dürfen.
Konsequenzen für linke Politik
Lamentieren hilft nicht. Karlsruhe hat gesprochen. Nun gilt es, in die Zukunft zu sehen. Die Konsequenz aus der Entscheidung für linke Wohnraumpolitik ist klar: Wir brauchen sofort einen bundesweiten Mietendeckel, um die Spirale der steigenden Mieten zu stoppen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat aufgezeigt, dass ein Mietenstopp nur auf Bundesebene umgesetzt werden kann. Der Bund darf also einen Mietendeckel einführen.
Die Mietenfrage ist eine der drückendsten sozialen Fragen dieser Zeit, daher muss der bundesweite Mietendeckel eine Kernforderung linker parlamentarischer Politik sein. Damit sind wir nicht allein: 71 Prozent der Bevölkerung fanden den Mietendeckel laut einer deutschlandweiten Umfrage im Februar 2020 „eher gut“. Demgegenüber standen gerade einmal 24 Prozent, die den Mietendeckel „eher schlecht“ fanden. Unter Mieterinnen und Mietern war das Stimmungsbild noch eindeutiger.
Abschließend betrachtet bedeutet das Urteil auf Landesebene im Übrigen nicht, dass man jetzt die Hände in den Schoß legt und auf den Bundestag, die Bundesregierung oder die im September anstehenden Wahlen wartet. Ganz im Gegenteil: Jetzt heißt es erst recht, sich mit aller Kraft dem Kampf von Initiativen wie Deutsche Wohnen & Co. Enteignen anzuschließen, die eine Vergesellschaftung des Wohnungsbestandes der großen profitorientierten Wohnungskonzerne anstreben. In Berlin soll die Vergesellschaftung Konzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt betreffen. Aktuell sammelt die Initiative Unterschriften, damit die Vergesellschaftung als Volksentscheid im September mit der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und dem Deutschen Bundestag auf dem Wahlzettel steht. Was die Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens angeht, sieht die Sache hier deutlich besser aus. Artikel 15 des Grundgesetzes erlaubt nämlich explizit, dass Grund und Boden – und damit auch Wohnhäuser – zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum überführt werden können.
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3 Antworten
Der – leider noch amtierende – MdB Niema Movassat möchte offenbar seinen ehrabschneidenden verbalen Amoklauf gegen Sahra Wagenknecht durch eher allgemeingehaltene, innerlinks konsensuale Ausführungen zum Mietendeckel kaschieren.
Wir sollten ihm das nicht durchgehen lassen.
Der sich neuerdings mit Werner-Höfer-Brille zeigende Hinterbänkler möchte offenbar zu neuen Ufern aufbrechen. Man möge ihm ruhig dafür ein 12-Uhr-Blatt zur Verfügung stellen.
Also, weil er kritisch gegenüber Sahra ist, soll er sich nicht zu anderen Dingen äußern?
Wir sollten uns im Klaren sein, dass die Ungerechtigkeit zunehmen wird. Die Reichen und Mächtigen – und dazu zählen für mich auch die Mitarbeitenden der Gerichtsbarkeit – unterstützen und verhindern, dass Gerechtigkeit herrschen kann. Zwar sprechen alle der „Oberen“ von Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und derem Ähnlichem, aber die Umsetzung findet nicht statt, ganz im Gegeteil. Als einfacher Bürger muss man sich zwangsläufig nur noch versetzt fühlen. So sehe ich das!