Wohnung - Pixabay

„Die Linken zünden Berlin an“ – warum der Mietendeckel solche Emotionen auslöst

Der Berliner Mietendeckel erregt die Gemüter. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner wittert via Twitter „Planwirtschaft“ und Berliner Zeitungen titeln mit Überschriften wie „Die Linken zünden Berlin an“. Der Meinungskampf hat begonnen, aber warum ist er so heftig? Aber der Reihe nach.

Was viele nicht wissen: Der Vorschlag für den Mietendeckel kommt gar nicht von der LINKEN – sondern von der SPD. Eigentlich wollte sie damit nur beschwichtigend in die von der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen angestoßene Debatte über Enteignungen einwirken. Die Enteignungsdebatte hatte in der Berliner SPD für viel Streit gesorgt: die Basis und viele SPD-Anhängerinnen und Anhänger waren dafür, die SPD-Spitze eher dagegen. Es ist in Berlin kein Geheimnis, dass ein Teil der Berliner SPD-Spitze seit Jahren mit der Bauwirtschaft verfilzt ist. Um sich in dieser schwierigen Lage nicht positionieren zu müssen, hat die Berliner SPD-Spitze den Vorschlag eines Mietendeckels ins Spiel gebracht. Der Landesparteitag hat diesen Antrag mit breiter Mehrheit angenommen. DIE LINKE und allen voran die Berliner Bausenatorin Katrin Lompscher haben den Vorschlag schlicht übernommen.

Der Mietendeckel als Placebo?

Damit hatte die SPD-Führung offenkundig nicht gerechnet. Ein beschlossener Antrag bleibt oft nur Papier. Doch das Berliner Mietenproblem ist drängend. In vielen Bezirken sind die Mieten in nur 10 Jahren auf über das doppelte angestiegen. Berlin ist in wenigen Jahren zum Anlage-Eldorado internationaler Immobilienkonzerne mit Traumrenditen geworden. Die Folgen sind verheerend. Viele Familien können sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten und müssen aus ihren Vierteln wegziehen. Immer wieder gehen drastische Fälle durch die Presse: In der Berliner Lenbachstraße erhielten die Mietende Anfang dieses Jahres eine Mieterhöhung um 200%. Was sich verrückt anhört, ist keine Seltenheit.[iii]

Vor diesem Hintergrund ist der ursprüngliche Lompscher‘sche Mietendeckelentwurf entstanden. Er sah vor, dass die Nettokaltmieten nicht höher als 3,89 bis 7,87 pro Quadratmeter sein dürfen. Final war der Entwurf noch nicht. Er wurde unfertig an die Medien geleakt, um ihn frühzeitig und ohne Vorbereitung öffentlich zu demontieren. Dieser Entwurf hätte grundlegend mit dem Geschäftsmodell der Immobilienkonzerne gebrochen, weil er zu massenhaften Mietensenkungen geführt hätte. Nach einer schnellen Nachverhandlung der Berliner Koalition ist dieser radikale Plan vom Tisch. Der neue Plan sieht immer noch einen Mietendeckel und eine Absenkung für alle Mietende vor, die mehr als 30% ihres Einkommens für die Miete zahlen. Nach diesem Entwurf würden viele Berlinerinnen und Berliner deutlich entlastet und die Verdrängung vieler Mietenden würde gestoppt. Man könnte meinen: Eigentlich sinnvoll. Doch CDU, FDP und AfD toben und der Gegenwind der Immobilienlobby ist gewaltig.

Warum der Widerstand?

Dahinter steckt ein gigantischer Umbruch im Wohnungsmarkt. Viele Kleinvermieter und öffentliche Wohnungsbaugenossenschaften wurden in den letzten beiden Jahrzehnten von großen börsennotierten Immobilienunternehmen übernommen (Kurzvideo dazu). Viele Banken und Finanzunternehmen finden keine klassischen Anlagemöglichkeiten mehr und haben daher die Städte als Goldgruben entdeckt. Durch Aufkäufe von Wohnungen, schnelle Sanierungen und riesige Mieterhöhungen oder den Weiterverkauf von als überteuerte Eigentumswohnungen erzielten die Immobilienkonzerne Traumrenditen. Das erklärt aber noch nicht die Bedeutung des Wohnsektors.

Der zweitgrößte deutsche Immobilienkonzern Deutsche Wohnen ist eine Gründung der Deutschen Bank. An allen größeren Wohnungsunternehmen sind zudem Hedgefonds und andere Fonds wie etwa der norwegische Staat beteiligt. Der bekannteste Fonds ist sicherlich Black Rock – dessen Aufsichtsratsvorsitzender Friedrich Merz erst letzten Dezember knapp im Rennen um den CDU-Vorsitz unterlag. Viele deutsche Städte sind deshalb zentrale Anlagesphären vieler großer Unternehmen geworden. Initiativen wie Deutsche Wohnen und Co enteignen und der Mietendeckel gefährden die Gewinne der Unternehmen. Schon die Ankündigung des Mietendeckels hat die Aktienkurse von Deutsche Wohnen und Vonovia einbrechen lassen.

Miethaie wehren sich – falsche Vergleiche, Astroturfing und Lügen

Daher ist verständlich, warum die CDU, FDP und AfD so wütend auf die Idee des Mietendeckels einschlagen. Kein Vergleich ist zu krude. Der Chefredakteur der Welt, Ulf Poschardt, einer der Masterminds der deutschen Konservativen twitterte zum Mietendeckel nur eine Nordkoreafahne. In vielen Medien werden zur Berichterstattung als „Experten“ allein die Sprecher der Wohnungsunternehmen herangezogen. Die CDU fährt seit Monaten eine Kampagne auf Facebook zum Wohnthema unter dem Hashtag #BauenWohnenLeben und verbreitet Falschinformationen. Ein Teil der Berliner Bau- und Immobilienwirtschaft springt auf die Welle des Astroturfing auf. Das funktioniert so: Die Initiative Mut Stadt Wut plakatiert in der Stadt gegen Mietendeckel und Enteignung und macht dabei auf Bürgerinitiative. In Wirklichkeit stecken dahinter keine Bürgerinnen und Bürger, sondern die Wirtschaft. Diese fingierten Bürgerinitiativen gibt es vielfach in den USA um eine andere Meinung der Bürgerinnen und Bürger vorzutäuschen (der Begriff dafür lautet Astroturfing).

Das wichtigste Argument von Mut Stadt Wut wie auch der CDU und FDP lautet: Der Mietendeckel schafft keine neuen Wohnungen und verhindert Investitionen. Beide propagieren daher Deregulierung und Neubau – auch von Sozialwohnungen. Was die CDU verschweigt, ist das die großen Immobilienkonzerne kaum bauen. Der Vorsitzende der Deutsche Wohnen, Michael Zahn, gestand auf Nachfrage, dass sein Konzern in den letzten 5 Jahren ganze 300 Wohnungen (!) deutschlandweit gebaut hat – und das bei einem Bestand von insgesamt 160.000 Wohnungen. Auch die Zahl der Sozialwohnungen sank seit 1990 um 2/3 und wird weiter absinken, weil tausende Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. Es gibt natürlich etwas privaten Neubau, den können sich Normalverdienende ber gar nicht leisten. Meist werden nur Luxuswohnungen gebaut, weil die die höchsten Profite versprechen. Die CDU, die FDP und die Immobilienwirtschaft wissen das natürlich, wollen aber mit allen Mitteln ihre Profite schützen. Wenn die CDU und FDP also Sozialismus und Klassenkampf wittern, verschweigen sie nur, dass sie selbst Klassenkampf von oben betreiben. Nichts anderes sind die riesigen Mieterhöhungen und die Vertreibungen vieler Mietende aus den Städten.

David gegen Goliath

Der Mietenkampf hat darüber hinaus eine große Symbolwirkung. Jahrzehntelang haben die Großkonzerne in Deutschland einen Kampf nach dem anderen gewonnen. Der Mietendeckel ist daher ein wichtiger Reformvorschlag und zugleich ein Experiment. Seit Jahrzehnten haben Regierungen – auch linke – wenig verändert und nun legt sich eine linke Regierung mit den ganz Großen an. Anders als noch vor ein paar Jahren ist die Stimmung in der Bevölkerung weit weniger marktgläubig. Die Mietenexplosion lässt sich nur politisch eindämmen. Das wird DIE LINKE in der Regierung allein nicht schaffen. Es braucht großen Druck von außen auf die Medien und vor allem auf SPD und Grüne damit sie nicht umfallen – der vorliegende Entwurf darf nicht noch weiter verwässert werden. Diese Auseinandersetzung braucht Mut und Durchhaltewillen. Dann winken vielen Mieterinnen und Mieter ordentliche Mietsenkungen und die Konzerne werden aus der Stadt vertrieben!


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4 Antworten

  1. Leider werden in diesem Artikel die Kleinvermieter mit kleinen Beständen unter den Tisch gekehrt. Es gibt auch Vermieter die Ihre Wohnung Modernisiert haben und Investiert haben, um attraktiven Wohnraum zu schaffen und laut Lompschers Vorschlag spielt nun die Ausstattung und Lage keine Rolle mehr. Ich bin gespannt was passiert, wenn die ersten Wohnungen zu den vorgeschlagenen Preisen in Kreuzberg angeboten werden. Ich rechne mit weit über 100 Bewerbern und es wird sicherlich nicht der Sozialschwache ausgewählt. Die aktuelle Lösung ist linker Wahlkampf ohne die großen Mietentreiber anzutasten und zu Lasten der Kleinvermieter.
    Kritisch zu hinterfragen ist auch warum Frau Lompscher keine Wohnungen zu den Vorgeschlagenen Mietpreisen schafft?

  2. Es wird in dem Artikel von einem Experiment gesprochen. Wie alt ist den der Autor und selbst wenn er zu jung ist um die deutsche Nachkriegsvergangenheit erlebt zu haben kann er den keine Geschichtsbücher lesen ?
    Das Experiment mit regulierten Mieten Wohnraum zu schaffen ist doch spätestens 1989 krachend gescheitert.

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