Jedes Jahr besuche ich das palästinensische Dorf, aus dem ich 1948 vertrieben wurde. Jetzt in den USA lebend, träume ich davon, dass meine Kinder das Land auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Gleichheit wiederaufbauen werden.
Ich war acht Jahre alt, als eine zionistische Miliz den Berggipfel neben unserem Dorf Ain Karim einnahm und begann, auf uns herunterzuschießen. In Panik versetzt, packte meine Mutter einige Gegenstände in eine Tasche und wir flohen, uns gewiss, dass wir in einigen Wochen wieder nach Hause zurückkehren würden. Das Chaos war überwältigend; ich erinnere mich an bestürzte Eltern, die verzweifelt nach vermissten Kindern und Ehepartnern suchten.
Wir waren unter den 750.000 Palästinensern, die während des Kriegs, in dem der Staat Israel 1948 gegründet wurde, aus ihren Häusern vertrieben wurden, was Palästinenser die Nakba („Katastrophe“) nennen. Wenngleich wir diesen Monat 75 Jahre seit der Massenvertreibung gedenken, hat Israels Enteignung der Palästinenser nie aufgehört. Die Nakba bleibt die Wurzel des Problems in Palästina-Israel und die andauernde Enteignung ist die treibende Kraft, die bis heute die Gewalt nährt. Beide müssen endlich auf gerechte Weise anerkannt und angegangen werden, wenn es jemals einen dauerhaften Frieden geben soll.
Jedes Mal, wenn ich zurückkehre und die Ruinen unseres Hauses in Ain Karim sehe – eine Möglichkeit, die den meisten palästinensischen Flüchtlingen und ihren Nachkommen verwehrt wird – werden die Erinnerungen und das Trauma dessen, was 1948 geschah, wieder wach. Nachdem wir flohen, schickte mein Onkel aus Bagdad ein Auto, das uns zu ihm bringen sollte. Nach einer dreitägigen Reise kamen wir im Irak an, nur um die Nachricht zu erhalten, dass unser Haus in Palästina bombardiert worden war. Jegliche Hoffnung, die wir hatten, zurückzukehren, wurde zerstört. Mit der Zeit wurde klar, dass Israel den Palästinensern, die es zu Flüchtlingen gemacht hatte, nicht erlauben würde, zurückzukehren. Meine Familie blieb zehn Jahre in Bagdad und siedelte dann in die Vereinigten Staaten um, wo ich seitdem lebe.
Die Geschichte meiner Familie ist alles andere als ungewöhnlich. Während der Gründung Israels wurden über 400 palästinensische Städte, Dörfer und Stadtteile entweder zerstört oder durch jüdische Israelis neu besiedelt und rund drei Viertel der gesamten palästinensischen Bevölkerung wurden gewaltsam vertrieben. Israel verweigert uns weiterhin das Recht, in unser Heimatland zurückzukehren.
Es ist nur aufgrund meines amerikanischen Passes, dass ich meine jährliche Pilgerreise nach Ain Karim unternehmen kann und Betonbrocken und verbogenen Bewehrungsstab begutachten kann, der noch immer auf dem Land meiner Familie zu sehen ist, umgeben von einem dichten Wäldchen mit wunderschönen Mandel- und Feigenbäumen. Jedes Jahr nehme ich einen kleinen Stein von meinem Land, schreibe darauf „Ain Karim“ und das Jahr meines Besuchs und nehme ihn mit in mein Zuhause nach Kalifornien.
Selbst bevor die derzeitige rechtsextreme Regierung die Macht in Israel übernahm, kamen große Menschenrechtsorganisationen, sowohl in Palästina-Israel als auch international, zum Schluss, dass Israels Politik Apartheid gleichkommt. Diese Politik wird weiterhin verschärft und erweitert unter hochrangigen israelischen Ministern, die offen zur Vertreibung von Palästinensern aufriefen, die ihre dauerhafte Unterwerfung nicht hinnehmen, und bedauern, dass zionistische Anführer den „Job nicht beendeten“, alle Palästinenser 1948 zu vertreiben.
Doch es ist nicht nur diese Regierung, die verantwortlich ist; jede israelische Regierung seit 1948 beteiligte sich daran, Systeme der Unterdrückung und Kontrolle zu errichten und auszubauen, um jüdisch-israelische Vorherrschaft sicherzustellen. Und das haben sie mit der Unterstützung und Komplizenschaft westlicher Regierungen getan.
Obwohl die Situation vor Ort düsterer wird, gibt es Grund zur Hoffnung. Während die Biden-Administration und andere westliche Regierungen weiterhin Israels Unterdrückung ermöglichen, zeigen Meinungsumfragen, dass eine steigende Zahl von Amerikanern die hässliche Realität von Apartheid erkennt und zunehmend den Kampf der Palästinenser für unsere Freiheit unterstützt. Es ist längst überfällig, dass die US-Regierung mit der amerikanischen Öffentlichkeit aufschließt und Israel deutlich unter Druck setzt, um wahre Gerechtigkeit für Nakba-Überlebende und unsere Nachfahren und die Freiheit des palästinensischen Volkes zu unterstützen.
Palästinenser und Juden lebten vor 1948 friedlich zusammen und das können wir wieder tun – vorausgesetzt, es geschieht auf der Grundlage von Gleichheit, nicht unter den jetzigen Bedingungen von ethnischer Vorherrschaft und Apartheid. Es ist Platz für alle von uns in Palästina. Diese Vision mag sich nicht zu meinen Lebzeiten verwirklichen, aber ich bin zuversichtlich, dass sie mit weltweiter Unterstützung Wirklichkeit werden wird.
In der Zwischenzeit werde ich weiterhin meine jährliche Pilgerreise nach Ain Karim unternehmen. Ich werde weiterhin einen Stein nehmen und ihn zu meiner Sammlung in meinem Zuhause im Exil hinzufügen. Ich werde weiterhin von dem Tag träumen, an dem ich oder meine Kinder diese Steine zurück in das Land ihrer Vorfahren bringen werden, während wir unser Haus und eine Zukunft für uns und unsere Nachbarn wiederaufbauen.
Der Artikel erschien vor einem Jahr beim 972Mag. Leila Giries ist eine palästinensisch-amerikanische Nakba-Überlebende, die in Südkalifornien lebt.