Die Parlamentswahlen in Griechenland finden am 21. Mai statt. Das gab Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am 28. März im Rahmen einer Kabinettssitzung bekannt. Im Gegensatz zu anderslautenden Szenarien „werden die Parlamentswahlen am Ende der vierjährigen Legislaturperiode abgehalten, wie ursprünglich geplant“.
Offiziell läuft die Amtszeit der regierenden konservativen Nea Dimokratia (ND) im Juli aus. Da der Urnengang im Mai mit dem einfachen Verhältniswahlrecht durchgeführt wird, rechnen die meisten politischen Beobachter mit einem zweiten Wahlgang. Im Sommer greift dann das von der konservativen ND im Jahr 2020 verabschiedete Wahlgesetz, bei dem ein gestärktes Bonuswahlrecht zum Einsatz kommt, das der ersten Partei bis zu 50 Sitze zuerkennt. Das einfache Verhältniswahlrecht war während der Regierungszeit der SYRIZA 2016 verabschiedet worden.
Ursprünglich gingen politische Analysten von Wahlen am 9. April aus. Das schwere Zugunglück Ende Februar bei Larissa, bei dem 57 Menschen ums Leben kamen, zwang die Regierung offensichtlich jedoch zu einer Verschiebung. Ein Skandal, der auf die Privatisierung, eine massive Entlassungswelle und weitere Einsparungen im Eisenbahnsektor zurückzuführen ist. Skandale über Skandale, so konnte man die Regierungszeit der Nea Dimokratia zusammenfassen. Jedoch stehen die Nationalkonservativen bei aktuellen Umfragen weiterhin an erster Stelle. Eine absolute Mehrheit an Sitzen, wie bei den letzten Wahlen wird es diesmal nicht geben, das ist sicher.
Die Wahlen 2019 – SYRIZA-Pleite, das Aus für die Chrysi Avgi
2019 errang die Nea Dimokratia mit 39,8 Prozent der Stimmen 158 von 300 Parlamentssitzen. Die SYRIZA kam mit 31,5 Prozent nur auf 86 Sitze. Damit wurde sie stärkste Oppositionspartei. Die Chrysi Avgi, 2015 noch drittstärkste Partei in der griechischen Vouli (Nationalparlament), flog mit nur 2,9 Prozent aus dem Parlament. Sie scheiterten knapp an der in Griechenland festgesetzten 3-Prozent-Hürde. Knapp ein Jahr später wurde ihr Verbot durchgesetzt. Das Aus für die Chrysi Avgi hat den Horizont der nationalkonservativen Nea Dimokratia weiter nach rechts gerückt. Man kann davon ausgehen, dass die verschärfte Rhetorik in der Migrationspolitik der ND für einen Stimmenzuwachs von Rechtsaußen sorgte.
Neben der Chrysi Avgi sind auch drei weitere Parteien aus dem Parlament geflogen: Das liberale Wahlbündnis Potami, die rechtspopulistische ANEL und die Zentrumspartei spielen im griechischen Parteiensystem keine Rolle mehr.
Das neugewählte Parlament bestand nun aus sechs Parteien. Drittstärkste Kraft wurden mit 8 Prozent die Sozialdemokraten. Die Kommunistische Partei Griechenlands KKE wurde mit 5,3 Prozent viertstärkste Kraft. Die rechtspopilistische Elliniki Lysi (EL) [gr.: „Griechische Lösung“] konnte mit 3,7 Prozent erstmals ins Parlament einziehen und stellt die Opposition von Rechtsaußen. Vor allem in der Migrationsfrage wird die Regierung unter Premier Mitsotakis weiter nach rechts getrieben. Komplettiert wird die Vouli mit dem Einzug der linken Mera25. Sie erhielt 3,5 Prozent der Stimmen.
Außerparlamentarisch ist zu erkennen, dass die linke Opposition in Griechenland zwar vertreten ist, gemeinsam aber nicht mal auf 2,5 Prozent der Stimmen kommen. Plefsi Eleutherias erreichte dabei 1,5 Prozent, ANTARSYA 0,5 Prozent und die einst im Parlament vertretene Abspaltung der SYRIZA, LAE kam auf nun 0,3%. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine dieser Parteien es ins Parlament schafft, tendiert gegen null. Auch der erneute Einzug der Varoufakis-Partei Mera25 und der rechtspopulistischen Eliniki Lysi, der ein Bestechungsskandal anhängt, scheinen unwahrscheinlich.
Comeback der Neonazis im Parlament?
Von Rechtsaußen kommt jetzt allerdings ein neues Bündnis, das sich rund um den ehemaligen Abgeordneten der Chrysi Avgi, Ilias Kasidiaris, formiert. Kasidiaris war einer von hochrangigen Mitgliedern, die nach dem Verbot der Chrysi Avgi eine Freiheitsstrafe antreten musste. Die Partei Ellines [gr.: Griechen] wurde im Mai 2020 gegründet und ist in Wahlumfragen bei schätzungsweise 4–5 Prozent anzusehen. Ein Comeback auf dem politischen Schachbrett von rechts könnte nach Zulassung durch das höchste griechische Gericht einer Listen- und Kandidatenaufstellung auch schon im Mai gelingen – und damit auch der Einzug ins Parlament. Es ist wahrscheinlich, dass vor allem die Wähler der Nea Dimokratia und der Eliniki Lysi die Kasidiaris-Partei unterstützen werden.
Das bedeutet, dass der Abstand zwischen der Regierungspartei Nea Dimokratia und der Syriza weiter schmelzen wird. Fakt ist, es wird ein harter Wahlkampf für beide Lager. Eine Regierungsbildung bereits nach den Wahlen am 21. Mai scheint unwahrscheinlich. Aufgrund des veränderten Wahlrechts wird es sehr wahrscheinlich noch einen zweiten Wahlgang geben, bis eine neue Regierung feststeht.
SYRIZA und mögliche Koalitionen
SYRIZA geht in die Wahlen mit einem Regierungsauftrag. Alexis Tsipras verkündete, dass seine Partei nun die Möglichkeit erhält, das SYRIZA-Wahlprogramm ohne Troika und Sparmaßnahmen umzusetzen. Das bedeutet, dass das grundlegendste Wahlversprechen, die Abschaffung aller von der Regierung Mitsotakis getätigten Arbeitsreformen, umgesetzt werden könnte. In seinen politischen Auftritten konzentrierte sich Tsipras zunehmend auf Gegenüberstellungen zwischen der jetzigen Regierung und einer Alternative: Ehrlichkeit oder Korruption, Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, Demokratie oder Familienherrschaft. Die scharfe Kritik am neoliberalen System von Mitsotakis und ein Kein-weiter-so spielen dabei eine wichtige Rolle. Grundlegende Elemente sind eine Offensive gegen Armut und Arbeitslosigkeit, gegen steigende Energie- und Lebenshaltungskosten.
Mögliche Koalitionen lässt man sich offen. Gerne würde man mit einzelnen Vertretern der Kinal-Pasok oder der Mera25 eine Regierungskoalition bilden. Von Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei Griechenlands KKE kann man nicht ausgehen. Die KKE hat sich erneut für eine straffe Opposition entschieden. Die Sozialdemokraten scheinen dabei Königsmacher zu sein und könnten entscheidend sowohl für eine zweite Amtszeit von Mitsotakis als auch einen Regierungswechsel unter der SYRIZA sein. Die PASOK-KinAl steht laut Umfrage bei rund 9 Prozent. Vorsitzender Androulakis hat sich noch nicht zu Koalitionsszenarien geäußert.