Gewinn ist wichtiger als Menschenrechte – Im Gespräch mit Barbara Happe

In der Wirtschaft geht es darum Profit zu erzielen, doch es gibt auch immer wieder Menschen, die den Fokus auf Menschenrechte legen statt auf Gewinn. Wir haben mit Barbara Happe, Vorstandsmitglied beim Dachverband der kritischen Aktionäre und bei urgewald zuständig für Banken- und Rüstungskampagnen, gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Immer wieder hört man in den Medien von den kritischen Aktionärinnen und Aktionären. Was genau macht ihr?

Barbara Happe: In erster Linie sind wir eine Menschenrechts- und Umweltschutzorganisation. Wir setzen uns für ökologische und soziale Nachhaltigkeit börsennotierter Unternehmen ein und fordern neben Umweltschutz auch die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten und einen Stopp der Rüstungsproduktion. Der Verband versammelt 28 Mitgliedsorganisationen unter seinem Dach, von Umweltorganisationen wie urgewald über die Friedensinitiative „Ohne Rüstung leben“ bis hin zum Kölner „Whistleblower-Netzwerk“.

Unser Ansatz: Wir sprechen unsere Kritik direkt auf den Hauptversammlungen der Konzerne an – dazu reicht schon eine Aktie aus. Damit wir dort mit mehr Gewicht als Aktionärsvereinigung auftreten können, setzen wir darauf, dass uns Aktionärinnen und Aktionäre ihr Rede- und Stimmrecht übertragen, was sehr gut funktioniert. Auch die Anzahl von Sympathisantinnen und Sympathisanten , die sogenannte „dreckige Depots“ anlegen und einzelne Aktien börsennotierter, kontroverser Konzerne kaufen und uns ihr Stimmrecht übertragen, wächst.

Um unseren Anliegen mehr Gewicht zu verschaffen, bemühen wir uns darum, Betroffene oder Aktivistinnen und Aktivisten sozialer Bewegungen aus dem Globalen Süden direkt zu Wort kommen zu lassen. So ist z.B. im letzten Jahr eine Vertreterin der jemenitischen Menschenrechtsorganisation Mwatana, Bonyan Gamal, auf der Hauptversammlung des Rüstungskonzerns Rheinmetall aufgetreten und hat eindrücklich über die Folgen des Einsatzes von Rheinmetall-Bomben im Krieg in ihrer Heimat berichtet und ein Ende von Waffenlieferungen an die Kriegs-Parteien gefordert. Bei einem von Mwatana dokumentierten Angriff der saudischen Luftwaffe im Oktober 2016 mit einer Rheinmetall-Bombe starb eine sechsköpfige Familie, darunter die schwangere Mutter und vier Kinder. 

Ziel solcher Interventionen ist es, auf skandalöse Geschäftspraktiken hinzuweisen, die Konzernspitze unter Druck zu setzen sowie Aktionärinnen und Aktionäre zu sensibilisieren und – im besten Fall – Kurskorrekturen zu erstreiten, was zugegebenermaßen gerade bei Rüstungskonzernen nur sehr selten gelingt.

Zudem nehmen wir mit unseren Mitglieds- und Partnerorganisationen sowie sozialen Bewegungen die Hauptversammlungen auch als Anlass für Protestaktionen, um auch über Medien Öffentlichkeit und Politik für unsere Anliegen zu erreichen.

Die Freiheitsliebe: Wie kam es zu eurer Gründung?

Barbara Happe: Verschiedene Aktivistinnen und Aktivisten aus der Anti-Atom-Bewegung oder Anti-Apartheid-Bewegung hatten schon in den frühen 1980er Jahren immer wieder einzelne Hauptversammlungen als Anlass für Kritik und Protestaktionen genutzt. Diese haben sich 1986 zusammengeschlossen, um mit vereinten Kräften als Aktionärsvereinigung auftreten zu können. Axel Köhler-Schnura, einer der Gründungsmitglieder des Dachverbandes, erinnert sich an die ersten Auftritte auf Hauptversammlungen: „Nie zuvor war die heilige Profitruhe einer Aktionärsversammlung gestört worden. Noch nie hatte jemand gewagt, den ‚Rat der Götter‘ in der Öffentlichkeit derart zu kritisieren“. Seitdem kommen jetzt Jahr für Jahr die mit Profiten verbundenen Skandale auf den Tisch.

Die Freiheitsliebe: Ihr habt verschiedene Bereiche, in denen die Konzerne, bei denen ihr agiert, arbeitet, wie kommt es zu dieser Vielfalt und was ist der gemeinsame Nenner?

Barbara Happe: Wir möchten es sozialen Bewegungen, die fundierte Kritik an einem Konzern haben, ermöglichen, diese Kritik dem Vorstand und den Aktionärinnen und Aktionären direkt vortragen zu können. Auch sollen aktuelle Skandale nicht unerwähnt bleiben. Daher richtet sich unser Fokus immer etwas nach aktuellen Themen, Schwerpunkten und Kampagnen unserer Mitgliedsorganisationen und sozialer Bewegungen. So sollen natürlich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future oder Ende Gelände bei RWE sprechen können, Vertreterinnen und Vertretern der Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ bei der Deutschen Wohnen, „Kreuzfahrtschiffe (k)entern“ bei TUI oder eben „Rheinmetall entwaffnen“ bei Rheinmetall.

Die Freiheitsliebe: Ihr habt in diesem Jahr viel Aufmerksamkeit erhalten für eure Intervention bei Heckler & Koch, was war euer Ziel?

Barbara Happe: Dieses Jahr wollten wir vor allem erreichen, dass die Verantwortung für Folgen der Kleinwaffenexporte in Konfliktregionen nicht durch andere Themen und Missmanagement in Vergessenheit gerät. Wegen illegaler Exporte in Konfliktregionen Mexikos ist das Heckler & Koch gerade erst im Februar verurteilt worden. Dass in dem Prozess und Urteil die Opfer, unter anderem die 43 gewaltsam verschleppten und noch immer verschwundenen Studenten aus Iguala, keine Rolle gespielt haben, darauf wollten auch die Aktivistinnen und Aktivistender Friedensbewegung bei ihrem Protest vor der Hauptversammlung hinweisen. Der Vorstand muss endlich seine Mitverantwortung anerkennen, statt die Schuld nur auf ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu schieben und das Urteil gar anfechten zu wollen.

Außerdem haben wir in Bezug auf ihre „Grüne-Länder-Strategie“ nachgehakt: Heckler & Koch hatte 2017 angekündigt, nur noch an Länder, die sie als „grün“ im Sinne von unproblematisch oder friedlich einstufen, beliefern zu wollen. Auf der Hauptversammlung wurde jedoch klar, dass sich unter den „grünen Ländern“ nicht nur NATO- und EU-Länder befinden, sondern eben auch Staaten wie z.B. Indonesien, Oman, Malaysia, Indien, Jordanien, Chile oder Singapur, deren Menschenrechtssituation nicht nur aus unserer Sicht durchaus problematisch ist.

Immerhin ist der Vorstand unserer Forderung nachgekommen, endlich Medienvertreterinnen und Medienvertreter zur Hauptversammlung zuzulassen – bei anderen Hauptversammlungen längst üblich.

Die Freiheitsliebe: Geht es bei den Aktionen vor allem darum Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken oder glaubt ihr, dass die Unternehmenspolitik verändert werden kann?

Kritische Aktionäre

Barbara Happe: Wir machen uns nichts vor: Investorinnen und Investoren wollen Gewinn und damit steigende Renditen sowie Dividenden sehen. Klimaschutz und Menschenrechte sind zweitrangig – wenn überhaupt. So wird z.B. Rheinmetall-Vorstand Papperger nicht müde, Kritik an Rüstungsexporten in Kriegsgebiete mit dem Hinweis abzubügeln, dass man eine „Verpflichtung gegenüber den Investoren (habe), finanziellen Schaden vom Unternehmen abzuwenden“.

Es geht uns vor allem darum, die Aufmerksamkeit von Medien, Öffentlichkeit und weiteren Aktionärinnen und Aktionären allgemein zu bekommen. Unsere wenigen Stimmrechte reichen bei weitem nicht aus, als „Kritischer Investor“ zu agieren. Nur zusammen mit öffentlicher Kritik wird die unsere auch von den Aktionärinnen und Aktionären als berechtigtes Anliegen wahrgenommen. Dass immer mehr Konzerne aufgrund der Klimakrise Kohlerichtlinien verabschieden, liegt sicher auch am kontinuierlichen Druck durch die Zivilgesellschaft, auch auf Hauptversammlungen. Leider reicht das, was passiert, bei weitem nicht aus, um einen wirklichen Kursschwenk zu attestieren.

Selten sind Erfolge wie z.B. der Stopp einer Finanzierung für ein kontroverses Projekt oder der Ausstieg aus der Finanzierung besonders umweltschädlicher Rohstoffabbaumethoden oder besonders kontroverser Waffensysteme wie z.B. Streumunition und Landminen.

Und wenn Heckler & Koch die „Grüne-Länder-Strategie“ durchhalten sollte, dann liegt das natürlich auch daran, dass sich aktuell mit den übrigen NATO-Staaten genug Geschäfte machen lassen.

Allgemein teilen wir nach über 30 Jahren die Perspektive von sozialen Bewegungen, dass im aktuellen System der Gewinn- und Renditejagd der Schutz von Menschenrechten und des Klimas keine guten Chancen hat.

Die Freiheitsliebe: Was wünscht ihr euch als kritische Aktionäre für die Rüstungsunternehmen, strebt ihr eine Konversion an oder nur einen Exportstopp in bestimmte Gebiete?

Barbara Happe: Die Kritischen Aktionärinnen und Aktionären Heckler & Koch haben dies klar formuliert: Die Waffenschmiede soll die Weichen hin zur Rüstungskonversion stellen, also die Umstellung auf eine sinnvolle nachhaltige zivile Fertigung. Die Kritik ist also weitgehender und bezieht sich nicht nur auf umstrittene Waffenexporte. Und wie andere deutsche Rüstungskonzerne sieht sich auch Heckler & Koch als ein „verteidigungswichtiges Unternehmen für Bundesrepublik und NATO“. Ein Ende der Lieferungen an menschenrechtsverletzende Staaten wäre aber immerhin ein erster Schritt, um sinnloses Töten einzudämmen und Politik daran zu erinnern, ihrer Verantwortung nachzukommen, eigene Vorgaben aus den geltenden Rüstungsrichtlinien endlich auch umzusetzen.

Die Freiheitsliebe: Danke dir.


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